Ein junger Mann mit zerzausten braunen Locken und Vollbart steht in einem zur Werkstatt umfunktionierten Transporter und lächtelt in die Kamera

Schrauben statt Schreibtisch: Der mobile Fahrradservice im Rheinland

Rhein-Sieg-Kreis | Unterwegs

Stand: 14.02.2025, 06:50 Uhr

NRW erlebt einen Fahrrad-Boom - doch was, wenn das Rad kaputtgeht? Reparaturtermine sind oft schwer zu bekommen, Werkstätten überlastet. Lukas Plagemann bringt seine Fahrrad-Werkstatt einfach direkt zu den Menschen. Sein Van ist randvoll mit Werkzeug, sein Terminkalender über Wochen ausgebucht.

Von Marc-André Schröter

Es ist kalt an diesem Morgen um kurz vor 7 Uhr in Alfter im Rhein-Sieg-Kreis. Während Lukas Plagemann die letzten Werkzeuge in seinen vollen Van einsortiert, kondensiert sein Atem zu eisigem Nebel. Von innen sieht der Van aus wie eine ganze Werkstatt. An den Wänden hängen Zangen, Inbus- und Schraubenschlüssel, in den Schubladen darunter ist noch mehr Werkzeug. Der 33-Jährige ist früh unterwegs, sechs Kunden mit ihren Rädern liegen vor ihm. "Ich hab mit den Kunden im Vorfeld schon telefoniert und weiß, was auf mich zukommt. Trotzdem sind oft Überraschungen dabei", sagt er, während er den Van aus seiner Garageneinfahrt in Richtung Rheinbach fährt.

Fahrrad-Boom in NRW: Warum es so schwer ist, einen Reparaturtermin zu bekommen

Plagemanns Reparaturen sind gefragt wie nie. Denn immer mehr Menschen in NRW besitzen ein Fahrrad. Laut Statistischem Landesamt steigt die Zahl der Fahrräder mit und ohne Motor seit Jahren an. Inzwischen gibt es mehr 560.000 Elektro-Räder und etwa 1,2 Millionen Räder ohne Motor in den NRW-Haushalten. Der Trend zeigt sich auch Deutschlandweit: Seit der Corona-Pandemie hat sich der Umsatz der Fahrrad-Branche im Vergleich zu den Jahren davor fast verdoppelt. Im Schnitt rund sieben Milliarden Euro geben die Deutschen seit 2020 pro Jahr aus - vor allem für E-Bikes. Termine für Reparatur und Wartung sind aufgrund der gestiegenen Nachfrage deshalb häufig mit viel Vorlauf verbunden. Plagemann ist sogar im Winter bis zwei Wochen im Voraus ausgebucht.

Ein junger Mann mit lockigen braunen Haaren und dunkelblauer Winterjacke sitzt in einer kleinen Werkstatt und schaut auf einen Laptop

Auch Büroarbeiten macht Lukas Plagemann direkt aus dem Van

Nicht genau zu wissen, was der Tag bringen wird, sei für ihn jedes Mal eine aufregende Herausforderung, sagt Plagemann. Dabei sah es lange nicht so aus, als würde der 33-Jährige einmal Räder reparieren. Während er seinen weißen Van über eine Bundesstraße lenkt, erzählt er von einem abgebrochenen Elektrotechnik-Studium und eine Lehre als Bio-Landwirt. Auch dort wird er nicht glücklich. Da sein Vater immer schon nebenbei Fahrräder reparierte, kam er auf die Idee, die sein Leben auf den Kopf stellen sollte.

Was Lukas Plagemann an seiner Arbeit schätzt

00:27 Min. Verfügbar bis 15.02.2027

Als Lukas Plagemann bei seinem ersten Kunden ankommt, ist es noch immer dunkel. Vor einem Mehrfamilienhaus steht ein älterer Mann mit E-Bike. Er heißt Andreas Nolden und nutzt sein E-Bike fast täglich. Allerdings ist die letzte Inspektion schon zwei Jahre her. "Ich müsste das Rad wieder viele Kilometer bis zum Händler fahren. Das ist so lästig, dass ich es immer aufgeschoben habe", sagt Nolden.

Ein unerwarteter Erfolg

Als Plagemann vor fünf Jahren nur mit einer kleinen Werkzeugkiste im Auto neben der Ausbildung anfing, hätte er nie gedacht, wie gut das Geschäft einmal laufen würde. Er macht seinen Meister als Rad-Mechaniker und baut seinen Van aus. Mittlerweile betreibt ein Solar-Panel auf dem Dach sein eigenes kleines Büro. Rechnungen kann er von unterwegs aus stellen und drucken. Auch finanziell hat sich der Schritt in die Selbstständigkeit gelohnt.

  • Waschen, Schneiden, Parken: Auch Mahmoud Kojak arbeitet in einem umgebauten Van. Die Geschichte des mobilen Friseursalons liest du hier.

Nach rund 45 Minuten ist das E-Bike fertig und Plagemann fährt zur nächsten Kundin. Diesmal schlägt er seine mobile Werkstatt direkt im Zentrum von Rheinbach auf. Ein Holland-Rad ist dran, es stand lange draußen und wie bei fast jedem Rad fehlt der Kette Öl und den Reifen Luft. Die Türen seines Vans sind auch bei zwei Grad im Winter immer offen. "Ich mag dieses Camper-Feeling. Letztens hat sich eine Familie eine Bank geschnappt und sich hinter das Auto gesetzt und mir zugeschaut", erinnert er sich.

Wie sieht es aus, wenn Lukas Plagemann in seinem Van arbeitet?

00:21 Min. Verfügbar bis 15.02.2027

Ob er den mobilen Van einmal gegen eine feste Werkstatt tauschen will? Plagemann schüttelt heftig den Kopf. Dafür hat er noch zu viele Ideen und Pläne mit seiner mobilen Werkstatt. Zum Beispiel will er mehr mit Schulen zusammenarbeiten. Bei einer Bornheimer Gesamtschule hat er bald schon seinen ersten Termin. Auf dem Pausenhof wird er dort mit seiner mobilen Werkstatt den Kindern beibringen, ihr Rad selbst zu reparieren. "Denn jedes Rad hat es verdient, möglichst lange gefahren zu werden", sagt Plagemann, steigt wieder in den Van und gibt die nächste Kundenadresse in sein Navi ein.

Über dieses Thema haben wir am 11.02.2025 auch im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit Bonn, 19:30 Uhr.