Hollywoodreif: So lief der Raub des Kölner Domschatzes

Köln | Verbrechen

Stand: 23.02.2024, 15:58 Uhr

Der Raub des Kölner Domschatzes ist ein Kriminalfall wie aus einem Film. Im November 1975 werden mehrere kostbare Gegenstände aus der Schatzkammer des Doms gestohlen. Ein Millionenschaden. Wer steckt dahinter? Und wird der Schatz am Ende gefunden?

Von Jana Brauer

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Millionen-Diebstahl im Kölner Dom

Es ist eine kalte und regnerische Novembernacht im Jahr 1975. Die Nacht von Allerheiligen auf Allerseelen. Dunkelheit umhüllt den Kölner Dom. In der Kirche drehen zwei Aufseher ihre Kontrollrunde. Während sich der eine von ihnen um ein paar Kerzen kümmert, setzt der andere seine Runde alleine fort. Es ist kurz vor halb eins, als er plötzlich ein Geräusch hört. Es dringt durch eine Tür, hinter der es eigentlich mucksmäuschenstill sein sollte. Es ist die Tür der Schatzkammer.

Da die Tür verschlossen ist und die Aufseher keinen Schlüssel haben, informieren sie den Küster. Wenig später schließt er die Schatzkammer auf. Die drei Männer treten ein und sind geschockt. Einige Vitrinen wurden aufgebrochen und leer geräumt. Sie realisieren: Die Kölner Domschatzkammer wurde ausgeraubt. Der oder die Täter sind nicht mehr im Raum.

Aufnahmen kurz nach dem Raub in der Schatzkammer 1975 (Archiv) 00:37 Min. Verfügbar bis 23.02.2026

Die Nacht ist der Auftakt eines spektakulären Kriminalfalls, der die Ermittler jahrelang beschäftigen wird. Ein Fall, der als Drehbuch für einen Film durchgehen könnte. 15 kostbare und teilweise jahrhundertealte Kunstgegenstände wurden in dieser Nacht aus der Schatzkammer gestohlen. Stücke aus Gold, besetzt mit unzähligen Edelsteinen. Darunter mehrere Monstranzen, Schmuck und eine sogenannte Kusstafel. Sie gilt als eines der kostbarsten Stücke in der Kammer. Der Wert der Beute wird auf mehrere Millionen D-Mark geschätzt.

Die gestohlene "Kusstafel" aus Gold, verziert mit Perlen, Rubinen, Saphiren und Diamanten (Archiv) | Bildquelle: dpa
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Wie gelangte der Täter in die Schatzkammer?

Die Schatzkammer galt als streng gesichert. Sie ist ausgestattet mit mehreren Alarmanlagen. Wie also war der Einbruch möglich? Als die Polizei in der Nacht eintrifft, sind diese Fragen schnell geklärt. Am Ende einer etwa fünf Meter hohen Wand klafft ein Loch, aus dem ein Seil hängt. Ein Lüftungsschacht. Der Durchmesser beträgt etwa 40 Zentimeter. Das mit einem Alarmsystem ausgestattete Gitter vor dem Schacht ist geschickt entfernt worden. Im Anschluss kletterte der Täter hindurch und seilte sich in die Schatzkammer ab.

Die Polizei beginnt, zu ermitteln. Oberstaatsanwältin Maria Therese Mösch übernimmt den Fall. Sie gilt als sehr engagiert, ist in der Unterwelt auch als "Bloody Mary" bekannt. "Vor den Dom hat man einen Vernehmungswagen hingestellt. 40 Beamte waren mit dem Fall beschäftigt", erinnert sie sich in der WDR-Dokumentation "Der Raub des Kölner Domschatzes". Zeugen liefern den Beamten die Beschreibung zweier mutmaßlicher Täter. Nach ihnen wird unter anderem mit Flugblättern gefahndet. Die Ermittler haben inzwischen ein genaues Bild, wie der Einbruch abgelaufen sein muss:

Aufnahmen von 1975: So sind die Diebe in die Schatzkammer eingedrungen (Archiv) 00:33 Min. Verfügbar bis 23.02.2026

Einem Kommissar fallen Parallelen zu einem anderen Kirchenraub auf. Nur wenige hundert Meter vom Kölner Dom entfernt wurde 1972 in die Kirche St. Mariä Himmelfahrt eingebrochen und Schätze im Wert von 500.000 D-Mark gestohlen. Damals soll der Kunsthändler und Maler Ljubomir E. Hehlerware aufgekauft haben. Die Polizei fährt zur Wohnung des Mannes.

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Tatverdächtige? Ja. Beweise? Nein.

In der Wohnung von Ljubomir E. treffen die Beamten auf zwei weitere Männer: Vilijam D. und Borislav T. Wohnung und Keller werden durchsucht, jedoch ohne Erfolg. Kein Domschatz. Erst viel später wird den Beamten klar werden: Die Einbrecherbande stand direkt vor ihnen. Und auch der Domschatz war zum Greifen nah - versteckt in einem Koffer im Keller. Erst einmal ziehen sich die Ermittlungen hin. Der Hauptverdächtige Ljubomir E. setzt sich in seine Heimat Belgrad ab. Auch die beiden Männer, die die Polizei bei ihm antraf, gelten als Tatverdächtige. Doch für alle drei fehlen Beweise. Und vor allem fehlt jede Spur des Schatzes.

