Taxi, in dem ein Mann 33 Mal auf eine Taxifahrerin einstach. Neben dem Taxi sind auf dem Boden Spurenmarkierungen der Polizei

Kriminalfälle aus NRW: Taxifahrerin überlebte 33 Messerstiche

Leverkusen | Verbrechen

Stand: 20.12.2023, 16:35 Uhr

1991 wird eine Taxifahrerin in Leverkusen-Schlebusch Opfer eines brutalen Raubüberfalls. Der Täter wurde bis heute nicht gefasst. Die Polizei ermittelt weiter.

Von Axel Sommer

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Der Raubüberfall im Taxi

1991 fällt der Karneval fast vollständig aus. In Kuwait tobt der zweite Golfkrieg, die Feierlichkeiten im Rheinland werden infolgedessen abgesagt. Wenig zu tun also auch für die Taxifahrerinnen und Taxifahrer in der Region. Gegen 20.15 Uhr am Karnevalsfreitag, den 8.2.1991, steigt dann aber doch ein Fahrgast in das Taxi der 42-jährigen Fahrerin Ute N. (Name von der Redaktion geändert). Er will von einem Taxihalteplatz in Leverkusen-Wiesdorf nach Schlebusch. Der Mann, Anfang 20, gibt als Ziel die Mühlheimer Straße an.

Die Fahrt verläuft normal. Der Fahrgast hört Musik über einen Walkman. N. denkt sich nichts dabei. Erst als er sie bittet, statt in die Mülheimer Straße in eine einsame, unbeleuchtete Sackgasse, den Nittumer Weg, einzubiegen, wird sie skeptisch. Doch da ist es zu spät. Der Fahrgast zückt ein Messer und verlangt Geld. Bereitwillig übergibt ihm N. ihr Portemonnaie mit 250 D-Mark. "Eigentlich wäre es ein Leichtes für den Täter gewesen, das Taxi mit der Beute zu verlassen und die Flucht anzutreten", sagt Kerstin Nolte von der Kölner Kriminalpolizei.

Aber plötzlich greift der Mann die Fahrerin an, zieht sie auf die Beifahrerseite, würgt sie und sticht wie von Sinnen mit dem Messer auf sie ein. Insgesamt 33 Stiche fahren auf sie nieder. Erst als N. nicht mehr bei Bewusstsein ist, zieht er sie aus dem Auto und legt sie daneben im Schnee ab. Wegen der enormen Brutalität der Tat schließt die Kölner Kriminalpolizei neben dem offensichtlichen Raubmord-Motiv auch sexuelle Beweggründe des Täters nicht aus.

Messer

Mit diesem Messer stach der Täter auf die Frau ein

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Hilferuf über Funk

Ihr Überleben verdankt N. ihrer Courage. Denn geistesgegenwärtig hatte sie, als der Täter zupackte, noch den Notknopf gedrückt, mit dem alle Taxen damals ausgestattet waren. Der Kollege in der Taxizentrale konnte so über Funk alles mithören.

Sofort sendete er einen Funkspruch an alle Leverkusener Taxen. Sie sollten Ausschau nach Taxi Nummer 55 halten, denn dort gebe es einen Notfall. Ein Fahrer erinnert sich, die Kollegin mit ihrem Wagen kurz zuvor in Schlebusch gesehen zu haben - und findet Taxi Nummer 55 tatsächlich im Nittumer Weg. Der Täter ist immer noch dort.

Als er den herannahenden Taxifahrer sieht, ergreift er die Flucht. N. wird mit lebensgefährlichen Verletzungen ins Krankenhaus gebracht und kann nach einer mehrstündigen Notoperation gerettet werden. Ärzte sagen später, der Umstand, dass sie bäuchlings im Schnee auf ihren Verletzungen lag und schnell gefunden wurde, habe dazu geführt, dass sie letztlich nicht verblutet ist und überlebt hat.

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Ein mysteriöser Anruf bei der Polizei

Während N. im Krankenhaus um ihr Leben ringt, geschieht etwas, das die Polizei bis heute nicht richtig einordnen kann: Drei Stunden nach der Tat wählt ein Mann aus einer Telefonzelle in Leverkusen-Wiesdorf die Nummer des Polizei-Notrufs und sagt, er wisse, wer "die Frau in Leverkusen umgebracht hat." Derjenige werde sich am nächsten Tag stellen. Der Anruf wird aufgezeichnet. Und gilt als wichtiges Indiz. Bis heute hofft die Cold-Case-Abteilung der Kölner Polizei, dass der Fall anhand dieser Stimme gelöst werden könnte.

"Wir würden vieles darum geben, würde sich diese Person bei uns melden", sagt Kerstin Nolte von der Polizei. Denn, die Polizei vermutet, dass es ein Mitwisser war, der kurz nach der Tat auf den Täter getroffen ist und noch heute mit seinem Wissen herumläuft. Möglicherweise, so Nolte, sei es aber auch der Täter selbst gewesen, der erreichen wollte, dass die Polizei in jener Nacht ihre Fahndungsbemühungen einstellt.

In jedem Fall können Hinweise zur Stimme des Täters, die auch im MordOrte-Video zu hören ist, zur Klärung des Falles beitragen. "Es gibt mehrere Hinweise darauf, dass es sich hierbei um die Stimme des Täters handelt", sagt Markus Weber, Leiter der Kölner Cold-Case-Abteilung. Denn N. hat die Stimme kurz nach ihrer OP als die des Täters identifiziert. Bei einer zweiten Anhörung später sei sie sich allerdings nicht mehr hundertprozentig sicher gewesen. Trotz alledem: Hinweise auf die Identität des Anrufers könnten entscheidend sein.

Phantombild des Täters: ein circa 20-25 Jahre alter Mann

Phantombild des Täters

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Die Spurenlage

Es gibt aber noch mehr Spuren. Der Täter hat sich nämlich nach der Tat seiner Jacke und seines Walkmans inklusive Kopfhörer entledigt, das Messer am Tatort liegen lassen und es gibt zwei Zeugen, die eine gute Täterbeschreibung abgeben konnten: das Opfer selbst und der herbeigeeilte Taxi-Kollege, der den Täter noch weglaufen sah. Aufgrund dieser Aussagen existiert heute auch ein aussagekräftiges Phantombild des damals circa 20 bis 25 Jahre alten Mannes. Die Cold-Case-Abteilung der Kölner Kripo sieht deshalb bis heute Chancen, den Fall aufzuklären. Dafür wendet sie sich auch immer wieder an die Öffentlichkeit, etwa im Juli 2023 in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY ungelöst". Und jetzt auf dem WDR Lokalzeit YouTube-Kanal "MordOrte".

Jacke eines gesuchten Messerangreifers

Die Jacke des Täters ist einer der wichtigen Hinweise auf ihn

Die Staatsanwaltschaft hat eine Belohnung von 5000 Euro ausgesetzt für Hinweise, die zur Ergreifung des Täters führen. Denn: Auch versuchter Mord verjährt nicht.