Klimaschutz im Bürger-Check: Welcher Partei kann man vertrauen?

Der Faktencheck zur Sendung vom 23.08.2021

Quer durch Deutschland sammelt "hart aber fair" vor der Bundestagswahl die Fragen der Menschen zum Thema Klima: Wie teuer werden Sprit und Strom, wie gelingt die Energiewende und wie ist die Klimakrise so zu stoppen? Bürger:innen fragen, Politiker:innen und Expert:innen im Studio antworten.

Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt hartaberfair nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Markus Blume über Bayern und erneuerbare Energien

Die Aufforderung von Svenja Schulze, Bayern solle endlich die erneuerbaren Energien ausbauen, kontert Markus Blume mit der Behauptung, Bayern sei mit einem Anteil von über 50 Prozent Stromerzeugung durch erneuerbare Energien Spitzenreiter in Deutschland.

Richtig ist, dass in Bayern mehr als die Hälfte (51,6 Prozent) des erzeugten Stroms aus erneuerbaren Energien gewonnen wurde. Das geht aus den aktuellsten Daten des statistischen Landesamtes Bayern für das Jahr 2019 hervor. Spitzenreiter ist Bayern damit allerdings nicht. Schon 2017 produzierte Mecklenburg-Vorpommern rund 72 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energien. Auch Schleswig-Holstein liegt mit einem Anteil von 63 Prozent im Jahr 2019 noch vor den Bayern. Bundesweit lag der Anteil der Stromproduktion mit Hilfe regenerativer Energie laut vorläufiger Daten des statistischen Bundesamtes im vergangenen Jahr bei 44,9 Prozent.

Die Zahlen der reinen Stromproduktion reichen für eine aussagekräftige Bewertung der Klimapolitik und des Ausbaus erneuerbarer Energien in den Bundesländern allerdings nicht aus. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat es sich in den vergangenen Jahren zur Aufgabe gemacht, die Entwicklung bei den erneuerbaren Energien in den Bundesländern anhand von über 60 Einzelkriterien zu vergleichen. Unter anderem untersucht das DIW die Anstrengungen der Länder, die Nutzung erneuerbarer Energien zu fördern. Darüber hinaus blickt es auf die Erfolge beim Ausbau erneuerbarer Energien und prüft die Förderung von Forschung sowie die politischen Maßnahmen für einen Strukturwandel in Industrie und Wirtschaft.

In der Gesamtschau schnitten im aktuellsten Bundesländervergleich des DIW Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg am besten ab. Bayern folgt in der Gesamtbewertung auf Rang drei. Das Schlusslicht ist das Saarland. Je nach Bewertungskriterium variieren die Rankings. So liegt zum Beispiel Niedersachsen in der Kategorie “Anstrengungen zum technologischen und wirtschaftlichen Wandel“ an erster Stelle. Bayern führt bei den “Erfolgen bei der Nutzung erneuerbarer Energien“. Diesen Spitzenplatz verdankt Bayern laut DIW vor allem der “Ausnutzung seines Photovoltaik-Potentials“. Allerdings schneide Bayern bei der Windenergie ausgesprochen schwach ab, so die Forscher.

Cem Özdemir über Tempolimit, Flugverkehr und CO2

Markus Blume hält den Beitrag, den ein Tempolimit zur Reduzierung von CO2-Emissionen leisten kann, für verschwindend gering. Dem widerspricht Cem Özdemir: Die möglichen Einsparungen lägen auf dem Niveau des CO2-Austoßes des gesamten innerdeutschen Flugverkehrs.

Das Bundesumweltamt (UBA) hat im vergangenen Jahr untersucht, wie sich ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen auf den CO2-Ausstoß im Straßenverkehr auswirken könnte. Dabei berechnete das UBA die CO2-Reduzierung für drei unterschiedliche Szenarien. Bei einem Tempolimit von 100 km/h würde sich der Ausstoß von Kohlendioxid um insgesamt 5,4 Millionen Tonnen reduzieren. Würde die Geschwindigkeit auf Autobahnen auf 120 km/h begrenzt werden, ließen sich 2,6 Millionen CO2 einsparen. Bei dem am häufigsten diskutierten Tempolimit von 130 km/h wären es immer noch 1,9 Millionen Tonnen CO2, die weniger ausgestoßen würden. Im Jahr 2018 wurden alleine im Straßenverkehr rund 159 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen. Ein Tempolimit von 130 km/h würde also zu einer CO2-Reduzierung in Höhe von 1,2 Prozent beitragen.

Richtig ist, dass die CO2-Einsparung durch eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 130 km/h in etwa dem gesamten CO2-Ausstoß des innerdeutschen Flugverkehrs entspricht. Laut Daten des Umweltbundesamtes wurden 2017 nur durch Inlandsflüge 2,1 Millionen Tonnen CO2 emittiert. Insgesamt stieß der zivile Luftverkehr in diesem Jahr über 31 Millionen Tonnen CO2 aus.

Cem Özdemir über Klimaziele der Bundesregierung

Cem Özdemir wirft Bundesumweltministerin Svenja Schulze vor, ihre eigenen Klimaziele nicht einzuhalten.

Das Bundesumweltministerium selbst räumt in seinem “Projektionsbericht 2021“ ein, dass die für das Jahr 2030 gesteckten Klimaziele ohne weitere Maßnahmen nicht erreicht werden. Das Ministerium rechnet in seinem Bericht damit, dass die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um 49 Prozent im Vergleich zu 1990 zurück gehen werden. Das von der Großen Koalition beschlossene Klimaschutzgesetz sieht allerdings eine Reduzierung von 65 Prozent im Jahr 2030 vor. Und auch das Ziel für 2040 wird laut Bundesumweltministerium deutlich verfehlt, wenn keine weiteren Maßnahmen ergriffen werden, die den CO2-Ausstoß deutlicher verringern werden. Das Klimaschutzgesetz sieht eine Reduzierung von 88 Prozent im Vergleich zu 1990 vor. Das Ministerium von Svenja Schulze rechnet mit nur 67 Prozent.

Noch Anfang dieses Jahres hätte Deutschland mit einer Reduzierung des CO2-Ausstoßes um 49 Prozent deutlich näher an den 2030er Zielen der Bundesregierung gelegen, da das Klimaschutzgesetz ursprünglich eine CO2-Minderung von nur 55 Prozent vorsah. Im Frühjahr trug das Bundesverfassungsgericht der Bundesregierung allerdings auf, das Klimaschutzgesetz nachzubessern, woraufhin die große Koalition das Ziel für 2030 von 55 auf 65 Prozent Treibhausgas-Reduzierung verschärft hat.

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Stand: 24.08.2021, 11:22 Uhr