Wenn der 28-jährige Julen Sánchez über die Tour spricht, lächelt er. Es ist die Erinnerung an unglaubliche Sonnenuntergänge auf hoher See, an Minkwale, Delphine und Fischschwärme, die ihn begleiten. An einen der Atlantiksturmtaucher, die sich ab und zu auf den Bug setzen. "Es kommt mir vor, als wäre das aus einem anderen Leben. Es ist wunderschön zu wissen, dass diese Sachen tatsächlich alle passiert sind", sagt er.
Gefahren auf der See
Es ist aber auch die Erinnerung an starke Winde, meterhohe Wellen, gefährliche Strömungen. Die Sorge, zu viel Gewicht zu verlieren. Seekrankheit und Schlafmangel. Aber Sánchez hat durchgehalten. 9.300 Kilometer werden am Ende auf seiner Atlantiküberquerung von Portugal nach Florida hinter ihm liegen.
Es sind Monate der Entbehrung. Dreizehn bis fünfzehn Stunden, durchschnittlich etwa 70 Kilometer, ist er am Tag gerudert. Da es nur elf Stunden hell ist, rudert er auch im Dunkeln. "Am meisten habe ich Bruschetta vermisst, frisches Essen." Da er allein auf See ist, muss er alle 35 Minuten nach Schiffen Ausschau halten, auch nachts.
Jetzt ist der Extremsportler Rekordhalter. Aufgrund seiner doppelten Staatsbürgerschaft ist er der jüngste Spanier und Deutsche, der jemals über einen Ozean gerudert ist. Aber der Rekord ist nicht das Wichtigste für ihn. Sánchez wollte etwas anderes beweisen.
14.000 Kilometer für den Klimaschutz
Zu seinem Abfahrtsort, dem portugiesischen Portimão an der Algarve, fährt er im Juli 2020 in 30 Tagen von Paris aus mit dem Fahrrad. Und vom Ankunftshafen in Florida geht es mit dem Rad bis nach Pittsburgh weiter. Für die komplette Strecke von Paris nach Pittsburgh bringt er 14.000 Kilometer hinter sich. Komplett emissionsfrei. Kein Motor, kein Segel, alles mit eigener Kraft. Warum das Ganze? Es sollte ein Signal für den Klimaschutz sein, für die Einhaltung der in Paris beschlossenen Klimaziele. Start und Ziel sind nicht zufällig gewählt.
2017 hatte der damalige US-Präsident Donald Trump in Pittsburgh das Pariser Klimaabkommen aufgekündigt. Er sei für die Bürger Pittsburghs zuständig, nicht für die in Paris, so Trump damals.
Vorbereitung ist alles, doch nicht alles lässt sich vorbereiten
Die Route plant Sánchez akribisch. Dreieinhalb Jahre bereitet er sich vor. Das hochseetaugliche Boot mit Kajüte ist mit SOS-Technik, Navigationssystem, Verpflegung und Luftkammern ausgestattet. Falls es kentern sollte, dreht es sich wieder auf die richtige Seite. Als er Ende November 2021 in Portugal in sein Boot steigt, weiß er trotzdem nur bedingt, was ihn auf der Reise erwartet. "Man kann sich auf alles vorbereiten, und dann passieren Dinge, die man nie für möglich halten würde. Nach 90 Tagen hat ein Buckelwal mein Boot gerammt und es für ein Spielzeug gehalten."
Um starken Strömungen zu entgehen, rudert er auf der Höhe der Kanaren Richtung Florida. Aufgrund wechselndener Winde dümpelt er vor der Küste der Bahamas tagelang auf See, wird immer wieder abgetrieben. Zu diesem Zeitpunkt ist auch der Satellitenkontakt zu seinen Eltern abgebrochen. Alle paar Tage müssen andere Schiffe seine Position melden.
"Die nächste Tour wird nicht ganz so lang"
In diesen Momenten nicht aufzugeben, durchzuhalten, trotz monatelanger Einsamkeit, dabei hat ihm auch seine Masterarbeit in Sportpsychologie geholfen, sagt er.
Das Ziel der Rudertour in Florida erreicht er nach 131 Tagen, neun Stunden und 30 Minuten. Zu seiner Überraschung standen seine Eltern am Pier. "Ich bin ihnen in die Arme gefallen. Ich wusste nicht, dass meine Eltern da sein würden." Was er aber definitiv weiß, ist, dass er wieder zurück aufs Wasser will. Er plant bereits die nächste Tour. "Die wird aber nicht ganz so lange", sagt Sánchez mit einem Lächeln.
Über dieses Thema haben wir auch am 26.03.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Köln, 19.30 Uhr.