Länger, härter, einfallsloser: Wie sinnvoll ist der Dauerlockdown?

Der Faktencheck zur Sendung vom 11.01.2021

Kaum Kontakte, beschränkte Bewegungsfreiheit: Ist dieser Lockdown wirklich wirksam? Oder gibt es klügere Mittel, um das Virus einzudämmen, das Sterben in den Krankenhäusern zu beenden? Bleibt diese bleierne Zeit sonst, bis endlich der Sommer und die Impfung für alle kommen?

Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt hartaberfair nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Alexander Kekulé über "natürliche Durchseuchung"

Alexander Kekulé ist zuversichtlich, dass neben der Impfung auch die “natürliche Durchseuchung“ dazu beitragen wird, dass die Pandemie beherrschbar wird. Kekulé rechnet also damit, dass Menschen, die eine Corona-Infektion überstanden haben, zu einem gewissen Grad immun sind.

Nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) lässt sich die Frage, ob jemand, der schon einmal mit Corona infiziert war, immun ist, zurzeit nicht eindeutig beantworten. Zwar könne der Körper bei einer Infektion Antikörper und bestimmte Immunzellen – so genannte T-Zellen bilden. Allerdings nehme die Anzahl der neutralisierenden Antikörper insbesondere bei Infektionen ohne Symptome oder nach milden Verläufen wieder ab, so das BZgA. Es verweist darauf, dass erneute Infektionen mit anderen Coronaviren möglich sind – Reinfektionen könne es also möglicherweise auch mit SARS-CoV-2 geben.

Es gibt aber auch Grund zum Optimismus. Eine aktuelle Studie von Forschern des LaJolla Institute for immunology in Kalifornien kommt zu dem Ergebnis, dass Covid-19-Patienten auch acht Monate nach der Infektion noch über Abwehrkräfte verfügen, um eine erneute Infizierung abzuwehren. “Unsere Daten legen nahe, dass die Immunantwort vorhanden ist – und sie bleibt“, sagt der Mitautor der Studie, Prof. Alessandro Sette. Laut Angaben des Instituts, dessen Studie erst in der vergangenen Woche publiziert wurde, könnten die Ergebnisse darauf hindeuten, dass Corona-Genesene monatelang, möglicherweise sogar Jahre nach der Infektion eine schützende Immunität gegen SARS-Cov-2 haben.

Michael Hüther über November- und Dezemberhilfen

Michael Hüther sagt, von den November- und Dezemberhilfen für Unternehmen, die aufgrund der Pandemie in Not geraten sind, seien gerade einmal 1,2 bis 1,4 Milliarden Euro an Abschlagszahlungen ausgezahlt worden.

Wir haben beim Bundeswirtschaftsministerium nachgefragt. Insgesamt sind demnach bis heute rund 286.000 Anträge auf Unterstützung im Rahmen der “Novemberhilfen“ eingegangen. Etwas mehr als 1,3 Milliarden Euro seien bis jetzt ausgezahlt worden, so eine Sprecherin. Für die “Dezemberhilfen“ seien bis heute rund 122.000 Anträge eingegangen. Ausgezahlt wurden in diesem Zusammenhang bisher rund 642 Millionen Euro. Insgesamt sind bis heute also rund 2 Milliarden Euro ausgezahlt worden. Das Bundeswirtschaftsministerium bestätigt, dass es sich bei den bereits gezahlten Geldern um Abschlagszahlungen handelt. Grund für die schleppenden Zahlungen waren offenbar Software-Probleme. Derzeit liefen letzte technische Prüfungen des Antragssystems, so die Sprecherin. Sobald diese abgeschlossen seien, könne auch das reguläre Verfahren der Antragsbearbeitung und Auszahlung starten. Die Sprecherin rechnet damit, dass die Probleme in Kürze behoben sein werden.

