Kluterthöhle in Ennepetal: Nichts für Menschen mit Klaustrophobie 00:48 Min. Verfügbar bis 09.01.2027

Die Geheimnisse der Kluterthöhle: Der nächsten Sensation auf der Spur

Ennepe-Ruhr-Kreis | Unterwegs

Stand: 09.01.2025, 07:36 Uhr

Von Neugier getrieben entdecken Höhlenforscher in Ennepetal im Sommer 2024 eine Verbindung von der Kluterthöhle in ein weiteres Höhlensystem. Doch das ist nicht die einzige Sensation. Was die Entdecker rund um den "Arbeitskreis Kluterthöhle" dabei antreibt, der Erde immer mehr Geheimnisse zu entlocken.

Von Daniel Chur

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Der Durchbruch

Es ist der Moment, auf den sie so lange gewartet haben. Vier Männer in schmutzigen Overalls, mit Helmen und Rucksäcken stehen Anfang August tief im Ennepetaler Klutertberg. Über einen Kilometer lang hatten sie sich Woche für Woche weiter durch enge Spalten gequetscht, mussten über Geröll klettern, sich abseilen, instabile Durchgänge provisorisch absichern. Eine lange und beschwerliche Reise. Und jetzt stehen sie vor dieser Spalte, die womöglich der Durchbruch sein könnte. Der Durchbruch zur Kluterthöhle.

Seit 1976 gibt es in Ennepetal den "Arbeitskreis Kluterthöhle" als Verein, der sich dem Erhalt der Höhle widmet und auch nach neuen Höhlen in Ennepetal und ganz Nordrhein-Westfalen forscht. Viele Jahre schon tun sie das so professionell, dass zahlreiche Hochschulen, Forschungsstellen und das Land NRW mit ihnen zusammenarbeiten. All das hat stark mit dem Vorsitzenden des Vereins zu tun: Stefan Voigt.

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Die Kluterthöhle und ihr Chef-Entdecker

Voigt ist einer der vier Männer, die nun vor der Spalte stehen. Er hatte besonders lange auf diesen Moment im sogenannten "Hackerloch" hingefiebert. Das Hackerloch ist eine Höhle neben der Kluterthöhle, deren Zugang der Verein zwar schon vor Jahren entdeckt hatte, mit der ausführlichen Erforschung aber erst Anfang 2024 begonnen hatte. "Für mich war immer klar, die Höhlen sind miteinander verbunden", so Voigt.

Das Team des Arbeitskreis Kluterthöhle: Detlef Wegener, Christian Schmoll, Stefan Voigt und Jens Asbeck | Bildquelle: WDR / Daniel Chur

Der 61-Jährige, der im "oberirdischen" Leben eine Gartenbaufirma betreibt, ist seit Ende der 1970er-Jahre im Verein. Zahlreiche Höhlen auf der ganzen Welt hat er schon erforscht. Erst vor wenigen Jahren machten er und seine Vereinskollegen große Schlagzeilen, als sie in Engelskirchen das "Windloch" entdeckten. Die achteinhalb Kilometer lange Höhle im Bergischen Land gilt als eine der größten in Deutschland und als wissenschaftliche Sensation.

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Auf der Schwelle zur Sensation

Die nächste Sensation könnte nun hinter der Spalte im Hackerloch liegen. Wenn sie tatsächlich die Verbindung zur Kluterthöhle sein sollte, dann würden beide Höhlen zu einem Höhlensystem. Und das hieße: Die Kluterthöhle würde von 5850 Metern auf mehr als sieben Kilometer wachsen. Voigt will es nun wissen. Er legt sich in die Spalte, aus der ein Luftzug kommt, und riecht den typischen Geruch der Kluterthöhle. Weil die Spalte aber zu eng zum Durchklettern ist, werfen die vier Forscher zum Test ein Reststück Flatterband in die Spalte. Und tatsächlich: Dieses Stück landet auf einem Gang in der Kluterthöhle.

