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Zu teures Gas, zu wenig Strom: Muss die Atomkraft doch länger laufen?

Der Faktencheck zur Sendung vom 12.09.2022

Deutschland in der Energiepreis-Zange: Gas und Strom – beides wird unbezahlbar. Kann die Politik beim Strom vielleicht helfen, ist sie beim Gas aber ohnmächtig? Droht bald vielen Betrieben und auch Bürgern die Pleite? Und was bringt es, wenn die Atommeiler länger laufen?

Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt hartaberfair nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Tarek Al-Wazir über Zuschüsse für Handwerksbetriebe

Ein wenig verwirrend war die Aussage von Tarek Al-Wazir, als es um die Zuschüsse für energieintensive Betriebe ging. Zunächst sagte er, diese Zuschüsse könnten inzwischen auch von Handwerksbetrieben genutzt werden. Im Anschluss sprach er dann nur noch davon, dass Robert Habeck dies im Deutschen Bundestag angekündigt hat.

Die Diskussion drehte sich um das so genannte Energiekostendämpfungsprogramm (EKDP) mit einem Umfang von fünf Milliarden Euro, das die Bundesregierung für energieintensive Betriebe auf den Weg gebracht hat. Seit Mitte Juli können Unternehmen diese Hilfen beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle beantragen. Mit diesem Programm bezuschusst die Bundesregierung einen Anteil der Mehrkosten energieintensiver Betriebe für Strom und Gas. Die Zuschüsse staffeln sich von 30 Prozent der Mehrkosten oder maximal 2 Millionen Euro bis hin zu 70 Prozent der Mehrkosten oder maximal 50 Millionen Euro. Die Hilfe ist jedoch an zahlreiche Bedingungen geknüpft. So müssen unter anderem die Kosten für Strom und Gas mehr als doppelt so hoch ausgefallen sein wie im Durchschnitt des Jahres 2021 – allerdings werden nur die Kostensteigerungen zwischen Februar und September 2022 berücksichtigt. Die noch erwarteten Preissprünge im Winter - vor allem bei Gas – werden nicht berücksichtigt.

Der Bäcker von nebenan profitiert noch nicht

Grundlage für diesen Zuschuss ist eine Liste der EU-Kommission. Den Bäcker von nebenan sucht man auf dieser Liste aber bisher vergeblich, was auch unser Gast Catarina Künne kritisiert. Das Energiekostendämpfungsprogramm umfasst überwiegend Unternehmen mit industrieller Fertigung. Allerdings hat Wirtschaftsminister Habeck in der vergangenen Woche vor dem Deutschen Bundestag angekündigt, das Energiekostendämpfungsprogramm auch für kleine und mittelständische Unternehmen zu öffnen. An den Erweiterungen dieses Schutzschirms werde mit Hochdruck gearbeitet, so Habeck im “Focus“.

Hermann-Josef Tenhagen über Gewinne großer Energiekonzerne

Hermann-Josef Tenhagen erinnert daran, dass derzeit nicht nur regenerative Stromerzeuger große Gewinne machen, weil deren Preise an den hohen Gaspreis gekoppelt sind. Auch die Großen verdienten sich eine goldene Nase. So habe etwa RWE seinen Gewinn im ersten Halbjahr von 1,8 Mrd. Euro auf 2,9 Mrd. Euro gesteigert.

Die Zahlen, die Hermann-Josef Tenhagen nennt, stimmen. RWE bezifferte sein EBITDA für das erste Halbjahr 2022 auf 2,858 Milliarden Euro. Das sind 1,1 Milliarden Euro mehr als im Vorjahreszeitraum (1,751Mrd.). EBITDA gibt den Gewinn eines Unternehmens vor Steuern, Zinsen, sowie Abschreibungen auf Sachanlagen und immaterielle Wirtschaftsgüter wie z. Bsp. Lizenzen, Patente oder Nutzungsrechte an. Das EBITDA gilt in der Betriebswirtschaft als eine Kenngröße der Rentabilität eines Unternehmens.

Die Stromerzeugung lag nach Angaben von RWE im ersten Halbjahr 2022 mit 77.752 Gigawattstunden auf ähnlichem Niveau wie 2021. Mit über 26.000 Gigawattstunden (GWh) war dabei Gas der Rohstoff, aus dem RWE den meisten Strom gewonnen hat, gefolgt von Strom aus Braunkohle (24.420 GWh). Während die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien auf 18.600 GWh zugelegt hat, ging die Stromproduktion aus Kernkraft im Vorjahresvergleich deutlich auf ca. 5.550 GWh zurück.

Tarek Al-Wazir über Anteil des Atomstroms

Tarek Al-Wazir sagt, derzeit würden nur fünf Prozent des Stroms durch Atomkraft gewonnen.

Die Größenordnung stimmt. Laut neuer Daten des statistischen Bundesamtes hat Atomstrom im ersten Halbjahr dieses Jahres 6 Prozent zur gesamten Stromproduktion beigetragen. Aufgrund der Abschaltung von drei der sechs AKW ging der Atomstromanteil damit im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um mehr als die Hälfte zurück. Zu sehr ähnlichen Zahlen kommt auch das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE): Die Experten berechnen einen Atomstromanteil von 6,5 Prozent für das erste Halbjahr 2022. Den größten Anteil an der Stromproduktion hatte laut statistischem Bundesamt mit 31,4 Prozent die Kohle. Gleich dahinter folgt Windkraft mit 25,7 Prozent. Vergleicht man die Stromeinspeisung konventioneller Energieträger mit der erneuerbarer Energien, so machen beide etwa die Hälfte an der gesamten Einspeisung aus. Während aber der Anteil der fossilen Energieträger im Vergleich zum Vorjahr von 56,2 Prozent um gut 5 Prozentpunkte auf 51,5 Prozent sank, nahm der Anteil der Erneuerbaren von 43,8 Prozent um 5 Prozentpunkte auf 48,5 Prozent zu.

Stand: 13.09.2022, 09:26 Uhr