Mit dem "Satansgefährt" durch Wuppertal
Stand: 09.08.2023, 10:12 Uhr
Die Schwebebahn ist untrennbar mit der Stadt Wuppertal verbunden. Sie ist praktisches Verkehrsmittel und beliebte Attraktion. Aber wie kam es dazu, wie wird man eigentlich Schwebebahnfahrer und warum wurde sie lange als "Satansgefährt" bezeichnet?
Von Yunus Gündüz
Schwindelfrei auf Entdeckungstour
"Man merkt sofort, dass Urlaubssaison ist. Da an der nächsten Station stehen wieder Touristen mit ihren Kameras", sagt Andreas Stamm, bremst die Bahn und winkt den Touristen aus der Fahrerkabine zu. Auf den geknipsten Fotos ist er nun Teil ihrer Urlaubserinnerung an das Wuppertaler Wahrzeichen: die Schwebebahn.
Der 53-jährige Schwebebahnfahrer bringt mit einem kleinen Hebel, den er mit der linken Hand bedient, die rund 24 Tonnen schwere Bahn zum Stehen. Oder besser gesagt zum Hängen. Die Schwebebahn ist eine sogenannte Hängebahn. Acht elektrisch betriebene Räder liegen auf einer hochgelegenen Schiene, gestützt von 468 Pfeilern. Unter den Rädern hängend, ist die Bahn selbst befestigt.
Einblick ins Cockpit von Schwebebahnfahrer Andreas Stamm
Wer auf der Fahrt nach unten guckt, sieht für rund 2,7 Kilometer die Bundesstraße 7, außerdem das Sonnborner Kreuz, bis zum Streckenpfeiler 100. Sobald man dort am Stadion Zoo vorbeischwebt, befindet man sich für die restlichen 10,3 Kilometer über der Wupper. "Schwindelfrei muss man für den Beruf nicht sein. An der tiefsten Stelle sind wir nur 25 Meter über der Wupper", sagt Stamm.
Mit maximal 60 km/h dauert eine Tour etwa eine halbe Stunde. Der Zug startet in Vohwinkel im Südwesten Wuppertals bis in den Nordosten nach Oberbarmen die Talachse entlang. Die Strecke eignet sich hervorragend, um die Stadt zu entdecken oder entlang der Wupper Kleinigkeiten zu entdecken.
So sieht eine Fahrt mit der Schwebebahn durch Wuppertal aus
01:05 Min.. Verfügbar bis 01.11.2026.
Zwischen Loher und Adlerbrücke zum Beispiel, hat jemand in seinen Vorgarten eine Hängematte direkt am Wupperufer aufgehängt. Der Garten ist kunterbunt gestaltet und nur von oben zu sehen. Die 20 Haltestellen sind ebenfalls sehr unterschiedlich. Eine Lieblingsstation habe Stamm nicht, "aber die alten Haltestellen stimmen einen sehr nostalgisch".
Das Satansgefährt und die Gardinenstangen
Gemeint sind die im Jugendstil restaurierten beziehungsweise wiedererrichteten Haltestellen Landgericht, Völklinger Straße und Werther Brücke. Sie stammen noch aus den Anfangsjahren der Schwebebahn. Die damals noch konkurrierenden Städte Barmen und Elberfeld suchten nach einem neuen Verkehrsmittel für den ÖPNV entlang des Tals der Wupper.
Die Station Werther Brücke war lange die letzte im Jugenstil - 2012 wurde sie komplett restauriert
Der Kölner Ingenieur Eugen Langen erhielt 1894 den Zuschlag für seine Hochbahn. Im Oktober 1900 fuhr der damalige Kaiser Wilhelm II. Probe und im März 1901 wurde sie offiziell in Betrieb genommen, damals nur zwischen Kluse und Zoologischer Garten. Seit 1903 existiert die heute bekannte Strecke – von Anfang an vollelektrisch.
Dabei hatte die Schwebebahn einen schweren Start. Damals war von einem "wahnsinnigen Unterfangen" und einem "Satansgefährt" die Rede. Widerstand gab es auch gegen die Landstrecke, schließlich konnte man von der Bahn in die nahegelegenen Häuser schauen. Zur Besänftigung spendierte die Betreibergesellschaft Gardinen an die betroffenen Anwohner. So wurde der Abschnitt seinerzeit als "Gardinenstangenstrecke" bekannt. Mit der Zeit freundeten sich die Menschen mit dem neuen Gefährt an. Mittlerweile transportiert die Bahn nach Aussagen der Stadt Wuppertal etwa 80.000 Fahrgäste an einem Werktag.
