Ein Ozean voll Plastik – ertrinken die Meere in unserem Müll?

Der Faktencheck zur Sendung vom 12.03.2018

Riesige Müllstrudel mitten im Ozean – wie gefährdet ist der blaue Planet? Und was macht dieser Müll mit uns, beim Baden im Meer, mit dem Fisch, den wir essen? Brauchen wir wirklich Plastikverpackungen und Tüten bei jedem Einkauf, Mikroplastik in Kosmetik und Deorollern?

Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt "hart aber fair" nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Dirk Steffens über Mikroplastik und Fische

Der Tier- und Naturfilmer Dirk Steffens sagt, ein großes Problem des Mikroplastiks sei, dass sich Fische mit den Partikeln "vollsaugen" und so das Sättigungsgefühl nachlasse. So würden sie keine Nährstoffe mehr aufnehmen und verenden. Wie wirkt sich Mikroplastik tatsächlich auf Fische aus?

"Wir wissen, dass Meeresfische Mikroplastik aufnehmen, weil es in ihren Mägen gefunden wurde", sagt der Meeresbiologe Dr. Mark Lenz vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung. Zwar sei dies allem Anschein nach kein seltenes Phänomen, so der Experte, allerdings gebe es keine Daten, die belegen, dass Mikroplastik zu einer Pseudosättigung und damit zum Verhungern der Fische führe, sagt Lenz. "Wir haben eine Studie durchgeführt, die zeigt, dass Fische Mikroplastik aufnehmen und auch wieder ausscheiden - ohne dass es zu Pseudosättigung kommt." Ausschließen könnten die Meeresbiologen dies jedoch nicht. "Vor allem bei Fischlarven und Jungfischen könnte es eine Rolle spielen", sagt Lenz. Derzeit fehlten noch Studien, da die Forschung hierzu erst am Anfang stehe, so der Meeresbiologe. Anders stellt sich laut Lenz die Datenlage bei Seevögeln dar. "Hier ist Pseudosättigung durch Plastikmüll bei Jungtieren sehr gut belegt und kann nachweislich zu deren Tod führen." Dabei handele es sich meist aber um größere Müllteile und nicht um Mikroplastik, erklärt Lenz.

Robert Harbeck über Plastikmüll im Meer

Robert Harbeck (Bd.90/Grüne) sagt, schon heute seien die Meere mit 150 Millionen Tonnen Plastik verunreinigt. Stimmt das?

"Das ist eine Zahl, die man in diesem Zusammenhang häufig hört", sagt Dr. Mark Lenz. Wirklich verifizierbar sei sie jedoch nicht. Niemand könne genau sagen, wie viel Plastik sich bereits in der Meeresumwelt befindet: "Das liegt vor allem daran, dass wir das meiste Plastik nicht direkt erfassen können. Der größte Teil des Plastikmülls dürfte am Meeresboden liegen, wo er für uns nur sehr schwer zugänglich ist - vor allem in der Tiefsee", sagt der Experte. Für unrealistisch hält er die Zahl jedoch nicht – möglicherweise liege sie sogar noch höher, so Lenz. Studie zeigten, dass die Menschheit bislang acht Milliarden Tonnen Plastik produziert habe. Sehr gut möglich, so Lenz, dass ein 50stel davon im Meer gelandet sei. Ob nun aber 50 Millionen Tonnen mehr oder weniger im Meer schwimmen ist für den Meeresbiologen eine rein akademische Frage. Für Lenz steht fest: "Es ist ein riesiges Umweltproblem."

Thomas Roeb über Pfand auf Einwegflaschen

Der Handelsexperte Thomas Roeb hält die Einführung des Pfands auf Einwegflaschen für einen „Schuss in den Ofen“. Hierdurch seien sogar mehr Einwegflaschen verkauft worden, während der Anteil der Mehrwegflaschen zurück ging. Stimmt das?