Michael Hüther über Corona-Tote und die Zukunft

Michael Hüther sagt, es sei naiv zu glauben, das Virus verschwinde, nur weil bald 70 Prozent der Bevölkerung geimpft sein könnten. Genau wie bei der Grippe würden wir dauerhaft Corona-Tote zu beklagen haben. Bei der Grippe allerdings würde sich die Öffentlichkeit nicht für die Zahl der Todesfälle interessieren.

Zwar verharmlost Michael Hüther die Folgen einer Corona-Erkrankung nicht, dennoch zieht er damit einen Vergleich zu der Zahl der Grippe-Toten. Dazu ist zu sagen: Wie sich das Covid-19-Virus und seine Gefährlichkeit entwickeln, wenn es auf eine Gesellschaft mit hoher Durchimpfung trifft, ist schwer vorherzusagen. Klar ist: Jetzt ist Corona wesentlich gefährlicher als die kursierenden Grippe-Viren. Das wird durch Studien immer klarer.

Zu Beginn der Corona-Pandemie konnte die Wissenschaft noch nicht allzu viel darüber sagen, ob das Risiko an Corona zu sterben deutlich höher ist als bei einer Grippe. Hierzu fehlten schlicht ausreichende Daten. Doch je länger die Pandemie dauert, je mehr Menschen an Corona erkranken oder sich infizieren, desto klarer scheint das Bild zu werden. Immer mehr Studien bestätigen, dass es wahrscheinlicher ist, an Corona zu sterben als an einer Grippe – wenngleich die Ergebnisse variieren. Erst Mitte Dezember wurde hierzu die nach Angaben der Co-Autorin, Prof. Catherine Quantin, bislang größte Studie veröffentlicht, die die beiden Erkrankungen miteinander vergleicht. Gemeinsam mit ihrem Forscherkollegen Prof. Lionel Piroth verglich sie die Daten von 89.530 CoVid-Patienten mit denen von rund 46.000 Grippe-Patienten, die im Krankenhaus behandelt werden mussten. Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass die Sterblichkeit bei diesen Corona-Patienten dreimal höher lag als bei Patienten mit Influenza. Darüber hinaus mussten Covid-19-Patienten doppelt so häufig beatmet werden und sie lagen doppelt so lange im Krankenhaus wie Grippe-Patienten.

Eine weitere aktuelle Studie aus den USA kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Auch sie verglichen tausende Krankenhaus-Patienten mit Grippe und Corona. Die Forscher aus Missouri kommen zu dem Ergebnis, dass die Wahrscheinlichkeit an Corona zu sterben sogar fünfmal höher ist als bei einer Grippe.

Zwar gibt es auch Wissenschaftler wie den neuseeländischen Epidemiologen Rodd Jackson, die einräumten, dass viele Untersuchungen Daten-Schwächen hatten, die eine Einordnung der Corona-Sterblichkeit erschweren – zum Beispiel, weil hohe Dunkelziffern nicht angemessen berücksichtigt werden konnten. Jackson stellte eigene Berechnungen unter Einbeziehung solcher Dunkelziffern an und kommt am Ende sogar zu dem Schluss, dass Covid-19 mindestens zehnmal tödlicher ist als eine Grippe.

Michael Hüther über Inzidenzen NRW und Bayern

Michael Hüther sagt, obwohl in Bayern strengere Corona-Regeln als in NRW gelten, liege der Inzidenzwert in Bayern immer ein wenig höher als in Nordrhein-Westfalen.

Am 21.10.2020 hat das Robert Koch-Institut zum ersten mal einen 7-Tage-Inzidenzwert für Gesamtdeutschland von über 50 registriert. Von diesem Zeitpunkt bis zum 09.11.20 lag dieser Inzidenzwert für Nordrhein-Westfalen immer über dem von Bayern. Erst seit dem 09.11.20 liegt der Wert in Bayern über dem von NRW – bis heute. Aktuell (Stand 11.01.20) liegt die 7-Tage-Inzidenz in NRW bei 150, in Bayern bei 161,3. Bundesweit liegt er bei 166,6.

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Stand: 12.01.2021, 12:24 Uhr