Fahrschule im Himmel
An diesem Dienstagmittag ist Andreas Stamm ihr Fahrer. Der ehemalige Mobilfunktechniker ist 2014 zu den Stadtwerken gewechselt, wo er zunächst drei Jahre als Busfahrer arbeitete. So lange dauert es, bis man sich auf die Schwebebahn bewerben darf.
Der Leiter der Schwebebahnfahrschule ist der 63-jährige Andreas Haus. Pro Lehrgang müssen vier Schüler, vier Wochen lang mindestens 20 Fahrstunden und viel Theorie absolvieren. "So eine Bahn ist kein Lkw. Man kann nicht eben mal rechts ranfahren. Da muss man sich zu helfen wissen", sagt Haus. Neben tiefgehendem technischen Wissen sei der richtige Umgang mit Passagieren wichtig.
Andreas Haus am Fahrlehrerpult: Hier kann er in die Fahrt eingreifen, Notfälle und Störungen simulieren.
Für die Fahrschule gibt es ein Fahrzeug mit zusätzlicher Technik. Von einem Pult aus kann Fahrlehrer Haus Notfälle simulieren. Dass ein Fahrzeug Wagen geborgen werden muss, ist selten. Trotzdem müssen Fahrer mit Störungen schnell fertig werden. Es gilt die enge Taktung des Schwebebahnbetriebs einzuhalten. Seit im Jahr 2019 die neue Wagenreihe eingeführt wurde, braucht ein Wagen knapp unter vier Minuten von Station zu Station.
Wie läuft die Ausbildung?
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Sicher für Mensch und Elefant
Mitverantwortlich für die neue Fahrzeuggeneration ist Werkstattleiter Thomas Kampa. Der 53-jährige Ingenieur ist erst seit 2019 bei den Wuppertaler Stadtwerken. "Ich habe vorher an der Fertigung des Antriebs der Bahn gearbeitet". Kampa wechselte vom Herstellerunternehmen zu den Stadtwerken, es sei "spannend vom Fahrzeugbau, aber es ist auch bisschen wie ein Baby".
Werkstattleiter Thomas Kampa
Die Schwebebahn gilt als sicherstes Verkehrsmittel der Welt. Einen schweren Unfall gab es seit Inbetriebnahme. Im Jahr 1999 wurde nach Bauarbeiten eine Metallkralle an den Gleisen vergessen, wodurch eine Bahn entgleiste, in die Wupper stürzte. Vier Personen starben.
Mit der mittlerweile 15. Wagenreihe kommt zusätzlich ein neues Fahrleitsystem, mit dem der Fahrbetrieb sicherer gemacht wurde. Der einzige Nachteil: Der historische "Kaiserwagen" mit dem Wilhelm II. seine Spazierfahrt machte, muss an dieses System angepasst werden. Die beliebte Attraktion, die man für Hochzeiten oder Feiern mieten kann, kommt ist deshalb bis 2024 außer Betrieb.
Das ist aber nicht das einzige historische Detail, das heute noch über die Schwebebahn bekannt ist. 1950 sollte für eine Werbefahrt die junge Elefantenkuh "Tuffi" eine Runde mit der Schwebebahn drehen. Das Tier wurde nervös, brach bei der Fahrt durch die Tür und fiel in die Wupper. Tuffi trug glücklicherweise nur Schrammen davon. Noch immer kursiert ein Postkartenmotiv durch Wuppertal, das den Vorfall zeigen soll. Dabei handelt es sich allerdings um eine Fälschung.
Zwei demontierte Wagen der Schwebebahn in der Werkstatthalle
Heutzutage geht zur Sicherheit alle 500.000 Kilometer eines der Fahrzeuge rund drei Monate durch die Inspektion. Das Werkstattteam nimmt dafür das Fahrzeug und seine Komponenten komplett auseinander, reinigt sie und setzt sie in Stand. Der Großteil davon geschieht in der eigenen Werkstatthalle in Vohwinkel. "Allzu teuer ist das nicht", sagt Kampa, sofern Wagenkasten und Gestelle halten, "sonst kann so ein Fahrgestell schnell 25.000 Euro kosten und jede Bahn hat vier davon".