Wie eine Frau auf einen Liebesbetrüger hereinfiel - und ihn auflaufen ließ

Gelsenkirchen | Verbrechen

Stand: 12.01.2024, 12:36 Uhr

Ein Mann in Essen wird Opfer von Liebesbetrug im Internet. Sein Fall endet weit tragischer als nur mit dem Verlust von Geld. Susanne Berke kennt das Gefühl, von der vermeintlich großen Liebe betrogen worden zu sein. Was sie aus der Begegnung mit einem Love-Scammer gelernt hat.

Von Hamzi Ismail

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Uwe K.: Love-Scamming endet tödlich

Wie viel Geld kostet Aufmerksamkeit? Was sind einem schöne Worte wert? Und wie viel ist man bereit, für die wahre Liebe zu opfern? Uwe K. (Name von der Redaktion geändert) aus Essen, 55 Jahre alt, lernt im Sommer 2023 im Internet eine Person kennen. Der Kontakt intensiviert sich, es entstehen Gefühle. Doch die Internetbekanntschaft hat es lediglich auf sein Geld abgesehen.

Uwe K. soll ihr in einer misslichen Lage helfen. K. überweist eine hohe fünfstellige Summe, sein gesamtes Erspartes. Am darauffolgenden Tag ist alles vorbei, keine neuen Nachrichten mehr. Das Geld ist weg. Scham macht sich breit, Selbstvorwürfe, das Gefühl von Ohnmacht. K. will mit dieser Verantwortung nicht leben, wie er später in seinem Abschiedsbrief schreibt.

Der zweifache Vater tötet seine 19-jährige Tochter, stürzt sich danach vor einen fahrenden Zug und nimmt sich das Leben. WDR-Reporter Hamzi Ismail hat sich für das Lokalzeit Crime-Format "MordOrte" in den Fall eingearbeitet.

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Ein Betrüger im Yoga-Forum

Für Lokalzeit.de hat sich Ismail zudem mit Susanne Berke unterhalten. Die gebürtige Dortmunderin kommt 2019 mit einem Love-Scammer in Kontakt. Damals ist sie 58 Jahre alt, heißt noch Köllner mit Nachnamen. Sie hat einen festen Job, Tochter und Enkeltochter, lebt in einer Eigentumswohnung. Ein gefestigtes Umfeld.

Zwei Jahre zuvor war sie schwer erkrankt und begann, zu meditieren. Dafür meldete sie sich auch bei einer entsprechenden Online-Plattform an. Dort trifft sie auf viele Gleichgesinnte - und auf einen Betrüger. Ein Love-Scammer versucht, sie hereinzulegen. Noch im selben Jahr schreibt sie das Buch "Mein virtueller Märchenprinz" über ihre Erfahrungen. Inzwischen lebt Berke in Gelsenkirchen und hat ihr Glück tatsächlich noch gefunden und geheiratet.

Lokalzeit: Sie haben Erfahrungen mit einem Liebesbetrüger im Internet gemacht. Wie kam es dazu?

Susanne Berke: Im Sommer 2019 wurde ich auf dem Meditations-Portal von einem Mann angeschrieben. Das Gespräch fing harmlos an, ging aber schnell in eine privatere Richtung. Die Person schrieb mir jeden Tag, schickte mir Kuss-Smileys und viele schmeichelnde Worte. Erst fand ich das spannend. Es war ein kleines Abenteuer für mich.

Susanne Berke schrieb über ihre Erfahrungen ein Buch: "Mein virtueller Märchenprinz" | Bildquelle: WDR

Lokalzeit: Wie ging es weiter?

Berke: Nach etwa zehn Tagen ging es plötzlich um das Thema Geld. Er erzählte mir von einem beruflichen Projekt, für das ich ihm mehrere Tausend Euro leihen sollte. Ich sagte ihm, dass ich nichts habe, was ich ihm geben könne. Er schlug mir daraufhin vor, meine Rentenversicherung auflösen oder einen Kredit aufzunehmen, um an das Geld zu kommen.

Lokalzeit: Haben Sie das getan?

