Der Club der Reichen – wie viel Ungleichheit verträgt das Land?

Der Faktencheck zur Sendung vom 07.05.2018

Die Ungleichheit wächst, wer reich ist, wird immer reicher. Muss Vermögen deshalb härter besteuert werden? Wachsen mit dem Reichtum auch Macht und Einfluss? Oder ist das eine leistungsfeindliche Neiddebatte?

Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt "hart aber fair" nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Bettia Weyguni über Chancen auf den Weg nach oben

Bettina Weiguny kann mit dem Bild von "denen da oben", die sich abschotten und ihr Vermögen horten, nicht viel anfangen. Sie sagt, in Deutschland gebe es nach wie vor Möglichkeiten, den Weg nach oben zu beschreiten. Hat sie Recht?

Prof. Thomas Druyen, Soziologe und einer der renommiertesten Reichtumsforscher von der Siegmund Freud Universität in Wien stimmt der Journalistin zu. "Die elitäre Abschottung kann immer auch überwunden werden", sagt Druyen. Mit der Digitalisierung und dem Internet sei die Durchlässigkeit nach oben, also die Möglichkeit zu Vermögen und Erfolg zu kommen, viel größer geworden. "Junge Leute verdienen mit Start ups, mit neuen Erfindungen sehr viel Aufmerksamkeit und zuweilen auch sehr viel Geld. Im internationalen Maßstab sind diese Tech-Millionäre und Milliardäre absolut auf dem Vormarsch", sagt der Soziologe. Dabei spielten die Berufe der Eltern und das jeweilige Milieu aus dem man stamme, kaum noch eine Rolle, so Druyen.

Natürlich seien die Superreichen ein "Völkchen für sich", so der Experte, dies liege allein schon an ihren viel größeren Bewegungsmöglichkeiten. "Ihr teilweiser Rückzug liegt auch an Furcht vor Übergriffen gegen Neid und so weiter", erklärt der Reichtumsforscher. Hier ließen sich ganze Forschungen zitieren, so Druyen.

Er stellt aber klar, dass eine Bewertung von Aussagen zu Reichtum fundamental mit der Ausgangshaltung und der persönlichen Interessenlage zusammenhängt. "Frage ich zum Beispiel nach Chancengleichheit am Arbeitsplatz, werden mir Vertreter der deutschen Industrie das sicher und gerne bestätigen während Vertreter der Gewerkschaften dies sicher nicht tun würden. Aus welcher Perspektive ich etwas betrachte, dominiert am Ende auch meine Bewertung." Besonders treffe dies auf das Thema Reichtum und Reiche zu, sagt Druyen. "Mitarbeiter von Privatbanken, Krankenhäusern oder Stiftungen werden dieses Thema viel positiver wahrnehmen als Repräsentanten der Sozialdemokratie, als Attac-Mitglieder oder Vertreter von sozialen Berufen", sagt der Experte. Dies liege in der Natur des täglichen Erlebens, der damit verbundenen Einstellungen und der daraus erwachsenden Lebenshaltung. Zwar sei dies alles auch legitim, sagt Druyen. Er warnt aber: "Nicht in Ordnung ist, diese unterschiedlichen Positionen gegeneinander aufzuhetzen und systemisch zu kontrastieren. Alle gemeinsam sind Facetten unserer Gesellschaft."

Christoph Gröner über das Aus der Vermögenssteuer in Frankreich

Christoph Gröner begrüßt die Abschaffung der Vermögenssteuer in Frankreich. Er sagt, hierdurch sei Vermögen ins Land zurückgekommen und Arbeitsplätze geschaffen worden.

Die Abschaffung der Vermögenssteuer war in Frankreich eines der umstrittensten Wahlversprechen von Emmanuel Macron. Der französische Staatspräsident setzte sich am Ende durch. Seit Beginn dieses Jahres wird in Frankreich nur noch Immobilienbesitz versteuert. Macron erhofft sich durch das Aus der Vermögensteuer höhere Investitionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen.

