Die letzten Tage des Donald Trump: Gelingt ein Machtwechsel ohne weitere Gewalt?

Der Faktencheck zur Sendung vom 18.01.2021

Das Kapitol gestürmt, die Demokratie erschüttert – wie gefährlich sind diese Tage der Machtübergabe für die USA? Und auch wenn Trump als Präsident geht, bleibt er als ewiger Spalter? Wirkt das Gift seiner Lügen weiter, in Amerika und vielleicht auch als Vorbild für Populisten bei uns?

Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt hartaberfair nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Matthew Karnitschnig über den Vorsprung Bidens

Matthew Karnitschnig sagt, der Vorsprung an Wählerstimmen sei – abgesehen bei der Wahl Obamas – in den vergangenen 20 Jahren nie so groß gewesen, wie der von Joe Biden.

Das stimmt. Rund 81,3 Millionen Wähler haben Joe Biden bei den US-Präsidentschaftswahlen ihre Stimme gegeben. Das sind sieben Millionen Stimmen mehr als Donald Trump erhalten hat. Tatsächlich war der Vorsprung bei den so genannten popular votes in den vergangenen 20 Jahren nur bei der Präsidentschaftswahl im Jahr 2008 größer. Damals konnte Barack Obama rund 69,5 Millionen Wählerstimmen auf sich vereinen. Damit erhielt Obama rund 9,5 Millionen Stimmen mehr als sein damaliger republikanischer Herausforderer John McCain.

Cathryn Cluever-Ashbrook korrigiert sich selbst

Unser Gast Cathryn Cluever-Ashbrook hat sich in einem Detail noch einmal selbst einem Faktencheck unterzogen und eine ihrer Aussagen korrigiert.

In der Sendung sagte die deutsch-amerikanische Politologin, beim Sturm auf das Kapitol hätten Trump-Anhänger eine Guillotine für Vizepräsident Mike Pence aufgebaut. Cathryn Cluever-Ashrbook hat sich noch einmal bei uns gemeldet und mitgeteilt, dass sie sich hier vertan hat. Die Guillotine stand nicht vor dem Kapitol in Washington, sondern vor dem Arizona State Capitol in Phoenix. Vor dem Kapitol in Washington sind – nicht weniger geschmacklos - Galgen aufgestellt worden.

Ingo Zamperoni über Donald Trump und Krieg

Ingo Zamperoni sagt, Donald Trump sei wahrscheinlich der erste Präsident seit Jahrzehnten, der keinen Krieg angezettelt habe.

Einen neuen Krieg im formellen Sinne – also mit offizieller Kriegserklärung auf Grundlage der amerikanischen Verfassung – hat es unter Donald Trump tatsächlich nicht gegeben. Allerdings – streng genommen – auch nicht bei seinen Vorgängern. Denn kein Präsident hat seit dem Zweiten Weltkrieg einem Land offiziell den Krieg erklärt. Der Begriff “Krieg“ wird aber sicher nicht erst dann genutzt, wenn es zuvor eine offizielle Kriegserklärung gegeben hat, sondern dann, wenn in einem militärischen Konflikt Menschen sterben, verletzt werden und flüchten, wenn Bomben fallen und Raketen abgefeuert werden. Seit dem Zweiten Weltkrieg können zahlreiche Beispiele von Kriegen aufgezählt werden, denen keine offizielle Kriegserklärung voraus gegangen war. So hat zum Beispiel die USA etwa Vietnam in den 60er Jahren nie den Krieg erklärt. Dennoch erteilte der amerikanische Kongress US-Präsident Lindon B. Johnson die Erlaubnis militärisch einzugreifen – was folgte, war einer der blutigsten Kriege der Geschichte. Auch George Bush zog 1991 nur mit einer Autorisierung durch den Kongress in den Golfkrieg. Ebenso sein Sohn George W. zehn Jahre später als er zum Krieg gegen den Terror aufrief und in Afghanistan eingriff.

Donald Trump hat zumindest keinen neuen militärischen Konflikt heraufbeschworen. Das ist richtig. Das bedeutet jedoch nicht, dass nicht auch unter Donald Trump militärische Konflikte ausgetragen wurden – wenngleich diese schon vor seiner Amtszeit begonnen hatten. Kritiker werfen Trump aber vor, die Strategie der Bombardierung durch Drohnen weiter voran gebracht zu haben. So berichtet das “Bureau of Investigative Journalism“ (TBIJ), Trump habe in den ersten beiden Jahren seiner Amtszeit 238 Drohnenangriffe alleine auf den Jemen, Somalia und Pakistan abgesegnet. Das waren deutlich mehr als in den ersten beiden Amtsjahren von Barack Obama, der die Strategie der Drohnenangriffe massiv ausgebaut hatte. Das TBIJ beruft sich dabei auf eigene Recherchen sowie auf offizielle Zahlen des U.S. Central Command (CENTCOM).

Matthew Karnitschnig über Joe Bidens Umfragewerte

Matthew Karnitschnig sagt, seit dem Sturm von Trump-Anhängern auf das Kapitol in Washington hätten die Zustimmungswerte für Joe Biden deutlich zugelegt.

Es gibt aktuelle Umfragen, die das bestätigen. Eine besonders umfangreiche und differenzierte Befragung hat das PEW research center am vergangenen Freitag veröffentlicht. Demnach haben wenige Tage nach dem Sturm auf das Kapitol 64 Prozent der Befragten eine positive Meinung über Joe Biden. Das Verhalten von Trump wird dagegen nur von 23 Prozent als gut oder sehr gut eingeschätzt. 76 Prozent der Befragten finden Trumps Verhalten schlecht (14 Prozent) oder sehr schlecht (62). Darüber hinaus glauben 46 Prozent der Amerikaner, Joe Biden wird eine bessere Politik machen. 28 Prozent sind sicher, dass er es schlechter machen wird und 24 Prozent glauben, es werde sich nicht viel ändern.

Eine aktuelle Analyse des amerikanischen Meinungsforschungsinstituts Gallup bescheinigt dem scheidenden US-Präsidenten Donald Trump die aktuell schlechtesten Zustimmungswerte seiner gesamten Präsidentschaft. Gerade einmal 34 Prozent der Amerikaner stehen hinter der Arbeit von Trump. Sein durchschnittlicher Zustimmungswert während seiner Amtszeit liegt laut Gallup bei 41 Prozent und damit so niedrig wie bei keinem anderen US-Präsidenten zuvor. Zum Vergleich: Die mit durchschnittlich 70 Prozent höchsten Zustimmungswerte erhielt John F. Kennedy in seiner Amtszeit von 1961 bis 1963.

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Stand: 19.01.2021, 12:23 Uhr