Das Virus und wir: Wie erleben Menschen unser Land in der Corona-Krise?

Der Faktencheck zur Sendung vom 27.04.2020

Die offene Gesellschaft trägt jetzt Maske: Rasant verändert das Corona-Virus den Alltag. Wie erleben das die Menschen? Bei hartaberfair berichten und diskutieren ein Polizist, eine Supermarktangestellte, eine Ärztin, ein Musiker und ein Sozial-Forscher.

Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt hartaberfair nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Corona-Todesfälle und Altersstruktur

Martin Schröder sagt, der Anteil der Corona-Todesfälle bei den Ende 30-jährigen sei extrem gering. Er liege im Promillebereich.

Das ist richtig. In seinem aktuellsten Lagebericht zählt das Robert Koch-Institut neun Personen im Alter zwischen 30 und 39 Jahren, die an den Folgen einer Covid-19-Infektion verstorben sind. Gemessen an den vom RKI zugrunde gelegte Zahlen der gesamten Todesfälle von 5.744 (Stand 24.04.20) entspricht dies einem Anteil von 0,15 Prozent oder 1,5 Promille. Den weitaus größten Anteil an Todesfällen macht die Altersgruppe zwischen 80 und 89 Jahren aus. 2.605 Menschen aus dieser Altersgruppe sind bis zum 24.04.20 an Corona gestorben. Das ist ein Anteil von rund 45 Prozent. Es folgen die Altersgruppen 70-79 Jahre (1.331/23 Prozent), 90-99 Jahre (1.019/17 Prozent) und 60-69 Jahre (9 Prozent). Laut RKI verstarb bislang jeweils eine Person, die zwischen 0 und 9 Jahren und zwischen 10 und 19 Jahren alt war. Das Durchschnittsalter der verstorbenen Personen liegt bei 81 Jahren.

Rückgang von Herzinfarkt-Behandlungen

Susanne Herold beobachtet, dass weniger Menschen in Kliniken gehen, weil sie Angst haben, sich mit Corona zu infizieren. So seien die Einweisungen von Patienten mit Herzinfarkt um 50 Prozent zurück gegangen.

Tatsächlich verzeichnen deutsche Kliniken einen deutlichen Rückgang von Herzinfarkt-Patienten. Wie hoch genau der Rückgang in Deutschland ist, lässt sich im Moment allerdings nicht exakt beziffern und variiert von Klinik zu Klinik. Für eine flächendeckende Bewertung fehlt es noch an belastbaren Zahlen. Eine der wenigen Datenerhebungen stammt von der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK). Die DAK verzeichnete schon im März dieses Jahres einen Rückgang von DAK-Versicherten, die wegen eines Herzinfarkts eingeliefert wurden, um 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) erreichten nach eigenen Angaben Hinweise, dass die Zahl der Krankenhausaufnamen von Patienten mit akuten Herzbeschwerden “dramatisch zurückgegangen ist“. Genaue Zahlen für Deutschland konnte die DGK allerdings nicht nennen. In einem offenen Brief an Bundesforschungsministerin Anja Karliczek warnen die Kardiologen der DGK und anderer Fachgesellschaften davor, lebensbedrohliche Herzerkrankungen zu ignorieren. Das Fachportal der DGK und des Bundesverbands niedergelassener Kardiologen berichtet über erste Ergebnisse einer systematischen Datenanalyse aus den USA. Die US-Kardiologen verzeichnen hier einen Rückgang von Herzinfarkt-Patienten um 38 Prozent. Ähnliche Ergebnisse liefern laut des Fachportals Daten aus Österreich und Spanien, wo ein Rückgang von jeweils 40 Prozent verzeichnet wurde. Die DGK rät dringend dazu, Symptome, die auf Herzbeschwerden hindeuten, nicht auf die leichte Schulter zu nehmen: “Kein Patient sollte aus Angst vor einer Infektion mit dem Corona-Virus auf die zwingend notwendige medizinische Hilfe in einem Krankenhaus verzichten“, so der Appell der DGK.

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Stand: 28.04.2020, 11:02 Uhr