Berke: Nein, das kam für mich nicht infrage. Ich fand dann auch heraus, dass die Person im gleichen Zeitraum mit meiner Schwester geschrieben hatte. Er schickte ihr fast die gleichen Liebesschwüre und Nachrichten wie mir. Spätestens jetzt war mir klar, dass diese Person, die sich als 51-jähriger US-Amerikaner ausgab, ein Liebesbetrüger ist, ein sogenannter Love-Scammer.

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Konfrontation: Wie reagiert ein Love-Scammer?

Lokalzeit: Was hat das mit Ihnen gemacht, als Sie realisiert haben: Das war alles fake?

Berke: Da gab es eine ganze Reihe von Gefühlen. Ich war natürlich ziemlich wütend, gleichzeitig aber auch unglaublich enttäuscht. Enttäuscht von mir selbst, dass ich auf so etwas hereingefallen bin. Das ist von außen vielleicht schwer nachzuvollziehen. Seine Worte haben mir damals sehr geschmeichelt, die Gespräche mir regelrecht den Kopf verdreht. Geliebt zu werden, das war natürlich ein schönes Gefühl. Als ich dann realisiert habe, was sein eigentliches Ziel ist, habe ich mich wahnsinnig geschämt.

Lokalzeit: Sie waren also empfänglich für seine Worte?

Berke: Ja, ich war empfänglich. Nach einer langen und sehr festgefahrenen Beziehung fand ich so ein Abenteuer ganz spaßig. Der Love-Scammer hat mich in Sicherheit gewogen. Er hat mir Gefühl vermittelt, ihm wirklich etwas zu bedeuten. Einmal schrieb er mir sogar, er habe ein Ticket nach Deutschland gekauft, um mich zu besuchen. Im ersten Moment machte mir das Angst, gleichzeitig war ich sehr geschmeichelt. Da nimmt jemand so eine Reise auf sich, um mich zu sehen. Am Ende erfand er natürlich eine Ausrede, er habe zu viel auf der Arbeit zu tun und müsse den Flug stornieren.

Lokalzeit: Wie endete die Geschichte mit Ihrem Love-Scammer?

Berke: Ich habe ihm irgendwann auf den Kopf zugesagt, dass er ein Betrüger ist. Daraufhin schickte er mir ein Foto seines Passes. Ich sollte mich in Sicherheit wiegen. Glücklicherweise habe ich als Mitarbeiterin im öffentlichen Dienst Erfahrung im Umgang mit solchen Dokumenten. Innerhalb von Sekunden war mir klar: Der ist gefälscht. Er fragte mich, was ich davon halten würde, dass er in Wahrheit ein 25-jähriger Mann aus Afrika sei. Ich schrieb ihm, dass ich damit kein Problem hätte, doch kein Interesse mehr daran habe, mich verarschen zu lassen. Ich habe den Kontakt an der Stelle abgebrochen.

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Woran erkennt man Love-Scammer?

Lokalzeit: Wie sind Sie mit dieser Erfahrung, dem versuchten Liebesbetrug, umgegangen?

Berke: Ich habe mich entschieden, offensiv damit umzugehen. Erst habe ich es im Bekanntenkreis erzählt und viel für mich aufgeschrieben. Meine Schwester hat mir Mut gemacht, es auch öffentlich zu thematisieren. Von ihr stammt auch die Idee, meine Gedanken und Gefühle aufzuschreiben, um hinterher ein Buch daraus zu machen. Das habe ich getan, um anderen Frauen und Männern die Augen zu öffnen und vor Liebesbetrug im Internet zu warnen.

Lokalzeit: Was raten Sie Menschen und Betroffenen, woran erkennt man solche Love-Scammer?

Berke: Man sollte auf seinen Menschenverstand hören und ein gesundes Misstrauen haben. Hinterfragen Sie Aussagen der Person kritisch. Pochen Sie zügig auf ein persönliches Kennenlernen oder zumindest einen Videoanruf. Liebesbetrüger werden das immer ablehnen, um nicht aufzufliegen. Und das Wichtigste: auf keinen Fall Geld überweisen, keinen einzigen Cent.