Zu Hause warm und hell: Wer kann sich diese Energiepreise noch leisten?
Der Faktencheck zur Sendung vom 24.01.2022
Preisschock mitten im Winter: Strom und Gas reißen tiefe Löcher in die Haushaltskasse. Wie stark treibt die Energiewende zusätzlich die Preise? Und bleiben bei uns die Heizungen kalt, wenn Russland den Gashahn zudreht? Welche Mittel hat die Politik, um gegenzusteuern?
Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt hartaberfair nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.
Wolfram Weimer und Tilman Kuban über Steuern und Abgaben bei Strom
So ganz einig waren sich Tilman Kuban und Wolfram Weimer nicht, als es darum ging, wie hoch der Anteil an Steuern und Abgaben für eine Kilowattstunde Strom denn nun wirklich ist. 40 Prozent sagt Kuban, Weimer meint, es seien 52 Prozent.
In diesem Fall ist Tilman Kuban auf der Höhe der Zeit. Aktuell machen Steuern und Abgaben, die ein Haushalt für eine Kilowattstunde Strom zahlen muss, nach Angaben des Portals “Strom-Report“ 41 Prozent des Preises aus. Hierzu zählen unter anderem die Umsatz- und Stromsteuer sowie die EEG-Umlage. Diese wurde Anfang des Jahres von 6,5 Cent je Kilowattstunde auf 3,72 Cent reduziert., so dass der Anteil der EEG-Umlage am Gesamtpreis von ca. 20 Prozent auf aktuell 10 Prozent gesunken ist. Die Reduzierung der EEG-Umlage hatte somit auch Auswirkung auf den Anteil der Steuern und Abgaben am Strompreis. Die 52 Prozent, die Wolfram Weimer ins Spiel brachte, waren für das vergangene Jahr noch richtig, sind aber nicht mehr aktuell. Derzeit wird darüber diskutiert, die für 2023 vorgesehene Abschaffung der EEG-Umlage vorzuziehen, um Verbraucher zu entlasten. Sollte sich die Ampel-Koalition hierzu tatsächlich durchringen, so würde sich der Preisanteil der Abgaben je Kilowattstunde Strom nochmals verringern.
Jürgen Trittin über Hilfe durch Heizkostenzuschuss
Jürgen Trittin sagt, zwei Millionen Menschen in Deutschland hätten nicht genug Geld, um ihre Wohnung zu heizen. Besonders sie würden von dem von der Regierung geplanten Heizkostenzuschuss profitieren.
Jürgen Trittin bezog sich auf eine Zahl, die vorher bereits Wolfram Weimer ins Spiel brachte und nach der laut statistischem Bundesamt zwei Millionen Menschen in Deutschland nicht genug Geld haben, um ihre Wohnung vernünftig zu heizen. Die Zahl ist richtig und wurde im vergangenen Jahr vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht. Demnach zählten die Statistiker für das Jahr 2019 rund zwei Millionen Menschen in Deutschland, die ihre Wohnung nicht angemessen warmhalten konnten. Das waren 2,5 Prozent der Gesamtbevölkerung. Zehn Jahre zuvor war der Anteil mit 5,5 Prozent (4,5 Millionen) allerdings noch mehr als doppelt so hoch. Die Bundesregierung plant wegen der stark gestiegenen Energiekosten, Menschen mit geringem Einkommen zu entlasten. Hierfür soll ein einmaliger Heizkostenzuschuss für all jene gezahlt werden, die Wohngeld erhalten. Lebt ein Wohngeldempfänger alleine, soll der Zuschuss 135 Euro betragen. Leben zwei Wohngeldempfänger zusammen, ist eine Zahlung von 175 Euro geplant. Die Bundesregierung will hierfür 130 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Von dem Heizkostenzuschuss profitieren laut Bundesregierung 710.000 Haushalte in Deutschland.
Wolfram Weimer über Stromkosten im Vergleich
Wolfram Weimer sagt, nirgendwo auf der Welt sei der Strom so teuer wie in Deutschland.
Das stimmt. Deutschland liegt bei den Strompreisen im internationalen Vergleich traditionell weit oben. Das Energiedaten-Portal “GlobalPetrolPrices“ beobachtet die Energiepreise weltweit und listet Deutschland als das Land mit dem höchsten Strompreis weltweit auf. 2021 lag der Preis für eine Kilowattstunde hierzulande im Schnitt bei 31,8 Cent. Damit zahlte ein Haushalt in Deutschland deutlich mehr als in vielen vergleichbaren Industrienationen. In den USA lag er beispielsweise bei 13,4 Cent je Kilowattstunde. Auch in Frankreich (18,5 Cent), Italien (22,5 Cent) und Großbritannien (24,9 Cent) lagen die Preise deutlich unter denen in Deutschland. Das Verbraucherportal “Verivox“ kommt anhand der Daten von “GlobalPetrolPrices“ zu dem Schluss, dass der Strompreis in Deutschland 2,7 mal höher liegt, als der internationale Durchschnitt (11,62 Cent).
Anmerkung: Zwar liegt der Strompreis auf den Bermuda-Inseln laut “GlobalPetrolPrices“ mit 32,4 Cent noch ein wenig über dem in Deutschland, da es sich bei den Bermudas aber um ein britisches Überseegebiet handelt, haben wir die Bermudas in dem Ranking hier nicht berücksichtigt.
Jürgen Trittin über Pipelines und Kapazitäten
Jürgen Trittin erinnert daran, dass es neben der umstrittenen Gas-Pipeline Nord Stream 2 noch andere Trassen gibt, über die Deutschland mit Gas versorgt wird. So habe die Pipeline durch die Ukraine mit 150 Milliarden Kubikmeter sogar die dreifache Kapazität von Nord Stream 2.
Deutschland bezieht sein Gas über etliche Gaspipelines. Die Transgas-Trasse ist eine von ihnen und liefert russisches Gas über die Ukraine nach Europa. Tatsächlich liegt die Transport-Kapazität dieser Pipeline mit 120 Milliarden Kubikmeter pro Jahr deutlich über der von Nord Stream 2, wenn auch nicht dreimal so hoch. Laut Betreiber-Angaben besitzt Nord Stream 2 eine Kapazität von 55 Milliarden Kubikmetern pro Jahr.
Stand: 25.01.2022, 12:09 Uhr