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Kostenfalle Energie: Wie sollen wir das schaffen?

Der Faktencheck zur Sendung vom 22.08.2022

Preiserhöhung ums Mehrfache, die Gasumlage: Für die Bürger kommt es dicke. Ist das für Arme, Rentner, Familien überhaupt zu schaffen? Reicht die Kürzung der Mehrwertsteuer? Wie kalt und dunkel wird der Winter? Fragen der Zuschauenden – Experten und Politiker im Studio antworten.

Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt hartaberfair nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Udo Sieverding über Strom- und Gassperren

Udo Sieverding befürchtet, dass durch die steigenden Energiekosten auch die Zahl der Strom- und Gassperrungen zunehmen wird. In den vergangenen Jahren sei Haushalten durchschnittlich 300.000 mal Strom oder Gas abgedreht worden.

Die aktuellsten Zahlen zu Sperrungen von Strom- und Gasanschlüssen stammen aus dem Jahr 2020. Die Bundesnetzagentur zählt die Fälle, in denen Haushaltskunden der Zugang zu Strom und Gas abgeschnitten wird. Die Größenordnung, die Udo Sieverding nennt, kommt den Zahlen für das Jahr 2019 recht nahe. 289.000 mal haben Energieversorger einem Haushalt den Strom abgeschaltet. Diese Abschaltungen gingen im Jahr 2020 um 20 Prozent auf gut 230.000 zurück. Laut Bundesnetzagentur entspricht das etwa 0,4 Prozent aller Verbraucheranschlüsse. Deutlich seltener wird den Menschen das Gas abgedreht. Im Jahr 2019 passierte das 31.000 mal. 2020 lag die Zahl bei nur noch 24.000 und damit um 22 Prozent niedriger. Experten und Sozialverbände befürchten jedoch, dass die Zahl der Strom- und Gassperrungen durch die stark steigenden Energiekosten deutlich zunehmen könnte.

Christian Dürr und Amira Mohamed Ali über Proteste in Neuruppin

Christian Dürr warf der Linken vor, gemeinsam mit der AfD gegen Bundeskanzler Scholz demonstriert zu haben. Ob er mit der Formulierung “Seit an Seit“ auch eine inhaltliche Nähe der Linken zur AfD unterstellen wollte, können wir nicht sagen. So aber hat es Amira Mohamed Ali wohl aufgefasst.

Christian Dürr spielte auf eine Veranstaltung von Bundeskanzler Olaf Scholz in Neuruppin in der vergangenen Woche an. Scholz hatte sich in einem Bürgerdialog den Fragen von rund 200 angemeldeten Neuruppinern gestellt. Gleichzeitig demonstrierten einige Hundert Menschen gegen die Politik des Kanzlers und seiner Regierung. Viele dieser Demonstranten störten den Bürgerdialog mit lautstarken Zwischenrufen wie “Lügner“, “Volkverräter“ oder “Hau ab“.

Tatsächlich gab es unterschiedliche Gruppen, die den Bürgerdialog genutzt haben, um gegen die Politik des Bundeskanzlers zu protestieren. Den weitaus größten Teil der Gegendemonstranten machten dabei Besucher einer Gegenveranstaltung der AfD aus. Der Kreisverband Ostprignitz-Ruppin hatte unter dem Motto “Denkzettel statt Kuschelkurs – rote Karte für die Ampel“ eine eigene Kundgebung in unmittelbarer Nähe zur Bühne von Olaf Scholz angemeldet. Daneben versammelten sich auch kleinere Gruppen der „Fridays for Futures“ – Bewegung sowie einige wenige Anhänger der Linken, berichtete etwa der RBB. Die Linke in Brandenburg hat sich inzwischen von dem Protest rechter Demonstranten distanziert. Gegenüber der dpa erklärte der Landesgeschäftsführer der Linken Brandenburg, Stefan Wollenberg: “Protest gegen die Regierung ist legitim, aber nicht in dieser Form.“ Die Linke habe weder dazu aufgerufen, gemeinsam mit der AfD zu protestieren, noch habe sie gemeinsam mit ihr demonstriert. Auf einer Kundgebung mit etwa zehn Teilnehmern waren auch Plakate der Linken zu sehen. Dieser Protest wurde nach Angaben der Linken von “Fridays for Future“ organisiert.

