- Kapitel 1 : Ein nüchterner Münsterländer macht den Auftakt
- Kapitel 2 : Der Arsch sitzt in Westfalen
- Kapitel 3 : Wer hätte gedacht, dass eine Fliege so lustig sein kann?
- Kapitel 4 : "Herr Haferkamp" trifft auf die Toten Hosen und ein Flusspferd muss pinkeln
- Kapitel 5 : Lokalzeit goes Krimi
- Kapitel 6 : Notfall im Studio
- Kapitel 7 : Achtung, es wird nass
- Kapitel 8 : "Herr Hohl, Sie laufen ja weg"
- Kapitel 9 : Plötzlich nur noch Back-Rezepte auf Facebook?
- Kapitel 10 : Alle Erdbeeren weg
- Kapitel 11 : Was gab es sonst noch so?
Ein nüchterner Münsterländer macht den Auftakt
Vor vier Jahrzehnten startete alles ziemlich nüchtern - zumindest im Münsterland. Studioleiter Michael Stoffregen-Büller begrüßte die Zuschauer am 1. Oktober 1984 vor einer blauen Kulisse: "Guten Abend, meine Damen und Herren. Keine großen Worte zu Beginn. Dies ist sie also, die regionale Viertelstunde in der Aktuellen Stunde. Fangen wir doch einfach an."
Was später die WDR Lokalzeit werden sollte, waren zu Beginn noch sogenannte "Fensterprogramme". Münster (als "Münsterland Magazin") wechselte sich täglich mit Bielefeld ("OWL aktuell") ab, Köln ("Kölner Fenster") mit Düsseldorf ("Schaufenster"). Im Ruhrgebiet gab Dortmund den Alleinunterhalter ("Hier im Revier").
Der Arsch sitzt in Westfalen
Dass es Lokalfernsehen im WDR überhaupt gibt, ist der Hartnäckigkeit des damaligen Intendanten Friedrich-Wilhelm von Sell zu verdanken. Er setzte sich für mehr regionale Inhalte und mehr Nähe zu den Zuschauern ein, auch in den entlegeneren Gebieten NRWs. Damals, Anfang der 80er-Jahre, wurden die privaten Fernsehsender zur ernstzunehmenden Konkurrenz. Die Freude über von Sells Vorschlag hielt sich in Grenzen. Heinz Kühn (SPD), damaliger NRW-Ministerpräsident und Mitglied im WDR-Verwaltungsrat, sagte zum Intendanten:
Von Sell setzte sich durch und die Erfolgsgeschichte nahm ihren Lauf. Aus "der regionalen Viertelstunde" ist eine halbe Stunde geworden, statt vier wöchentlichen "Fensterprogrammen" flimmern heute sechs Lokalzeit-Ausgaben pro Woche aus elf Studios in NRW über die deutschen Bildschirme. Zu den Studios in Köln, Düsseldorf, Dortmund, Münster und Bielefeld gesellten sich die Studios Aachen, Bonn, Duisburg, Essen, Siegen und Wuppertal. Alle erzählen ihre eigenen Geschichten. Manche sind so kurios, dass sie für sehr lange Zeit im Gedächtnis bleiben werden.
Wer hätte gedacht, dass eine Fliege so lustig sein kann?
Wirklich "riesig" sei das Tier gewesen, sagt die ehemalige Moderatorin der Lokalzeit Düsseldorf, Petra Albrecht. Nachprüfen lässt sich das heute nicht mehr. Jedenfalls sorgte eine Fliege 2012 für Stimmung im Studio und für einen nicht enden wollenden Lachanfall der Moderatorin mitten in der Live-Sendung. Ein echtes Highlight in der 40-jährigen Lokalzeit-Geschichte:
"Herr Haferkamp" trifft auf die Toten Hosen und ein Flusspferd muss pinkeln
Tiere und die Lokalzeit Düsseldorf - das ist eine beliebte Kombination. 1987, noch zu "Schaufenster"-Zeiten, feierte man die 500. Sendung mit einem besonderen Moderator: Ein Pferd mit pinker Mähne namens "Herr Haferkamp" moderierte die Ulksendung im Rheinturm. Auch die Toten Hosen gaben in der Sendung ein Konzert.
Der Vierbeiner war um keinen Spruch verlegen, riss einer Kellnerin im Rheinturm sogar das Oberteil vom Körper. Heute aus der Zeit gefallen, damals kultig.
Tierisch ging es im April 2002 auch in der Lokalzeit aus Dortmund zu. Zu Besuch war Flusspferd-Dame Elsbeth, die zur Begrüßung direkt ins Studio urinierte.
"Völlig verhaltensgerecht", erklärte Zirkusdirektor und Studiogast Bodo Hölscher. "So markiert sie ihr Revier." .
Lokalzeit goes Krimi
Die WDR Lokalzeit aus Siegen schaffte es im Oktober 2003 sogar in einen Krimi-Roman: Autor Ralf Strackbein ließ seinen Detektiv Tristan Irle in dem Buch einen Mord im Siegener Lokalzeit-Studio untersuchen. Dabei stieß der Ermittler auf ein Komplott, das bis in höchste kommunale Kreise reichte.
Notfall im Studio
Einen gehörigen Schrecken jagte Lokalzeit-Münsterland-Moderatorin Jeanette Kuhn am 12. April 2007 den Zuschauern und ihrem Team ein. Gerade hatte sie ihrem Studiogast Demian Kleinert die zweite Frage gestellt, da fiel sie ohne Vorwarnung plötzlich um. Sie war schwanger mit ihrer Tochter Helen. In der zehnten Schwangerschaftswoche, an einem warmen Apriltag, streikte der Kreislauf. "Das war Helens erster Karnevalsscherz. Sie sollte ja am 11. 11. zur Welt kommen und das war der erste Witz, den sie gemacht hat", sagt Jeanette Kuhn ein Jahr später.
