Die Zukunft sondieren: Gelingt den Parteien ein Aufbruch?

Der Faktencheck zur Sendung vom 04.10.2021

Eine Woche nach der Wahl sondieren die Parteien wie beim Speed-Dating. Aber wann wird daraus mehr als nur ein Flirt? Und können Grüne und FDP in der nächsten Regierung wirklich auf Augenhöhe mitbestimmen, im Interesse der Jungen, von denen sie gewählt wurden?

Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt hartaberfair nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Gerhart Baum über Wahlverhalten der Gewerkschafter

Gerhart Baum glaubt, die FDP öffne sich wieder mehr in Richtung eines Sozialliberalismus und macht das an dem Wahlverhalten von Gewerkschaftern fest. So hätten mehr Gewerkschafter die FDP gewählt als die Linke.

Das geht aus Zahlen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) hervor. Demnach gaben bei der Bundestagswahl 9 Prozent der in Gewerkschaften organisierten Wähler der FDP ihre Stimme. Der Linken vertrauten dagegen nur 6,6 Prozent der Gewerkschafter. Damit kann die FDP einen Zuwachs unter den Gewerkschaftern von 2 Prozent verbuchen. Die Linke musste dagegen Einbußen von 5,2 Prozent hinnehmen. Am stärksten hat traditionell die SPD mit einem Stimmenanteil 32,1 Prozent abgeschnitten. 18,6 Prozent der Gewerkschafter wählten die Union (minus 4,9 Prozent im Vergleich zu 2017), 13 Prozent die Grünen (plus 4,2 Prozent) und 12,2 Prozent die AfD (minus 3,7 Prozent).

Ulrike Herrmann über FDP und Schuldenbremse

Ulrike Herrmann sagt, beim Beschenken der Reichen habe die FDP kein Problem damit, die "schwarze Null" zu ignorieren. So würden die Steuerpläne der Liberalen den Haushalt mit 90 Mrd. Euro belasten. Eine Gegenfinanzierung gebe es allerdings nicht.

Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hat im Auftrag der “Süddeutschen Zeitung“ die Steuerpläne der Parteien miteinander verglichen. Demnach würde der Staatshaushalt durch die Pläne der FDP mit 87,6 Milliarden Euro belastet. Zum Vergleich: Die Steuerpläne der AfD schlagen mit 52,2 Mrd. Euro zu buche, die der Union mit 32,6 Mrd. Dagegen würde der Haushalt durch die Pläne von SPD, Grünen und Linken deutlich entlastet, so die Forscher des ZEW.

Aus der FDP kam Kritik an der Berechnung. So habe die Studie nicht berücksichtigt, dass durch Steuerentlastungen das Wirtschaftswachstum angekurbelt werde, sagt etwa der Landesgeschäftsführer der thüringischen FDP, Tim Wagner auf die Frage von „angeordnetenwatch“ nach der Seriosität eines solchen Haushaltslochs. Im Gegensatz zum ZEW habe das ifo-Institut dies berücksichtigt, so Wagner.

Es stimmt, dass das ifo-Institut beim Vergleich der Auswirkungen der Einkommensteuerpläne der Parteien auf den Staatshaushalt auch die Effekte auf Beschäftigung und daraus resultierenden Steuereinnahmen berücksichtigt. Allerdings fällt das Ergebnis für den Staatshaushalt auch bei der ifo-Untersuchung nicht viel besser aus. Die FDP setzt in ihrem Wahlprogramm auf Steuerentlastungen. Die Rechnung der Liberalen: Durch Entlastungen werden Unternehmen in die Lage versetzt, zu investieren und die Wirtschaft anzukurbeln. Mehr Wirtschaftswachstum gleich höhere Einnahmen für den Staat. Das Ifo-Institut bescheinigt der FDP zwar, dass durch ihren Plan mehr neue Beschäftigung entsteht als bei allen anderen Parteien. (u.a. 330.000 Arbeitsplätze für vorher Erwerbslose). Allerdings sagen auch die ifo-Forscher, dass die FDP-Pläne den Staat trotz dieser steigenden Beschäftigung 60,1 Mrd. Euro koste würden. Laut ifo-Institut fallen die fiskalischen Effekte bei den Grünen mit Kosten von 2 Mrd. Euro am geringsten aus. (SPD: 9,1 Mrd., Union: 17,9 Mrd.)

Mehr zur Sendung

Stand: 05.10.2021, 09:46 Uhr