Ein damaliger Ermittler und Oberstaatsanwältin Mösch im Interview zum Fall (Archiv) 00:19 Min. Verfügbar bis 23.02.2026

Dann kommt es zu einer unerwarteten Wendung: In den Briefkasten des Dompropstes werden zwei kleine Engel eingeworfen, die zu einem der gestohlenen Gegenstände aus der Domschatzkammer gehören. Die Polizei durchsucht daraufhin noch einmal die Wohnung von Ljubomir E. und wird fündig. Sie entdecken den Entwurf eines Erpresserbriefs. Eine Million D-Mark im Tausch gegen den Domschatz. Als Beweis, dass der Schreiber des Briefes den Schatz wirklich hat, will er einen Ring abgeben. Da die Polizei von diesem Ring bislang nie in der Öffentlichkeit gesprochen hat, ist klar: Es handelt sich um Täterwissen.

Doch auch dieses Mal redet Ljubomir E. sich heraus, streitet alles ab und kommt nach einer kurzen Untersuchungshaft wieder frei. Die Ermittlungen befinden sich in einer Sackgasse und drohen schließlich eingestellt zu werden. Doch Oberstaatsanwältin Maria Therese Mösch will die Ermittlungen weiterführen. Sie stimmt außerdem zu, einen Geheimagenten einzuschalten.

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Auftritt Agent Mauss

Werner Mauss stammt aus Essen und ist in den vergangenen Jahrzehnten in zahlreiche Kriminalfälle verwickelt gewesen. Zuletzt stand er wegen Steuerhinterziehung jedoch selbst vor Gericht. Mauss gibt sich damals im italienischen Triest als Hehler aus und gewinnt das Vertrauen der beiden Tatverdächtigen Vilijam D. und Borislav T., die sich dort aufhalten. Schließlich erzählen sie ihm vom Raub, teilen Details zur Tatnacht mit ihm und erklären sich bereit, ihm einen Teil des Schatzes zu verkaufen. Bei der Übergabe im Juni 1976 schlägt die Polizei zu.

Im Auto der Männer werden eingeschmolzene Goldklumpen und zahlreiche Edelsteine gefunden. Es ist ein trauriger Rest, der von den prunkvollen Gegenständen aus der Schatzkammer geblieben ist. Die Männer gestehen und endlich setzten sich die letzten Puzzleteile der Tat zusammen. Ljubomir E. hat die beiden damals beauftragt. Sie sagen, dass sie bis kurz vorher nicht wussten, wo der Einbruch stattfinden sollte. Als sie erfahren, dass es um den Dom, eine katholische Kirche geht, zögern sie. "Die wollten das gar nicht. Die sagten: Nein, wir sind katholisch, tun wir nicht. Aber er hat sie überzeugt", erzählt die damalige Oberstaatsanwältin Maria Therese Mösch.

Ljubomir E. gibt den beiden eine Art Katalog mit, in dem die Gegenstände angekreuzt sind, die er gestohlen haben möchte. Ausgerüstet mit einem Seil, einer Strickleiter, Werkzeug und einer Stirnlampe verschaffen sie sich Zugang zur Schatzkammer. Der schlanke Borislav T. klettert durch den Lüftungsschacht und verstaut seine Beute in einem Sack. Diesen verstecken sie bei ihrer Flucht in ein paar Sträuchern in unmittelbarer Nähe des Doms und holen ihn erst etwas später wieder ab.

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Der finale Zugriff

Mithilfe von Agent Mauss und Interpol wird schließlich auch Ljubomir E. angelockt und in Italien festgenommen. In seinem Haus in Belgrad werden weitere Klumpen Gold und Edelsteine gefunden. Während seine Komplizen bereits im Dezember 1976 vor Gericht stehen und zu fünf Jahren Haft verurteilt werden, beginnt der Prozess gegen Ljubomir E. erst im März 1978. Er leugnet die Tat bis zuletzt, wird aber trotzdem zu siebeneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

Eine inszenierte Verkehrskontrolle samt Unfall, ein Fluchtversuch aus einem fahrenden Zug - allein mit den Details zu den Undercover-Ermittlungen ließe sich ein Buch füllen. In der WDR Dokumentation "Der Raub des Kölner Domschatzes" werden die Irrungen und Wirrungen im Detail beschrieben.

Jahrelang arbeitet der Goldschmied an einer Nachbildung der kostbaren Monstranz (Archiv) | Bildquelle: dpa

Auch wenn der Fall am Ende aufgeklärt werden konnte: Die Domschätze konnten nicht gerettet werden. Zehn Prozent der Beute tauchte nie wieder auf. Zehn Jahre lang arbeitete der Domgoldschmied daran, eine der Monstranzen, die Prunkmonstranz, aus ihren Überbleibseln anhand von Fotos zu rekonstruieren. Dazu sendeten auch Besucherinnen und Besucher der Schatzkammer Bilder ein.

Über dieses Thema berichten wir auch im WDR-Fernsehen am 23.02.2023: Heimatflimmern, 20:15 Uhr.