Für eine zuverlässige Einschätzung der ökonomischen Auswirkungen ist es allerdings noch zu früh, sagt Dr. Eileen Keller, Expertin für deutsche und französische Wirtschaftspolitik am Deutsch-Französischen Institut in Ludwigsburg. “Wenn Herr Gröner von spürbaren Effekten spricht, so ist dies zutreffend, was das Klima im Land betrifft und die Signale, die Macron mit seinen Maßnahmen aussendet“, sagt Keller. Ökonomische Größen wie die Entwicklung der Investitionstätigkeit oder des Beschäftigungsniveaus seien durch viele unterschiedliche Faktoren beeinflusst, sagt die Expertin. Hierzu zählen etwa Geldpolitik, die Entwicklungen des Ölpreises und des Welthandels sowie wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen wie die Kapital- und Vermögensbesteuerung. “Eine Einschätzung des tatsächlichen makroökonomischen Effekts der Abschaffung der Vermögenssteuer ist deshalb immer schwierig und definitiv noch zu früh“, sagt Eileen Keller.

Nur weil Vermögen weniger besteuert wird, bedeute dies auch nicht, dass dieses Geld langfristig in Frankreich investiert wird, stellt die Wirtschaftsexpertin klar. “Bezogen auf die Situation in Frankreich gilt, dass eine konjunkturelle Verbesserung einschließlich der Investitionstätigkeit der Unternehmen bereits vor Macrons Amtsübernahme begann und schon allein deshalb nicht ursächlich auf dessen Maßnahmen zurückzuführen sind“, sagt die Frankreich-Expertin.

Hermann Otto Solms über Abgabenlast in Deutschland

Hermann Otto Solms (FDP) sagt, gemeinsam mit den Belgiern hätten die Deutschen die höchste Abgabenlast innerhalb der OECD.

Das trifft zumindest für die Abgabenlast alleinstehender Durchschnittsverdiener ohne Kinder zu. Die jüngste OECD-Studie "Taxing Wages", in der die Belastung durch Steuern und Sozialabgaben aller OECD-Länder untersucht und verglichen wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass diese Gruppe im vergangenen Jahr 49,7 Prozent ihres Einkommens für Steuern und Abgaben ausgeben musste. Nur Belgien greift den Alleinstehenden noch tiefer in die Tasche: 53,7 Prozent ihres Einkommens gingen im Nachbarland für Steuern und Abgaben drauf. Der OECD-Durchschnitt lag bei 35,9 Prozent.

Auch bei allen anderen in der Studie untersuchten Haushaltstypen liegt Deutschland über dem OECD-Durchschnitt. So zahlt etwa ein Ehepaar mit zwei Kindern und einem erwerbstätigen Durchschnittsverdiener 34,5 Prozent Steuern und Sozialabgaben. Nur in acht Ländern der OECD zahlen solche Familien mehr. Der OECD-Durchschnitt liegt bei 26,1 Prozent.

Michael Hartmann über Gewinne und Investitionen

Michael Hartmann sagt, die Investitionen der Unternehmen aus ihren Gewinnen sei zwischen 1991 und 2016 von 84 auf 20 Milliarden Euro gesunken. Und das, obwohl sich die Gewinne im gleichen Zeitraum verdreifacht haben.

Die Zahlen stimmen mit den Ergebnissen einer Untersuchung des Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts der Böckler-Stiftung (IMK) überein. Das IMK beruft sich dabei auf Daten des statistischen Bundesamtes. Tatsächlich wurde 1991 mit 85 Milliarden Euro gut die Hälfte der Gewinne der Unternehmen investiert. Bis zum Jahr 2016 verdreifachten sich die Gewinne der Unternehmen auf 543 Mrd. Euro. Gleichzeitig sanken die Investitionen allerdings auf 19,5 Mrd. Euro.

Stand: 08.05.2018, 10:48 Uhr