Streit um die Sprache: Was darf man noch sagen und was besser nicht?
Der Faktencheck zur Sendung vom 05.10.2020
Man darf nicht mehr alles sagen, warnen die einen und wittern Zensur! Die anderen meinen: Von wegen, Begriffe wie Zigeunersauce oder Mohrenstraße sind rassistisch, müssen weg! Wer hat Recht? Und wer zensiert da wen, grenzt aus, schafft Tabus und Verbote?
Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt hartaberfair nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.
Stefanie Lohaus´Vorwurf der "rechten Rhetorik"
Stefanie Lohaus warf Svenja Flaßpöhler in der Sendung "rechte Rhetorik" vor, als diese mit einem bildhaften Vergleich beschrieben hat, wie verunsichert eine Gesellschaft sei, wenn sie genau darauf achten müsse, nichts Falsches zu sagen. Wie angekündigt, hier noch einmal der Wortlaut in einer Zusammenfassung
Der Vorwurf von Stefanie Lohaus ist unbegründet. Svenja Flaßpöhler nahm die Diskussion über das Gedicht “Avenidas“ von Eugen Gomringer, das vor einigen Jahren für Diskussionen gesorgt hatte, zum Anlass, darauf hinzuweisen, “wie hoch der Grad inzwischen der Sensibilität gesellschaftlich ist“. Das Gedicht an der Fassade der Alice Salomon Hochschule wurde von einigen als frauenverachtend und sexistisch interpretiert und schließlich entfernt. Nach Ansicht von Flaßpöhler kippt Sensibilität in etwas Destruktives, wenn es schon als antifeministisch, als frauenverachtend wahrgenommen wird, wenn an der Fassade der Hochschule etwas von einem “Bewunderer“ steht. Sie begründet ihre Meinung mit einem bildhaften Beispiel: “Ich habe manchmal das Gefühl, wir laufen inzwischen alle rum wie so eine offene Wunde, die man schützen muss vor jeglicher Form von Infektion.“ Eine liberale, demokratische Gesellschaft könne aber nur funktionieren, wenn sich die Menschen ein Stück weit selbst immunisieren, so Flaßpöhler weiter. Zwar sagt Flaßpölhler, dass man derzeit erkennen könne, wie eine Gesellschaft “zusammenbricht“, wenn sich alle als Gefährdete wahrnehmen. Ihr deshalb aber vorzuwerfen „rechte Rhetorik“ zu verwenden, die das Ende des Abendlandes heraufbeschwört, geht wohl zu weit.
Der "Mohr" als Zeichen für gute Küche?
Unser Gast Andrew Onuegbu steht hinter dem Namen seines Restaurants “Zum Mohrenkopf“. Schon seit dem Mittelalter stehe dieses Symbol für gute Küche. Dies habe er bei einem Besuch in Hachenburg erfahren. Dort ist an der Fassade eines Hotels und Restaurants im “Steinernen Haus“ ein “Mohrenkopf“ abgebildet.
Diesen “Mohrenkopf“ gibt es tatsächlich. Er findet sich an der Fassade des “Steinernen Hauses“ in Hachenburg. Der ehemalige Stadtarchivar Dr. Stefan Grathoff hat viel zur Geschichte der Stadt geforscht: Der Mohrenkopf kam 1617 an die Fassade, zu einer Zeit, als von Kolonialismus noch nicht die Rede habe sein können. Auffällig sei auch, dass sich das Steinerne Haus in unmittelbarer Nähe zum Schloss der Stadt befände; von daher sei eine Deutung als Herrschaftszeichen oder Qualitätszeichen angebracht. Der Mohrenkopf sei – angebracht an dieser Stelle – auf keinen Fall negativ besetzt gewesen; in der Symbolik eher ein exotischer Schmuck. Der aktuelle Stadtarchivar von Hachenburg, Dr. Jens Friedhoff, schränkt allerdings ein, dass erst für den Beginn des 18. Jahrhunderts erstmals nachgewiesen sei, dass das “Steinerne Haus“ als Gasthaus genutzt wurde. “Die Interpretation des ‘Mohren‘, der als Zeichen für eine hervorragende Küche und zuvorkommende Bewirtung steht, scheidet hier folglich aus“, so Friedhoff.
Die Entstehungsgeschichte rund um die Symbolik des “Mohrenkopfes“ wird unter Experten in den unterschiedlichsten Zusammenhängen betrachtet. So stellt ein “Mohrenkopf“ für den Schweizer Kolonialhistoriker Dr. Bernhard C. Schär eine “Eroberungstrophäe“ dar. Im SFR erklärt er, die Figur des “Mohrenkopfes“ stamme aus dem Spätmittelalter, als die Christen die spanische Halbinsel von den nordafrikanischen, dunkelhäutigen Mauren zurückerobert hätten. “In diesem Krieg begannen christliche Adelige, ein neues Wappen für sich zu erzeugen: nämlich den abgeschlagenen Kopf ihrer Feinde. Das war die Erfindung des Mohrenkopfes.“
Nach Ansicht von Almut Höfert, Professorin für mittelalterliche Geschichte an der Universität Oldenburg, sind die Hintergründe zur Symbolik vielschichtig. Andrew Onuegbu und Bernhard Schär sprächen davon jeweils einzelne Facetten an. Bei einer Gesamtbetrachtung der Entstehungsgeschichte des “Mohrenkopfes“ müsse der zeitliche Kontext berücksichtigt werden, so die Historikerin. So spielten etwa die Mauren eine Rolle beim Mohrenbild. „Wie auch bei dem Begriff ‘Mohr‘ an sich handelt es sich bei der Bezeichnung ‘Mauren‘ um eine Fremdbezeichnung, in diesem Fall um eine christliche Bezeichnung für Muslime auf der iberischen Halbinsel“, sagt Almut Höfert. Im 13. Jahrhundert sei die Mohrenkopfsymbolik durchaus im Kontext der Kreuzzüge zu verstehen, als Mohren vermehrt in Wappen dargestellt wurden, so die Historikerin. Im Spätmittelalter (13.–15. Jahrhundert) habe es dann offenbar auch Gasthöfe gegeben, deren Namen das Wort “Mohr“ enthielten und an Fürstenhöfen traten tatsächlich Hofmohren in Erscheinung, so Höfert. “Allerdings kann man deshalb noch nicht behaupten, dass ein stilisierter Mohrenkopf vom 13.–18. Jahrhundert hinein immer im Zusammenhang mit Fürstenhöfen stehen würde“, stellt die Historikerin klar. Dies müsse im Einzelfall untersucht werden. Im 19. Jahrhundert waren dann Darstellungen von Mohren – und dazu gehört auch das Gebäck – in den Kontext des Kolonialismus und des modernen Rassismus eingebettet, sagt Höfert: „Diese rassistischen Darstellungen des Mohren haben die ältere, vielschichtige Geschichte überlagert.“
Bleibt festzuhalten, dass die Figur des “Mohrenkopfes“ seinen Ursprung im Mittelalter hat und dass es den “Mohrenkopf“ am Steinernen Haus in Hachenburg tatsächlich gibt. Auch wenn der “Mohr“ an diesem einzelnen Haus offenbar nichts über die Qualität der Küche aussagen sollte, können wir nicht ausschließen, dass dies für andere Gasthäuser im Mittelalter der Fall gewesen sein könnte.
Stand: 06.10.2020, 12:23 Uhr