Michael Hüther über "Energiearmut"

Michael Hüther sagt, sein Institut habe festgestellt, dass inzwischen 25 Prozent der Haushalte mehr als zehn Prozent ihres verfügbaren Einkommens für Energie ausgeben. Wir haben die Untersuchung des IW Köln zusammengefasst.

Eine Studie des IW Köln kam im Juli dieses Jahres zu dem Schluss, dass durch die rasant steigenden Energiepreise immer mehr Menschen von “Energiearmut“ bedroht sind. Als energiearm gilt laut IW Köln eine Person, die mehr als zehn Prozent ihres Nettoeinkommens für Energie ausgeben muss. Dies traf im Mai dieses Jahres den Ökonomen des Instituts von Michael Hüther zufolge auf gut 25 Prozent der Deutschen zu. Im vergangenen Jahr waren es nur 14,5 Prozent. Die Autoren machen deutlich, dass die Gefahr der Energiearmut besonders für kleinere Einkommen gestiegen ist. 65 Prozent der Menschen unterhalb der "Armutsrisikogrenze" müssen mehr als zehn Prozent des Nettoeinkommens für Energie ausgeben. Das sind laut Studie 16 Prozent mehr als im Vorjahr. Das Risiko der Energiearmut sei aber auch für die untere Mittelschicht größer geworden. Zu dieser Gruppe gehören Menschen, die zwischen 60 und 80 Prozent des mittleren Einkommens verfügen. Knapp 41 Prozent der Personen aus dieser Einkommensgruppe sind von Energiearmut gefährdet – ihr Anteil hat sich im Vergleich zu 2021 verdoppelt.

Udo Sieverding über Vonovias Pläne zur Raumtemperatur

hartaberfair“ hat in der gestrigen Sendung über die Pläne von Vonovia berichtet, die Temperatur in Vonovia-Wohnungen mit Gasheizung nachts auf 17 Grad abzusenken. Dazu sagte unser Gast Udo Sieverding, Energie-Experte der Verbraucherzentrale NRW: "Sie [Vonovia] machen das nicht, um Energie zu sparen, sondern die machen das, weil sie Sorgen haben, dass ihre Mieter das nicht mehr bezahlen können und alles, was sie an Gas sparen, bleibt natürlich auf ihrer Seite. Das steckt offensichtlich dahinter."

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Udo Sieverding mit Renate Rönnau

Vonovia widerspricht dieser Aussage und erklärt: "Durch die Nachtabsenkung können wir in unseren Beständen – und damit unsere Mieterinnen und Mieter - bis zu acht Prozent des Heizaufwands einsparen. Als Vermieter müssen wir die Energiekosten und deren Umlagen an unsere Mieter weitergeben. Die Gasumlage ist für uns ein durchlaufender Posten. Jedoch müssen wir die finanziellen Mittel für die Auslage vorhalten, die in diesem Umfang durchaus spürbar sind.“ Außerdem äußert sich Vonovia zum Dialog mit den eigenen Mietern in Bezug auf die hohen Heizkosten: "Unser Härtefallmanagement greift dort, wo Mieterinnen oder Mieter überlastet werden könnten. Unser Versprechen gilt: Keine Mieterin und kein Mieter muss fürchten aus ihrer oder seiner Wohnung ausziehen zu müssen, weil sie oder er sich die Miete oder seine gestiegenen Energiekosten nicht mehr leisten kann."

Stand: 23.08.2022, 11:40 Uhr