Hände halten einen Brocken Steinkohle

Sondersitzung des Landtages

Debatte nach Kohle-Kompromiss

Stand: 08.02.2007, 11:03 Uhr

Der Kohle-Kompromiss ist beschlossen - und die Reaktionen darauf sind am Tag danach überwiegend positiv. Doch im Detail gibt es nach wie vor noch sehr unterschiedliche Auffassungen und Beurteilungen des Kompromisses, wie am Donnerstag (07.02.2007) auch die Debatte im Landtag belegte.

Ministerpräsident Jürgen Rüttgers wurde von seinen Parteifreunden wie ein Sieger gefeiert: Als der Regierungschef am Donnerstagmorgen (08.02.2007) im Düsseldorfer Landtag eintraf, empfingen ihn die Abgeordneten mit lang anhaltendem, stehendem Applaus. Nach "harten und schweren Verhandlungen" sei ein sehr guter Kompromiss gelungen, sagte Rüttgers. Der Ausstieg aus der subventionierten Steinkohleförderung in Deutschland ist aus seiner Sicht unumkehrbar. "Sollte der Bundestag 2012 den Ausstiegsbeschluss aus energiewirtschaftlichen Gründen überprüfen, wird Nordrhein-Westfalen sich an den damit verbundenen Kosten nicht beteiligen. Es wird also keinen Sockelbergbau geben," sagte Rüttgers. Auch die mitregierende FDP und die oppositionellen Grünen sprachen von einem historischen, endgültigen Ende der Steinkohle-Ära.

Sockelbergbau - SPD hofft weiter

Die SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Hannelore Kraft begrüßte es ebenfalls, dass endlich eine Einigung erreicht worden sei. Der SPD sei es zu verdanken, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen geben werde und dass 2012 geprüft werde, ob es doch bei einem Sockelbergbau bleibe. Sie hob während der Debatte zudem hervor, dass der Bund sich auch nach 2018 mit 30 Prozent an den so genannten Ewigkeitskosten für Bergschäden und Ähnliches beteiligen werde. Nicht erreicht habe Rüttgers, dass zusätzliche Strukturhilfen in das Ruhrgebiet flössen.

Der Essener Bergbau- und Mischkonzern RAG und die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) begrüßten ebenfalls den Kompromiss. "Der Weg für den Börsengang ist frei. Das bietet dem Konzern und dem Ruhrgebiet sehr gute Zukunftschancen", sagte eine RAG-Sprecherin. Ein konkreter Termin für den RAG-Börsengang wurde noch nicht genannt. Die IG BCE äußerte Erleichterung, dass ein Ausstieg 2014 endgültig vom Tisch sei.

"Das dicke Ende"

FDP-Landeschef Andreas Pinkwart betonte, die historische Entscheidung zum Ausstieg aus der Steinkohle sei mit den vereinbarten Eckpunkten unumkehrbar geworden. Die so genannte Revisionsklausel sei ohne praktische Konsequenz, betonte FDP-Fraktionschef Gerhard Papke.

Auch die Grünen begrüßten, dass endlich eine Entscheidung getroffen worden sei. "Es gibt aber noch ein dickes Ende, was die Finanzbelastungen angeht", sagte ihr Kohle-Experte Reiner Priggen. Zwar zahle NRW ab 2015 keine Absatzhilfen mehr. Für Altlasten, Stilllegung und Anpassungsgelder müssten vom Land zwischen 2015 und 2018 aber noch rund 800 Millionen gezahlt werden. Dass der Bund sich nur mit einem Drittel an den Ewigkeitskosten beteilige, sei ein schlechtes Ergebnis, kritisierte Priggen. Dagegen hält der FDP-Landeschef und Forschungsminister Andreas Pinkwart die Verteilung für fair.

Zukunfts-Konzepte

Die schwarz-gelbe Landesregierung will das Ruhrgebiet in eine hochkarätige Wissenschafts- und Forschungslandschaft verwandeln. Die Mittel, die durch den Ausstieg aus den Kohlebeihilfen frei werden, sollen für diesen Strukturwandel genutzt werden, kündigte Rüttgers an. Die Wirtschaftspolitik werde sich auf Leitmärkte und Zukunfts-Technologien konzentrieren, darunter Energie, Logistik, Chemie, Gesundheits- und Kulturwirtschaft. Auch Handwerk und Mittelstand sollen gestärkt werden, um neue Jobs zu schaffen.

Kraft warf Rüttgers vor, keine klaren Konzepte zur Zukunft der Bergbau-Regionen zu haben. Er habe weder gesagt, was aus den Bergleuten werde, noch welche Änderungen es im Haushalt gebe. Sie hielt Rüttgers außerdem vor, seine Forderung nach 500 Millionen Euro an Strukturbeihilfen in Berlin nicht durchgesetzt zu haben. Im Gegensatz zu den ursprünglichen Verabredungen der großen Koalition, ziehe der Bund sich stattdessen komplett aus den Beihilfen zurück.

FDP-Landtagsfraktionschef Gerhard Papke nannte die SPD-Kritik dreist. Ein besseres Verhandlungsergebnis wäre möglich gewesen, wenn Kraft dem Ministerpräsidenten nicht in den Rücken gefallen wäre, sagte Papke. Kraft habe wider besseres Wissen Bergleute aufgehetzt und eine Angstkampagne geschürt. Grünen-Fraktionschefin Sylvia Löhrmann warnte Kraft davor, mit der Forderung nach einem Sockelbergbau in den Landtagswahlkampf 2010 zu ziehen. "Mit uns wird es keinen Wiedereinstieg in die Kohlesubvention geben."