Atta-Höhle: Ein Meisterwerk der Natur und Besuchermagnet
Draußen sind die Stimmen der Besucher zu hören. Die Atta-Höhle liegt mitten im Ort. Typisch für eine Touristenattraktion sieht man zunächst ein Restaurant und einen Souvenir-Laden. Ein paar Besucher unterhalten sich angeregt, bevor sie in die Höhle gehen. Doch in dem Moment, in dem sie durch das Eingangstor zur Höhle in Attendorn treten, verstummen sie. Der Eintritt in das geologische Gewölbe verschlägt ihnen die Sprache. Es sind die mystischen Tropfsteingebilde, ihre Formen, Farben, die Luft und die Stille in der Höhle. Der Eintritt in eine andere Welt.
Außer den Geräuschen der Führungen hört man nur ein leises Plätschern, wenn die Wassertropfen auf die Steine fallen. Hier in der Höhle sind immer eisige neun Grad. Jahreszeiten und Wetter haben keine Auswirkungen auf sie. Ein Menschenleben reicht nicht aus, um Veränderungen zu sehen. Denn ein Tropfstein wächst in zehn Jahren nur einen Millimeter. Diese Skulpturen, vor denen die Besucher stehen, sind Millionen Jahre alt. Bis zu 200.000 von ihnen kommen nach Angaben der Besitzer im Jahr nach Attendorn, was die Höhle zu einer der meistbesuchten in ganz Deutschland macht.
1800 Meter voller mystischer Tropfsteine
Die Atta-Höhle im Kreis Olpe ist heute gut begehbar. Von den sieben Kilometern der Tropfsteinhöhle sind etwa 1,8 Kilometer für Besucher zugänglich. Die Höhle ist damit die größte Tropfsteinhöhle in NRW und auch eine der größten in Deutschland. Für Wolfgang Böhmer ist sie auch die Schönste. "Diese Vielfalt und Anzahl findet man so in keiner anderen Höhle", sagt er. Der 71-Jährige kennt die Atta-Höhle in- und auswendig, denn: Jeder Quadratmeter davon gehört seiner Familie. "Das ist nicht einfach ein Kunstwerk in einem Museum, sondern etwas, das die Natur erschaffen hat. Für mich ist das ein einzigartiges Stück Erde. Ich bin seit 60 Jahren begeistert."
Wie die Höhle durch Zufall zum Familienbesitz wurde
Wer Böhmers Worte hört, fragt sich, wie es da erst seinem Urgroßvater im Jahr 1907 erging? Er war Inhaber der Biggetaler Kalkwerke. Bei Sprengungen zur Kalkgewinnung legten seine Mitarbeiter zufällig einen Felsspalt und damit einen Eingang zur Atta-Höhle frei. Die Arbeiter krochen durch den Spalt und was sich ihnen offenbarte, war eine Sensation. Böhmers Urgroßvater war begeistert. Er baute die Atta-Höhle aus, die riesigen Tropfsteingebilde wurden begehbar.
Wie entstehen Tropfsteinhöhlen?
Tropfsteinhöhlen kommen ausschließlich in Kalkgebirgen vor. Sie entstehen, wenn Regenwasser in den Boden sickert. Das Wasser wirkt auf den Kalk wie eine Säure und höhlt das Gestein aus. Dadurch entstehen die Hohlräume tief unter der Erde. Die bizarr geformten Skulpturen in den Höhlen entstehen über Millionen von Jahren durch kleine Wassertropfen. Diese bleiben an der Decke und Wänden hängen oder fallen auf den Boden. Wenn sie verdunsten, bleibt eine dünne Kalkschicht zurück. Die Tropfsteine, die von der Decke hängen, nennt man Stalaktiten. Die Gegenstücke, die am Boden wachsen, heißen Stalagmiten.
Aber wie kann es sein, dass dieses geologische Wunderwerk weiterhin in privatem Besitz ist? Es wäre doch durchaus denkbar, dass der Staat Ansprüche stellen würde. "In Bergwerken, wo abgebaut und geschürft wird, hat Vater Staat teilweise die Hand drauf", erklärt Böhmer. "Aber hier wird im Prinzip nur die Natur zugänglich gemacht. Dabei zählt das Grundstück, wo der Eingang zur Höhle ist. Der Besitzer hat dann die Verfügungsgewalt über das ganze Höhlensystem."
Im Jahr 1986 entdeckten Höhlenforscher in der Atta-Höhle einen bis dahin völlig unbekannten Teil. Dieser war sogar mehr als doppelt so groß wie der bekannte Bereich. "Die Höhle ist noch so viel gewaltiger als das, was zu sehen ist", erzählt Böhmer mit Begeisterung in der Stimme. "Es gibt dort einen unterirdischen Flusslauf, wo wir mit einem Schlauchboot drübergefahren sind."
Doch einige Teile des Tropfstein-Labyrinths bleiben den Besuchern verborgen. Als Eigentümer der Höhle kann die Familie Böhmer das allein entscheiden. Eine Erschließung wäre zu gefährlich und wohl auch zu teuer.
Eine Generationenaufgabe
In der Atta-Höhle sind bizarre Gestalten gewachsen: Türme, Säulen und Orgelpfeifen, ganze Vorhänge aus Kalk, die beim Flattern im Wind erstarrt zu sein scheinen. Der ein oder andere Besucher sieht versteinerte Gnome oder Trolle. An einer Wand in der Höhle soll das Gestein einem riesigen kletternden Eisbär gleichen. An einer anderen Stelle scheint eine Miniaturausgabe von Schloss Neuschwanstein zu stehen. Immer wieder ist von den Besuchern ein "Oooh" und "Ui" zu hören.
"Wenn man in dieses unterirdische Reich hineingeht, kommt man als anderer Mensch wieder ans Tageslicht", sagt Böhmer. Ehrfürchtig betrachten die meisten die Kristalle und Gebilde. Abbrechen kann von den Stalaktiten und Stalagmiten eigentlich nichts, denn sie sind sehr stabil, so Böhmer. Aber beim Anfassen können Verfärbungen entstehen. Unter anderem deshalb darf die Atta-Höhle nicht eigenständig besichtigt werden. Eine Führung dauert etwa 40 Minuten.
Trotz hunderttausender Besucher im Jahr steht Böhmer oft selbst hinter dem Ticket-Schalter. Die Höhle zu unterhalten, kostet Geld. Könnten Sie nicht einfach zu machen und sagen: Das war es? "Ja, klar", sagt der 71-Jährige. Sein Schmunzeln zeigt, wie undenkbar er diesen Vorschlag hält. "Aber meine Aufgabe ist es, die Natur und die Geschichte dahinter zu erhalten und Menschen zugänglich zu machen. Ich bin in vierter Generation für die Atta-Höhle verantwortlich. Und die fünfte Generation steht schon in den Startlöchern."