Der Krieg und die Folgen für uns: Wird Energie unbezahlbar?
Der Faktencheck zur Sendung vom 21.03.2022
Bitteres Erwachen: Deutschland ist bei Gas, Öl und Kohle zu abhängig von Russland. Müssen wir deswegen weiter Putins Krieg finanzieren? Wer leidet am stärksten unter hohen Sprit- und Heizkosten? Und wie kann der Staat vernünftig helfen?
Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt hartaberfair nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.
Claudia Kemfert über Tempolimit und Ölimporte
Claudia Kemfert sagt, mit einem Tempolimit könnte der Ölimport aus Russland um einige Prozent gesenkt werden.
Welche Auswirkungen ein Tempolimit und weitere Maßnahmen, die zu einem reduzierten Kraftstoffverbrauch führen, auf den Import von russischem Öl hätten, hat Greenpeace in einer aktuellen Untersuchung genauer beleuchtet. Die Rechnung von Greenpeace lautet: Weniger Verbrauch von Kraftstoffen bedeutet eine geringere Notwendigkeit von Ölimporten - auch aus Russland. Laut Greenpeace würde alleine die Einführung eines Tempolimits von 100 km/h auf Autobahnen den Benzin- und Dieselverbrauch um zwei Millionen Tonnen pro Jahr reduzieren. Das entspreche einem Anteil an den gesamten Mineralölimporten von 2,1 Prozent. Auch autofreie Sonntage könnten laut dem Bericht Wirkung zeigen. Bei zwei Sonntagen im Monat, an denen die Autos in der Garage bleiben, würde sich sich der Kraftstoffverbrauch um 1,3 Millionen Tonnen und einem Anteil von 1,4 Prozent an den Ölimporten reduzieren. Weitere Einsparmöglichkeiten sieht Greenpeace unter anderem in der Beibehaltung des Homeoffice, einem Verbot von Inlandsflügen und dem Absenken der Raumtemperatur um ein bis zwei Grad. Insgesamt hat Greenpeace zehn Maßnahmen untersucht, die helfen könnten, den Verbrauch von Kraftstoffen zu senken. Laut der Umweltschützer lassen sich die einzelnen Einsparpotenziale zwar nicht einfach aufaddieren, da es bei einigen Maßnahmen Überschneidungen gebe. In ihrer gesamten Wirkung könnten Ölimporte aber um zehn bis 12 Prozent verringert werden. Betrachtet man lediglich die Ölimporte aus Russland, so könnten diese sogar um ein Drittel gesenkt werden.
Auch die Deutsche Umwelthilfe spricht sich für ein Tempolimit aus. Ihre Berechnungen ergeben bei einem Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen und 80 km/h auf Landstraßen eine Ersparnis von 3,7 Milliarden Liter Benzin und Diesel. “Das kann den Rohölbedarf aus Russland um Millionen Tonnen und damit etliche Prozentpunkte sofort absenken“, sagt der Bundesgeschäftsführer der DUH, Jürgen Resch.
Ulrich Reitz über Claudia Kemfert und Atomstrom
Ulrich Reitz wirft Claudia Kemfert vor, sich schon immer aus ideologischen Gründen gegen die Atomenergie ausgesprochen zu haben.
Richtig ist, dass Claudia Kemfert seit Jahren davon überzeugt ist und dafür wirbt, die erneuerbaren Energien massiv auszubauen. Vor diesem Hintergrund hält sie eine Abkehr von der Atomenergie schon seit langem für machbar, da die erneuerbaren Energien den Strombedarf mehr und mehr decken werden. Der Vorwurf, sie setze sich aus ideologischen Gründen schon immer dafür ein, Kernenergie abzuschaffen, ist aber etwas zu pauschal. In zahlreichen älteren Publikationen wies die Energieökonomin immer wieder differenziert darauf hin, dass Kernenergie solange zur Sicherung des Energiebedarfs eine Rolle spielen sollte, bis sie durch alternative Stromerzeugung hinfällig wird. Übrigens eine Haltung, die seit Jahren auch in Politik und Gesellschaft einen breiten Konsens findet. 2010 etwa schrieb sie in einem DIW-Wochenbericht im Zusammenhang mit dem Ausbau erneuerbarer Energien: “Eine Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke um weitere zehn Jahre kann die notwenige Zeit geben, erneuerbare Energien, aber auch eine umweltschonende Kohleverstromung (CCS) wettbewerbsfähig zu machen.“ Auch ein Jahr zuvor machte Kemfert in einem Artikel zur Atomenergie deutlich, dass Strom für eine Übergangszeit aus AKW kommen könne, wenngleich sie auf lange Sicht schon damals für Atomstrom keine Zukunft sah.
Claudia Kemfert über Freizeitfahrten mit dem Auto
Claudia Kemfert sagt, jede vierte Fahrt mit dem Auto sei eine Freizeitfahrt.
Das ist richtig. Im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums werden seit 2002 in regelmäßigen Abständen Erhebungen zur Mobilität in Deutschland erhoben. Die aktuellste Studie wurde 2018 veröffentlicht. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass Autofahrten zum Zwecke der Freizeit etwa ein Viertel (28 Prozent) am gesamten Verkehrsaufkommen ausmacht. Rechnet man die Freizeitfahrten auf Personenkilometer um, so tragen sie sogar zu 34 Prozent der gesamten Verkehrsleistung bei. Gut die Hälfte aller Fahrten entfallen laut des Berichts auf das Pendeln zur Arbeit und auf berufliche Fahrten.
Stand: 22.03.2022, 11:51 Uhr