Stefan Voigt über das Glücksgefühl bei der neuen Entdeckung 00:56 Min. Verfügbar bis 09.01.2027

Die gefundene Verbindung der Höhlen ist die eine Sensation. Die Entdeckungen im Hackerloch sind womöglich aber noch die viel größere: Die Forscher stießen auf mehrere große Hallen, teilweise vier Meter hoch und über zehn Meter breit. Voigt, ein religiöser Mensch, und seine Mitstreiter gaben den Orten Namen wie "Gottes-Segen-Tunnel". Oder "Olympiahalle", weil zum Zeitpunkt der Entdeckung die Olympischen Spiele liefen. Tropfsteine fanden sie in der Höhle, Versteinerungen und sogar unterirdische Seen. Reichlich Material für die Wissenschaft. Für Besucher wird das aber künftig nur virtuell erlebbar sein, im Info-Center neben der Kluterthöhle. Mehr über einen Ausflug in die Kluterthöhle findest du hier.

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"Der erste Mensch hier"

Wie ist das Gefühl, eine Entdeckung wie das Hackerloch zu machen? "Du denkst in dem Moment gar nichts mehr. Du kannst auch nicht reden. Das ist einfach Ehrfurcht", sagt Voigts Vereinskollege Detlef Wegener. "Dieses Entdeckerfeeling", ergänzt Voigt, "ich glaube, es gibt kein Gefühl auf der Erde, was geiler ist, als: Du gehst in so einen Raum und weißt, du bist der erste Mensch hier." Die Faszination, die Voigt und seine Kollegen ausströmen, steckt an. Etwa 200 Mitglieder sind aktuell in dem Ennepetaler Verein, fünfzig davon arbeiten aktiv in der Höhlenerforschung und -pflege mit.

Stefan Voigt beschreibt, was ihn und die anderen Vereinsmitglieder antreibt 00:47 Min. Verfügbar bis 09.01.2027

Seit einigen Jahren hat der Arbeitskreis Kluterthöhle zusätzlichen Rückenwind. Denn das Ennepetaler Höhlensystem wurde vom Land als "Nationales Naturmonument" unter besonderen Schutz gestellt. Voigt, den man zu allen Terminen entweder nur in Motorradkluft oder Overall sieht, betrachtet solche Titel aber nicht nur als reine Ehrung: "Das sind vor allem Türöffner für neue Projekte." Gleiches gelte für das Bundesverdienstkreuz, das er 2018 für sein Engagement für Höhlenforschung und -schutz bekommen hat.

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Begeistert sein und begeistern

Denn die Titel machen viele Fördergelder frei. Damit finanzierten sie zum Beispiel die Renaturierung einiger Nachbarhöhlen neben der Kluterthöhle, die im Zweiten Weltkrieg als Bunker benutzt wurden. Wahrscheinlich würde er aber auch ganz ohne Titel einen Großteil seiner Projekte umsetzen, durch reine Überzeugungskraft.

Die Entdeckung des Höhlenteils ist eine kleine Sensation | Bildquelle: WDR / Daniel Chur

Ähnlich angespornt und vorangetrieben habe ihr Vorsitzender auch die Erforschung des Hackerlochs im vergangenen Jahr, sagt Vereinsmitglied Christian Schmoll: "Da hätten viele von abgeraten, dort zu graben. Aber wenn Stefan das sagt, dann ist da auch was zu finden." Voigt sei von Neugier getrieben, sagt Schmoll: "Er war mal mit seiner Frau im Urlaub, als wir hier gerade einen neuen Gang gefunden haben. Als wir ihm das schrieben, hat seine Frau ihn bitterernst gefragt: Müssen wir jetzt nach Hause fahren?" Mussten sie nicht.

Die Kluterthöhle

  • Die Kluterthöhle zeigt die Überreste von einem Korallenriff, das vor 385 Millionen Jahren dort existierte, als NRW noch von einem Meer bedeckt war
  • Die Höhle selbst bildete sich erst vor 66 Millionen Jahren
  • 1884 wurde die Kluterthöhle zur Schauhöhle, erste Führungen fanden statt
  • Seit 2019 gilt die Kluterthöhle als "Nationales Naturmonument"
  • Mit jetzt über sieben Kilometer Länge hat die Kluterthöhle die Atta-Höhle im Sauerland als längste Schauhöhle in NRW abgelöst
  • Womöglich wächst sie noch weiter: Der Arbeitskreis Kluterthöhle forscht bald nach einer Verbindung zur benachbarten Bismarckhöhle in Ennepetal

Verändert der Blick unter die Erde eigentlich den Blick auf die Erde? Ja, sagt Voigt: "Du siehst, wie rabiat sich über Millionen Jahren die Erde schon verändert hat. Du merkst, wie klein der Mensch ist. Und: Alles ist endlich."