Leidensfähigkeit extrem: 101 Kilometer beim Bödefelder Hollenmarsch
Hochsauerlandkreis | Unterwegs
Stand: 30.05.2024, 10:18 Uhr
Manuela und Marco Peetz wollen es wissen. Sie möchten 101 Kilometer am Stück wandern. Am Tag und durch die Nacht, bei Regen und Sonnenschein, durch Wälder und über Berge.
Von Christian Albrecht
Nachts, kurz vor 4 Uhr, Dauerregen, mitten im Hochsauerland. Es ist stockdunkel. Manuela und Marco Peetz suchen nach dem Weg. "Es ist manchmal tricky, die richtige Richtung zu finden", sagt Manuela Peetz mit einer Stirnlampe auf dem Kopf. "Hier müssen wir rein." Sie hat einen Pfeil auf dem Boden entdeckt. Die beiden Hobbysportler aus Meschede-Berge sind seit knapp achteinhalb Stunden unterwegs. Ungefähr die Hälfte der 101 Kilometer Monsterwanderung beim Bödefelder Hollenmarsch haben sie geschafft.
Im Wald bei Schmallenberg-Jagdhaus schlagen sich die Bankkauffrau und der Diplom-Kaufmann über einen verschlungenen Pfad durch die Dunkelheit. "Normale Menschen treffen wir hier glaube ich nicht", sagt Marco Peetz. Kann man sich auf solche Situationen überhaupt vorbereiten?
Wie haben sich Manuela und Marco Peetz auf den Hollenmarsch vorbereitet?
00:42 Min.. Verfügbar bis 30.05.2026.
Extremwandern
"So ein bisschen verrückt sein, das finden wir ganz schön. Wir lieben die Natur, bewegen uns gerne und suchen auch ab und zu die Herausforderung." Seine Frau Manuela ergänzt: "Wer so etwas macht, bei Wind und Wetter, bei Kälte und Nässe, der lernt die Normalität wieder zu schätzen, wenn er nach Hause kommt." Mit dem Wunsch, den eigenen Körper an die Belastungsgrenze zu bringen, sind sie nicht allein.
Einmal im Jahr verwandelt sich der kleine Ort Bödefeld bei Schmallenberg im Sauerland zum Mekka der Extremwanderer. Der Bödefelder Hollenmarsch ist einer der wenigen wettkampfmäßigen Ultrawanderungen in Deutschland mit Strecken über 100 Kilometer. Manche Teilnehmer reisen extra von weiter weg an, sogar aus den Niederlanden.
Über 2.100 Starter marschieren oder joggen dieses Jahr über die Sauerländer Berge. Zwischen Distanzen von acht bis 101 Kilometer können die Teilnehmer wählen. 291 versuchen sich an der vollen Distanz.
Wenn das Wetter zur Herausforderung wird
Manuela und Marco Peetz sind erfahrene Wanderer. Er hat im vergangenen Jahr die 42 Kilometer beim Hollenmarsch bewältigt, sie sogar schon einmal die 101. "Ziel ist es, erstmal anzukommen. Der olympische Gedanke steht im Vordergrund. Wir versuchen, eine Zeit zwischen 18 und 19 Stunden zu erreichen", sagt der 46-Jährige bei schnellem Schritt. Sie haben sich vorgenommen, möglichst ein gleichmäßiges Tempo zu laufen. Gar nicht so leicht, bei den über 1.600 Höhenmetern, die vor ihnen liegen.
Manuela und Marco Peetz vor dem Start
3:30 Uhr in der Nacht. Es schüttet. So richtig. Manuela und Marco Peetz sind gerade bei der Verpflegungsstation in Jagdhaus angekommen, Kilometer 48. Etwa alle zehn Kilometer empfangen freiwillige Helfer die Marschierer mit belegten Broten, Kuchen und Getränken. Auch Sanitäter sind an jeder Station anwesend. Manuela und Marco Peetz stürzen sich als erstes auf die Elektrolyte-Getränke, die gut für den Stoffwechsel und die Muskeln sind.
Solche Extremwanderungen, wie sie Manuela und Marco Peetz absolvieren, liegen im Trend. Manchmal werden sie auch Mammutmärsche genannt. Allein in NRW gibt es Veranstaltungen im Ruhrgebiet, in der Eifel, in Mönchengladbach oder in Düsseldorf. Nicht alle gehen allerdings über 101 Kilometer.
Den Fokus nicht verlieren
Nach kurzem Verschnaufen berichtet Marco Peetz: "Immer wieder sind wir weggerutscht, man muss den Weg sehr konzentriert gehen." Die Hosenbeine und Schuhe sind durchnässt und von dem Matsch gesprenkelt. "Wir hätten zwischendurch gut ein Boot gebrauchen können. Da waren Pfützen, die waren sehr breit und groß. Das war irre", ergänzt Manuela. Dann geht's auch schon weiter.
5:20 Uhr, kurz vor dem Rhein-Weser-Turm bei Kirchhundem. Der Aussichtsturm liegt in dichten Nebelschwaden, die Vögel zwitschern im Morgengrauen. Manuela und Marco Peetz kommen aus dem Wald und treffen nach längerer Zeit mal wieder auf eine Straße. Die Verpflegungsstation ist in einer Scheune untergebracht.
Es ist das erste Mal, dass die beiden sich für eine Viertelstunde hinsetzen, essen, trinken, Pause machen. Marco Peetz massiert sein Schienbein. "Da habe ich gerade einen Krampf." 58 Kilometer sind sie bis hierhin gelaufen.
Für einen reicht die Kraft nicht ganz
13 Uhr im Zielbereich, Sonnenschein, 18 Grad. Manuela Peetz ist schon da. Sie musste aufgeben. Ein Helfer hat sie mit dem Bulli von einer Verpflegungsstation abgeholt und mit ins Ziel genommen. "Es ging nicht mehr. Ich habe bei Kilometer 86 abgebrochen", sagt die 54-Jährige. "Mir taten dermaßen die Knie weh. Aber ich bin trotzdem mega happy."
Für Marco Peetz ist es noch etwas mehr als ein Kilometer bis zum Ziel. Die Vorfreude ist genauso groß wie der Schmerz. "Ich habe an beiden Fersen zwei große Blasen", erzählt er. "Wenn ich bergab gehe, dann drückt das voll auf die Blasen und das ist schon sehr schmerzhaft."
Geschafft: Marco Peetz läuft ins Ziel ein
00:55 Min.. Verfügbar bis 30.05.2026.
Nach 18 Stunden und 50 Minuten hat es Marco Peetz geschafft: Er überquert die Ziellinie und fällt Manuela und seinem Sohn in die Arme. Minuten später ist er immer noch etwas sprachlos: "Es waren so viele Emotionen. Ich bin an meine Grenzen gegangen, es war eine mega Herausforderung."
Über dieses Thema haben wir auch am 27.05.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Südwestfalen, 19.30 Uhr