Polizist Jörg Schumacher geht langsam durch die Eingangshalle des Hauptbahnhofs in Münster. Um ihn herum hunderte Menschen, die er jeweils kurz abscannt. Denn der 60-Jährige möchte jemanden beklauen - zur Demonstration. Eine junge Frau, die sich bei einem Bäcker gerade in die Schlange stellt, fällt ihm auf. "Sie scheint mit den Gedanken völlig woanders zu sein. Stellt sich schon vor, wie sie gleich bezahlen wird, hat die Brötchen schon vor Augen. Und sie hat einen Rucksack auf."
Schumacher will versuchen, der Frau etwas zu stehlen. Wenn möglich Wertsachen, vielleicht das Portemonnaie oder einen Laptop. Die Aktion ist Teil der Präventionsarbeit der Polizei und Bundespolizei in Münster: Klauen, aufklären, sensibilisieren: "Wer das hier erlebt, wird das so schnell nicht vergessen. Genau das ist unser Ziel", sagt Schumacher. Im vergangenen Jahr hat die Polizei in NRW insgesamt 39.519 Taschendiebstähle erfasst. An belebten Orten haben Diebe oft leichtes Spiel. Daran will die Polizei in Münster mit ihrer Aktion erinnern.
Münsteraner Polizist mahnt: "Niemand kann jede Sekunde aufmerksam sein"
Schumacher ist nur noch zwei Meter entfernt von der Frau in der Bäckerschlange. Sie hat den großen Mann in Uniform noch nicht bemerkt, ist gleich mit ihrer Bestellung an der Reihe. Er nähert sich von hinten ihrem Rucksack, öffnet langsam und leise den äußeren Reißverschluss. Immer noch keine Reaktion. Auch die anderen Menschen ringsherum merken nichts - oder sagen zumindest nichts. Dann hat er seine Hand im Rucksack.
Taschendiebstahl ist Schumachers Spezialgebiet. In seiner vierzigjährigen Dienstzeit seien die Tricks der Täter in etwa gleich geblieben: "Das Opfer wird abgelenkt. Durch Manöver von Mittätern, Anrempeln zum Beispiel. Manchmal ist aber auch schon die Umgebung Ablenkung genug. Das wird ausgenutzt. Niemand kann jede Sekunde aufmerksam sein."
Noch bevor Schumacher wirklich Gegenstände aus dem Rucksack herausnimmt, spricht er die Frau von hinten laut und deutlich an: "Ich kontrolliere gerade, ob Sie etwas in Ihrem Rucksack haben, was für mich interessant sein könnte." Sie erschrickt, dreht sich um und braucht einen Moment, um die Situation zu verstehen. "Man hätte mir jetzt mein Portemonnaie oder meinen Laptop klauen können und ich hätte es nicht bemerkt", gibt sie zu.
Schutz vor Taschendiebstahl: Vorbereitungen treffen
Schumacher gibt verschiedene Tipps, denn aufpassen allein reicht nicht: "Wertsachen nahe am Körper, am besten in Innentaschen. Handtaschen mit dem Verschluss nach innen, nicht nach außen, tragen. Und wo viel los ist, den Rucksack vielleicht auch mal nach vorne nehmen." Der Polizei ist Prävention wichtig. Denn wer vorbereitet ist, ist für Taschendiebe sofort weniger attraktiv.
Der Taschendiebstahl-Experte wird an diesem Tag noch mit Dutzenden Menschen in Münster ins Gespräch kommen. Viele sind auf dem Weg zum Weihnachtsmarkt. Ein Ort, an dem Taschendiebe normalerweise Hochkonjunktur haben. Durch Schumachers Tipps wird ihnen vielleicht das eine oder andere Portemonnaie durch die Lappen gehen.
Über dieses Thema haben wir auch am 04.12.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Münsterland, 19.30 Uhr.