Klimaretter oder Nervenkiller – was kann die Deutsche Bahn? 

Der Faktencheck zur Sendung vom 07.10.2019

Verspätungen, Zugausfälle, Dauerbaustellen: Die Bahn wirkt schon von der Gegenwart überfordert. Wie soll sie da in Zukunft Flugzeug und Auto ersetzen, das Klima retten? Ist die Bahn wirklich so schlecht, wie viele Kunden klagen? Oder kann die Bahn bald fast alles - sogar Englisch?

Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt hartaberfair nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Wie pünktlich ist die Bahn?

Über die Pünktlichkeitsquote der Deutschen Bahn waren sich Frank Plasberg und Richard Lutz nicht einig.

Noch während der Sendung konnte unsere Redaktion die Zahlen, die der Bahnchef nannte, bestätigen. Richard Lutz hatte Recht. Hier die Fakten: Betrachtet man alle Züge der Deutschen Bahn, die Im Jahr 2018 über die deutschen Schienen rollten, waren 93,4 Prozent von ihnen pünktlich. Diese Quote schließt sowohl den Personennahverkehr als auch den Fernverkehr und den Güterverkehr mit ein. Differenziert betrachtet kamen im vergangenen Jahr 94 Prozent der Züge des Nahverkehrs pünktlich an. Beim Fernverkehr waren es dagegen nur 74,9 Prozent der Züge. Der Güterverkehr kam auf eine Pünktlichkeitsquote von 72,9 Prozent. Als pünktlich gilt bei der Deutschen Bahn ein Zug, der weniger als sechs Minuten Verspätung hat.

Genug Wettbewerb auf deutschen Schienen?

Judith Henke wünscht sich eine Trennung von Schienennetz und Personenverkehr, um mehr Wettbewerb auf deutschen Schienen zu ermöglichen. Richard Lutz hält dagegen. Nirgendwo sonst gebe es so viel Wettbewerb im Bahnverkehr wie in Deutschland. Ein Drittel des Schienenverkehrs werde bereits von Unternehmen betrieben, die nicht zur Deutschen Bahn gehören. Wie steht es um den Wettbewerb auf deutschen Schienen?

“Es ist ein gewohnheitsmäßiger Reflex eines Bahnchefs, auf die zahlreichen Wettbewerbsbahnen hinzuweisen, die sich auf dem Netz tummeln“, stellt Alexander Eisenkopf fest. Eisenkopf ist Professor für Wirtschafts- und Verkehrspolitik an der Zeppelin-Universität Berlin. Er forscht unter anderem auf den Gebieten Verkehrsinfrastruktur, Regulierung und Nachhaltigkeit.

Tatsächlich treffe die Aussage von Richard Lutz aber nur auf den Schienengüter- und den Schienenpersonennahverkehr zu, wo Wettbewerber mittlerweile beachtliche Marktanteile besetzt hätten, sagt der Bahnexperte. Für den Fernverkehr aber treffe dies nicht zu: “Im Fernverkehr findet Wettbewerb nur in homöopathischen Dosen statt“, sagt Eisenkopf. Im Bereich des Fernverkehrs gerate die Deutsche Bahn auch nicht durch die Aktivitäten von Flixtrain unter echten Wettbewerbsdruck. Dies habe vor allen Dingen der Fernbus geschafft, so Eisenkopf. “Eine Trennung von Netz und Transportaktivitäten könnte langfristig helfen, die Voraussetzungen für den Marktzugang von Wettbewerbern zu verbessern“, ist sich der Bahnexperte sicher. Eine solche Trennung würde auch dabei helfen, mehr Transparenz in die Finanzströme des Konzerns zu bringen, sagt Eisenkopf.

Bernd Althusmann über Baustopps und grüne Freude

Bernd Althusmann wünscht sich von Anton Hofreiter weniger Regierungs-Bashing. Schließlich hätten sich die Grünen in der Vergangenheit auch nicht immer für den Bahnverkehr stark gemacht. Unter Rot-Grün hätten sie sich gar über einen Baustopp der ICE-Trasse München-Berlin in Thüringen gefreut.

Bernd Althusmann spielt auf einen Teil der ICE-Trasse an, über die Bahnkunden seit 2017 in knapp vier Stunden von München nach Berlin reisen können. Einen Kernabschnitt dieses bereits kurz nach der Deutschen Einheit geplanten Vorhabens “Verkehrsprojekt Deutsche Einheit“ bildet dabei die Strecke Nürnberg-Erfurt. Tatsächlich war der Bau der Trasse im Jahr 1999 zunächst gestoppt worden. Franz Müntefering – damals Verkehrsminister der Rot-Grünen Regierungskoalition – ging schlicht das Geld aus. “Man kann nur das tun, was man finanzieren kann“, so Müntefering damals zur Begründung für den Baustopp. Der Bundesverkehrswegeplan der alten Regierung sei mit 80 bis 90 Milliarden Mark unterfinanziert gewesen, so Müntefering. Das freigewordene Geld wollte die rot-grüne Regierung lieber in den Ausbau bestehender Strecken investieren. 2002 wurde der Baustopp – ebenfalls unter Rot-Grün – aufgehoben. Vor knapp zwei Jahren konnte die Strecke München-Berlin schließlich eingeweiht werden.

Gut möglich, dass sich Kritiker der Trasse - wie etwa der grüne Europaabgeordnete Michael Cramer, der BUND oder auch der Fahrgastverband Pro Bahn - über den Baustopp gefreut haben. Sie kritisierten damals vor allem die hohen Kosten und den unverhältnismäßig hohen Aufwand, bei nur wenigen Zügen, die pro Tag über diese Strecke fahren. Darüber hinaus bemängelten die Kritiker auch nach Einweihung der Trasse, dass sie zwar auch für den Güterverkehr ausgelegt sei, Güterwaggons aber suche man vergeblich.

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Stand: 08.10.2019, 11:53 Uhr