Auch Dr. Benjamin Bongardt, Experte für Ressourcenpolitik beim NABU, sieht eine Steigerung bei den Einwegflaschen. Zwar habe das Pfand zu einem sehr deutlichen Rückgang der umweltschädlichen Getränkedosen geführt und somit den Mehrwegmarkt im Bierbereich bei über 80 Prozent stabilisiert, sagt Bongardt. Für Wasser, Limonade und Saft gelte dies jedoch nicht, sagt der Experte. Hier sei der Marktanteil von Mehrweg durch das Dosenpfand laut einer Studie des Bundesumweltamtes kontinuierlich zurück gegangen. Vor allem die Discounter hätten nach Einführung des Einwegpfands auf Einwegplastikflaschen gesetzt: "Der NABU hat 2017 aufgedeckt, dass Abfüller und Einzelhändler pro Jahr etwa 228 Mio. Euro durch das Einwegpfand verdienen - 180 Mio. Euro aus nicht zurückgegebenen Flaschen, 48 Mio. Euro aus dem Verkauf des gut sortierten Kunststoffs." Entscheidender Akteur ist nach Ansicht von Bongardt also der Einzelhandel, "der durch das Einwegpfand verdient und es sich zu Nutze macht, dass einige Verbraucher nicht sicher über die Umweltfreundlichkeit einer Flasche urteilen können."

Laut Umweltbundesamt wurden im Jahr 2014 50,8 Prozent aller Getränke in Einweg-Kunststoffflaschen verkauft. Seit 2009 war dies ein Anstieg um 4,5 Prozent. Dagegen nahm der Anteil an Mehrweg-Glasflaschen ab. Wurden 2009 noch 34,2 Prozent aller Getränke in Mehrweg-Glasflaschen verkauft waren es fünf Jahre später nur noch 30,6 Prozent.

Rüdiger Baunemann über Gebühren auf Verpackungen

Rüdiger Baunemann (Plastics Europe Deutschland) steht Steuern und Gebühren für Plastikverpackungen skeptisch gegenüber. Er sagt, für viele Verpackungen werden bereits Gebühren erhoben. Stimmt das?

“Seit Anfang der 1990er Jahre sind Unternehmen, die Verpackungen auf den Markt bringen verpflichtet, diese auf eigene Kosten auch wieder einzusammeln und einer Verwertung zuzuführen“ erklärt Benjamin Bongardt. Da dazu aber kein Unternehmen in der Lage gewesen sei, wurden die so genannten Dualen Systeme gegründet, die diese Aufgabe im Auftrag der Hersteller übernehmen. “Sie stellen die Gelbe Tonne und beauftragen die Sortierung und stellen somit die gesetzlichen Recyclinganforderungen sicher.  Die Kosten dafür werden auf die Verbraucher abgewälzt. Wir zahlen somit an der Ladentheke die Leerung der Gelben Tonne.“ Durch den Konkurrenzkampf der unterschiedlichen Dualen Systeme versuchten diese die Hersteller, die Verpackungen in den Verkehr bringen, als Kunden zu gewinnen, so Bongardt:  “Das führt dazu, dass Hersteller, die große Mengen an Verpackungen auf den Markt bringen, weniger pro Verpackung zahlen müssen als Unternehmen, die kleine Mengen verkaufen. Die Gebühren (Lizenzentgelte) sind also weder nach dem Prinzip gleiche Menge, gleicher Preis noch nach ökologischen Kriterien, wie Recyclingfähigkeit oder Anteil der Verwendung von Recyclingmaterial differenziert“, kritisiert der Experte. Immerhin werde mit dem Verpackungsgesetz, das ab 2019 in Kraft tritt, die vorgeschriebene Recyclingquote von Kunststoffverpackungen von derzeit 36 Prozent auf zunächst 58,8 Prozent und im Jahr 2022 auf 63 Prozent erhöht.

Stand: 13.03.2018, 08:19 Uhr