Ansgar Santel ist auf dem Weg zu einer Fallbesprechung. Der Sozialarbeiter der Jugendhilfe Münster geht über den Flur, vorbei an den direkt benachbarten Büros der Staatsanwältinnen und der Kriminalpolizei. So dicht zusammen arbeiten die drei Behörden in Münster erst, seitdem es das "Haus des Jugendrechts" gibt
"Guten Morgen, heute geht es um den Fall von Max", eröffnet Sozialarbeiter Santel die Konferenz mit Kripo und Staatsanwaltschaft. "Max ist 17 Jahre und die Staatsanwaltschaft hat seinen Fall hier eingebracht." Dann referiert die Staatsanwältin eine lange Liste von immerhin 48 Straftaten – Körperverletzung, Diebstahl, Drogenhandel, die alle auf Max Konto gehen. "Einmal quer durchs Strafgesetzbuch", sagt die Juristin.
Allein in Münster registrierte die Polizei im Jahr 2021 1.534 Straftaten, die von jungen Menschen zwischen 14 und 21 Jahren begangen wurden. 2022 waren es schon 2.062. Allerdings sind die Zahlen der Kinder- und Jugendkriminalität in ganz NRW gestiegen. Laut der Kriminalitätsstatistik 2022 gab es rund 500.000 Tatverdächtige, davon ist jeder Fünfte unter 21 Jahre gewesen. Vor allem Kinder sind demnach mit einem Anteil von 20 Prozent häufig tatverdächtig.
Um diesem Problem besser begegnen zu können, wurden die sogenannten "Häuser für Jugendrecht" entwickelt. Darin kommen Jugendhilfe, Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei in einer Art Wohngemeinschaft zusammen. Es gibt inzwischen nicht nur in Münster, sondern auch in Köln, Paderborn, Dortmund, Oberhausen und Essen. Der Vorteil: Abläufe, die vorher langwierig und getrennt voneinander abliefen, können in diesen Einrichtungen schnell und vernetzt passieren.
Immer mehr Straftaten durch Jugendliche
Anfang 2022 wurde das "Haus des Jugendrechts" in Münster eröffnet. Seitdem wurden 13 junge Menschen als Intensivtäter aufgenommen. Das klingt wenig, ist es aber nicht. Immerhin haben diese 13 Jugendlichen zusammen 426 Straftaten begangen, die alle einzeln untersucht werden müssen. Das Ziel ist der "Häuser für Jugendrecht" ist dabei immer, junge Straftäter frühzeitig in den Blick zu nehmen und ihnen in ein straffreies Leben zurückzuverhelfen.
Neben Strafe auch Hilfe für junge Intensivtäter
Wenn Jugendliche straffällig werden, habe das oft persönliche Gründe, so Sozialarbeiter Santel: Trennung der Eltern, Probleme in der Schule oder bei der Arbeit könnten Auslöser sein. "Wir versuchen, mit den Jugendlichen in Kontakt zu kommen und schauen dann, wie wir sie selbst und auch ihre Eltern unterstützen können", sagt Santel. Dabei sei es ein großer Vorteil, dass es einen direkten Draht zur Kripo und Staatsanwaltschaft im Büro nebenan gebe.
Und nach einem guten Jahr "Haus des Jugendrechts" in Münster ziehen hier alle eine positive Bilanz. "Wenn ein junger Täter zur Vernehmung kommt", erzählt die Kripo-Beamtin Monika Hahn, "gehe ich schon vorher zur Jugendhilfe und spreche mit denen unser Vorgehen ab."
13 solcher Fälle gab es hier bislang. Ob diese jungen Menschen aus ihrem kriminellen Leben herausfinden, lässt sich noch nicht sagen. Aber die Hoffnung darauf ist größer geworden.
Über dieses Thema berichteten wir auch im WDR-Fernsehen am 09.05.2023: Lokalzeit Münsterland, 19:30 Uhr.