Eine Überwachungskamera vor einem dunklen Himmel.

Wenn die Polizei um Mithilfe bittet: So funktioniert eine öffentliche Fahndung

Köln | Verbrechen

Stand: 21.06.2024, 08:18 Uhr

2021 führt eine Tüte Pommes zu einer Anklage wegen schwerer Körperverletzung. Bislang sind die Täter unbekannt. Die Kölner Polizei hat aber eine öffentliche Fahndung eingeleitet. Aber wann genau passiert das eigentlich? Hamzi Ismail hat mit der Kölner Polizei darüber gesprochen.

Von Hamzi Ismail

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Das passierte am Abend des 11. Juli 2021

Es ist der 11. Juli 2021. Die zwei Freunde Thomas und Björn sind beide Anfang 30 und arbeiten in Köln. An dem Abend gehen sie auf den Kölner Ringen ein paar Kölsch trinken, gegen 3.30 Uhr machen sie sich auf den Heimweg. Sie halten an einem Imbiss, Thomas hat Hunger, er holt sich eine Tüte Pommes. Dieses kleine, auf den ersten Blick unbedeutende Detail soll später zum Anlass eines unvergesslichen Abends werden.

Die beiden Freunde sitzen vor der Imbissbude auf einer Bank, da wird plötzlich ein junger Mann auf sie aufmerksam. Er nähert sich den beiden, redet nicht. Der Mann schaut Thomas in die Augen, dann greift er nach der Tüte Pommes und rennt davon. Thomas und Björn sind verwundert, fordern den Fremden auf, die Pommes zurückzugeben. Dann gehen sie ihm nach.

Nach einer kurzen Verfolgungsjagd auf der belebten Kölner Partymeile bleibt der junge Mann stehen. In der Zwischenzeit eilen zwei etwa gleichaltrige Freunde von ihm hinzu. Als Thomas den Pommes-Dieb erneut zur Rückgabe auffordert, wirft dieser die Pommes zu Boden und schlägt Thomas unvermittelt mit der Faust ins Gesicht. Es entsteht eine Rangelei, in der Björn Schläge gegen den Nacken bekommt. Thomas trifft es deutlich härter. Nach dem Faustschlag taumelt er, schließlich liegt er am Boden. Daraufhin tritt ihm einer der drei Angreifer mit voller Härte ins Gesicht und verletzt den Unternehmensberater schwer am rechten Auge. Im Anschluss flüchtet das Trio vom Tatort. Mehrere Passanten eilen herbei, kümmern sich um Thomas und alarmieren einen Rettungswagen.

Während Björn mit einer Beule am Kopf vergleichsweise glimpflich davonkommt, wird Thomas schwer verletzt ins Krankenhaus eingeliefert. Er erleidet jeweils einen Bruch der Augenhöhle, der Nase und des Jochbeins sowie ein Schädelhirntrauma. Der 31-Jährige muss sich mehreren Operationen unterziehen, auch noch zwei Jahre nach dem Angriff.

Die drei Angreifer konnten fliehen und sind bis heute, knapp drei Jahre später, noch immer unbekannt. Ob es dabei bleiben wird, wird sich noch zeigen. Denn seit 2017 sind auf den Kölner Ringen Videobeobachtungskameras installiert, die die Polizei für solche strafrechtlich relevanten Vorkommnisse nutzen kann. Aus dem Material wurden Fotos der drei jungen Männer generiert. Seitdem wird öffentlich nach ihnen gefahndet.

WDRLokalzeit-Autor Hamzi Ismail hat mit der Polizei Köln über das Thema Öffentlichkeitsfahndung gesprochen.

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Das sagt die Polizei Köln

Lokalzeit: In welchen Fällen beziehungsweise bei welchen Deliktarten wird eine Öffentlichkeitsfahndung eingeleitet?

Stefanie Becker: Es müssen Straftaten von erheblicher Bedeutung sein, wie zum Beispiel bei Tötungsdelikten, Fälle schwerer Körperverletzung, Straftaten mit hohem Betrugsschaden oder einem schweren Raubüberfall. Bei Delikten wie einem Ladendiebstahl mit einem kleineren Schaden, wird die Polizei vermutlich nicht öffentlich fahnden. Die Öffentlichkeitsmaßnahme muss immer verhältnismäßig sein.

Lokalzeit: Welche Schritte unternimmt die Polizei denn meist vor einer Öffentlichkeitsfahndung?

Becker: Wie die Polizei genau im Einzelnen vorgeht, kann ich aus ermittlungstaktischen Gründen nicht erläutern, doch klassische kriminalistische Standardmaßnahmen wie etwa Zeugenbefragungen, Vernehmungen von Geschädigten, Ermittlungen im Umfeld des Beschuldigten gehören mit Sicherheit dazu. Die Polizei wägt im Vorfeld einer öffentlichen Fahndung genau ab, ob diese Maßnahme überhaupt zielführend und angemessen ist, denn dieser letzte Ermittlungsschritt heißt auch, dass Persönlichkeitsrechte eines Beschuldigten und seiner Angehörigen tangiert werden können.

Lokalzeit: Wer entscheidet das, wenn die Polizei mit Fotos oder Videos eine Fahndung durchführen möchte?

Becker: Nachdem die Polizei Bild- oder Videomaterial sichergestellt hat, aber einen Beschuldigten nicht identifizieren und ausfindig machen kann, regt sie bei der Staatsanwaltschaft eine Öffentlichkeitsfahndung an. Sollte die Staatsanwaltschaft der Anregung folgen, stellt diese einen Antrag beim zuständigen Gericht. Der zuständige Richter erlässt bei Vorliegen der Voraussetzungen einen Beschluss zur Öffentlichkeitsfahndung.

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Erfolgreiche Beispiele für Öffentlichkeitsfahndungen

Lokalzeit: Wie erfolgsversprechend waren solche öffentlichen Fahndungen bislang für die Kölner Polizei? Gibt es bekannte Beispiele?

Becker: Grundsätzlich gilt, dass die Öffentlichkeitsfahndung nicht immer einen Erfolg garantiert. Sie ist aber ein gutes Mittel, um möglichst viele Menschen zu erreichen und vielleicht doch noch den entscheidenden Hinweis zu bekommen. Klassische Medien wie Radio und Fernsehen, aber auch Social Media-Plattformen, sind dabei eine große Unterstützung für uns. Immer wieder kann es auch in scheinbar aussichtslosen Fällen eine Wendung geben, weil sich eben ein Zeuge meldet, der zuvor aus den unterschiedlichsten Beweggründen geschwiegen hat. Erst im vergangenen Jahr haben unsere Cold-Case-Ermittler nach über 35 Jahren den Karnevalsmord an Petra Nohl klären und den Täter überführen können.

In einem aktuellen Fall von Anfang April 2024 hat sich ein 18 Jahre alter Mann, dem ein Raubdelikt vorgeworfen wurde, bei der Polizei gestellt, nachdem Bilder von ihm veröffentlicht wurden. Hier wird deutlich, dass nicht nur wichtige Zeugen gewonnen werden können, sondern auch der Tatverdächtige unter Druck geraten kann und sich möglicherweise stellt.