Operation Impfung: Ist sie gut, ist sie sicher, wer bekommt sie wann?

Der Faktencheck zur Sendung vom 30.11.2020

Das hat es so noch nie gegeben: Im Akkord sollen möglichst viele Deutsche gegen Corona geimpft werden. Wie gut ist diese Staatsaktion vorbereitet, wie sicher sind die Impfstoffe, ist Corona dann besiegt? Zuschauer fragen, Politiker und Experten im Studio antworten.

Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt hartaberfair nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Ranga Yogeshwar über Arbeitgeber und Impfungen

Ranga Yogeshwar und Karl-Josef Laumann waren sich nicht sicher, ob ein Arbeitgeber von einem Angestellten verlangen kann, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen. Wir haben einen Rechtswissenschaftler um seine Einschätzung gebeten.

Laut Prof. Volker Römermann, Anwalt und Honorarprofessor an der Berliner Humboldt-Universität, ergeben sich die Rechte des Arbeitgebers gegenüber seinem Arbeitnehmer in erster Linie aus dem Gesetz und aus dem Arbeitsvertrag. Römermann befasst sich seit Beginn der Pandemie intensiv mit rechtlichen Fragen rund um Corona. Zwar sehe das Gesetz seit der jüngsten Änderung des Infektionsschutzgesetzes vor, dass der Staat eine Impfpflicht verhängen kann - wenn nicht ausnahmsweise Gegenindikationen vorliegen, so der Rechtswissenschaftler. Zu den Befugnissen eines Arbeitgebers aber stellt Römermann klar: “Weder das Gesetz noch der Arbeitsvertrag geben derzeit eine rechtliche Grundlage für die Anordnung einer Impfpflicht durch Arbeitgeber. Impfungen sind körperliche Eingriffe. In der arbeitsrechtlich gebotenen Gesamtabwägung überwiegen die Interessen des Arbeitnehmers an seiner körperlichen Unversehrtheit.“ Im Zusammenhang mit Covid-19 müsse der Arbeitgeber vorrangig andere Maßnahmen wie zum Beispiel Abstand oder Maskenpflicht ergreifen, um die übrigen Mitarbeiter vor Gefahren zu schützen, so der Rechtswissenschaftler.

Karl-Josef Laumann über Pflegebedürftige in NRW

Karl-Josef Laumann sieht besonders in der Impfung von Pflegebedürftigen, die zu Hause geimpft werden müssen, eine große Herausforderung. Alleine in NRW gebe es 600.000 pflegebedürftige Menschen, die zu Hause leben. In Pflegeheimen seien es 175.000.

Laut aktuellster Daten der NRW-Statistikbehörde “Information und Technik NRW“ wurden im vergangenen Jahr sogar rund 800.000 Pflegebedürftige zu Hause versorgt. Im Vergleich zum Jahr 2017 ist dies ein Anstieg um gut ein Drittel. Der weitaus größte Teil (rund 520.000) organisiert die Pflege selbst. Rund 225.000 werden durch ambulante Pflegedienste unterstützt. Die Größenordnung derer, die in Pflegeheimen betreut werden stimmt: 2019 waren dies rund 170.000.

Monika Sieverding über Umfragen zur Impfbereitschaft

Monika Sieverding sagt, verschiedene Studien in Deutschland zeigten, dass 60-70 Prozent der Menschen in Deutschland bereit sind, sich impfen zu lassen.

Die ersten Ankündigungen von Pharmaunternehmen wie Biontech oder Moderna, Zulassungen für ihre vielversprechenden Corona-Impfstoffe zu beantragen, zog eine ganze Reihe von Umfragen zur Impfbereitschaft nach sich. Grundsätzlich zeigt sich tatsächlich, dass eine Mehrheit der Befragten bereit ist, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen. Die Ergebnisse der Umfragen schwanken jedoch.

Eine Studie des Gesundheitsökonomen Prof. Jonas Schreyögg von der Uni Hamburg kommt zu dem Ergebnis, dass derzeit nur 57 Prozent der Deutschen bereit sind, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen. Zwar sei mit den aktuellen Ergebnissen ein seit April beobachteter Abwärtstrend gestoppt worden, so die Forscher – allerdings auf einem niedrigen Niveau. Es bleibe ungewiss, ob eine solche Quote ausreichen würde, um eine Herdenimmunität herzustellen.

Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) auf Basis von Daten des Sozioökonomischen Panels ergab eine Impfbereitschaft von rund 70 Prozent, sofern ein Impfstoff keine nennenswerten Nebenwirkungen nach sich ziehen würde. Ein weiteres Ergebnis der sehr detaillierten Befragung ergab ein ausgeglichenes Bild beim Thema Impfpflicht. Jeweils die Hälfte der Befragten sprach sich für oder gegen eine generelle Impfpflicht gegen das Corona-Virus aus. Die Zustimmung zur Impfpflicht-Frage fällt dabei unter den Befragten, die sich freiwillig impfen lassen würden, mit etwa 60 Prozent deutlich höher aus als bei jenen, die sich nicht freiwillig impfen lassen würden (27 Prozent).

Eine ähnlich hohe Bereitschaft zur Impfung ergab der aktuelle ARD-Deutschlandtrend. 71 Prozent der Befragten würden sich auf jeden Fall oder wahrscheinlich impfen lassen. 29 Prozent lehnen eine Impfung wahrscheinlich oder sicher ab. Ähnlich das Ergebnis einer aktuellen Kantar-Umfrage: 67 Prozent antworteten auf die Frage, ob sie sich impfen lassen mit „definitiv“ oder „wahrscheinlich“. Sechs Prozent schließen eine Impfung definitiv aus, zehn Prozent wahrscheinlich. Unsicherer erscheint das Ergebnis des ZDF-Politbarometers. Nur 51 Prozent der Befragten gaben an, sich impfen lassen zu wollen. 29 Prozent sind noch unschlüssig. Immerhin 20 Prozent lehnen eine Impfung ab.

Karl-Josef Laumann über Grippe-Impfquoten bei Krankenhauspersonal

Karl-Josef Laumann ist überrascht, dass gerade beim Krankenhauspersonal nicht die höchsten Impfquoten bei der Grippeimpfung erreicht werden.

Aufgrund des erhöhten beruflichen Risikos empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) medizinischem Personal die jährliche Impfung gegen die Grippe. Das Robert Koch-Institut (RKI) veröffentlichte vor wenigen Tagen eine Untersuchung, in der unter anderem die Bereitschaft von Krankenhauspersonal beleuchtet wurde, sich gegen Influenza-Viren impfen zu lassen. Die Bereitschaft ist offenbar je nach Berufsbild unterschiedlich. Mit Abstand am häufigsten ließen sich in der Grippesaison 19/20 Ärzte gegen Grippe impfen. 79,3 Prozent der befragten Mediziner schützten sich gegen Influenza. Dagegen verzeichnet das RKI beim Pflegepersonal noch große Impflücken. Nur 46,7 Prozent des Pflegepersonals ließen sich gegen Grippe impfen. Damit lag die Impfquote beim Pflegepersonal ähnlich niedrig wie in der Grippesaison zuvor (46 Prozent), aber deutlich höher als in der Saison vor zwei Jahren (31,1 Prozent).

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Stand: 01.12.2020, 13:30 Uhr