In der Lokalzeit aus Dortmund gab es dagegen in einer Sendung vor ein paar Jahren einen medizinischen Zwischenfall, der fast tragisch geendet hätte. Einem Gast für das Gespräch in der Sendung ging es plötzlich nicht mehr gut. Er wurde aus dem Studio geführt. Mitarbeiter in der Regie verständigten direkt den Rettungsdienst, der Minuten später eintraf. Am nächsten Tag erhielt die Redaktion die Nachricht, dass der Gast tatsächlich einen Schlaganfall hatte. Weil er aber schnell behandelt wurde, blieben keine Schäden zurück.
Achtung, es wird nass
Nicht nur einmal ist in vier Jahrzehnten eine Lokalzeit ausgefallen. Die Gründe dafür sind ganz verschieden - in Bonn musste im November 2019 eine bereits laufende Live-Sendung abgebrochen werden, weil in der Regie ein Mischpult brannte. Auch in anderen Lokalzeit-Studios haben die Elemente der Redaktion das Leben schwer gemacht.
Im Herbst 2021 regneten in der Lokalzeit aus Duisburg während einer Moderation plötzlich große Mengen Wasser von der Decke. Es lag an einer defekten Klimaanlage, wie sich später herausstellt. Die Sendung wird abgebrochen. Das ganze Team fasst an, trägt Eimer voll Wasser nach draußen und rettet, was zu retten ist. In den kommenden Monaten sendet die Redaktion aus dem Büro, weil das Studio renoviert werden muss.
Noch mehr Wasser gab es im Lokalzeit-Studio in Siegen Anfang der 2000er-Jahre. So viel, dass Moderator Dirk Glaser sich kurzerhand die Schuhe auszog und barfuß durch die Wassermassen im Studio gelaufen ist.
Glück hatte das Studio in Dortmund im Juli 2008. Starkregen überforderte die Kanalisation, die Emscher trat über die Ufer und überschwemmte ganze Stadtteile. Lokalzeit-Redakteur Gerd Schulte, der an diesem Samstag Dienst hatte, hörte ein Plätschern aus dem Aufzugschacht - und reagierte geistesgegenwärtig. Mit Moderator Gregor Schnittker begann er, im Archiv im Keller des Studios Kassetten und Bänder auf höhere Regalebenen zu räumen. Mit dem Satz: "Hier drohen Schätze des WDR-Rundfunkarchivs unwiederbringlich verloren zu gehen" überzeugte er auch die Feuerwehr, dass sie zum Abpumpen anrückte.
"Herr Hohl, Sie laufen ja weg"
Die Sendung der Lokalzeit aus Duisburg vom 9. Januar 2023 hat nicht nur im Ruhrgebiet, sondern weit über die Grenzen hinaus für Gesprächsstoff gesorgt. Und sogar für eine Nominierung beim Bremer Fernsehpreis in der Kategorie "Publikumspreis". Gast Peter Hohl spricht über eine einzigartige Kunstsammlung, die überraschend in den Besitz des Vereins für Museumsförderung in Kevelaer gekommen ist. Im Verlauf des Gesprächs kam es zu einer warmherzigen Studiopanne: Herr Hohl lief im Hintergrund während einer Moderation durchs Bild und verabschiedete sich mit den Worten "Der Niederrhein sagt danke". Auf Facebook und Instagram ging die kurze Sequenz viral und wurde millionenfach aufgerufen.
Plötzlich nur noch Back-Rezepte auf Facebook?
Apropos Social Media: Die Lokalzeit gibt es natürlich nicht nur im Fernsehen, sondern auch im Radio und Internet. Einige der 880.000 Abonnenten staunten im Januar 2023 dabei nicht schlecht, als der Facebook-Account der Lokalzeit durch einen Fehler beim Konzern Meta auf einmal zu "Oven Time" umbenannt wurde. Nach kurzer Zeit fiel der Fehler auf und alles war wieder beim Alten.
Alle Erdbeeren weg
Definitiv denkwürdig: Das Studio Essen hat über einen Bauern berichtet, der Eintritt für seine Felder nimmt, auf denen Kunden Erdbeeren selbst pflücken können. Über die Aktion wurde auch auf dem Facebook- und Instagram-Kanal der Lokalzeit berichtet. Die Berichterstattung sorgte für einen riesigen Ansturm auf die Felder. Der Landwirt musste sogar für einige Wochen schließen.
Was gab es sonst noch so?
Am ersten Februar 2007 lief offiziell die erste Lokalzeit aus Bonn aus dem neuen Regionalstudio. Aber im ersten Jahr wurde die Sendung aus einem alten Übertragungswagen gesendet, der vor dem Haus geparkt war. Das Studio war in einem Teil der Kantine.
In der Lokalzeit Südwestfalen gab es jahrelang eine Puppe in der Sendung, die auf die Woche zurückblickte. Der Fernsehbauer Klemens Schulte-Vierkötter wurde gespielt von Puppenspieler Bodo Schulte aus Menden.
Am Ende geht es nochmal zum Anfang zurück: Der bereits erwähnte Michael Stoffregen-Büller hatte 1984 die erste Lokalzeit moderiert. Aber es soll sich noch eine weitere geschichtsträchtige Situation mit ihm abgespielt haben. Weil es an einem Tag keine Beiträge für die Lokalzeit gab, musste Michael Stoffregen-Büller einmal 20 Minuten lang ohne Skript erklären, wie Fernsehen funktioniert. Das erzählt sich die Redaktion in der Lokalzeit Münsterland zumindest bis heute.