Ein Beutel mit Trost: Wie ein Verein Krebspatienten Kraft schenkt

Köln | Füreinander

Stand: 16.11.2024, 14:59 Uhr

Ein kleiner Beutel, gefüllt mit Hoffnung und Unterstützung: Nach zwei Schicksalsschlägen in der Familie will ein Mutter-Tochter-Duo in Köln krebskranke Menschen aufmuntern.

Von Sarah Janßen

Charlotte Platzer und ihr Mann halten mit ihrem kleinen Auto direkt vor der Uniklinik Köln. Der Wagen ist bis unter die Decke mit großen Plastikkisten vollgepackt. Darin: Viele bunte Säcke, die aussehen wie Turnbeutel. Die beiden holen die schweren Kisten aus dem Auto und stapeln sie auf einer Karre. Noch kurz den Gurt festzurren und schon geht es voll beladen in Richtung Aufzug. 16. Stock. Die Onkologie-Station. Hier behandelt das Krankenhaus Krebspatienten. In den "Wohlfühlbeuteln" warten kleine Geschenke für sie.

Die Onkologie-Station der Uniklinik Köln kennt Platzer zu gut. Vor ein paar Jahren erkrankt zum wiederholten Male die Schwester der 62-Jährigen an Brustkrebs. Dann folgt die zweite Schocknachricht: Tochter Giuliana Nio Schmunk hat Lymphdrüsenkrebs. Sie wird in der Uniklinik Köln behandelt. Ihre Mutter ist dabei immer an ihrer Seite.

Charlotte Platzer und Tochter Giuliana Nio Schmunk | Bildquelle: WDR/ Sarah Janßen

In der schwierigen Zeit wollen die beiden nicht untätig sein und kommen auf die Idee mit den Beuteln. 2020 gründen Mutter und Tochter den gemeinnützigen Verein "Wohlfühlbeutel". Sie wollen damit Menschen Trost schenken, die gerade eine Chemo- oder Bestrahlungstherapie machen.

Giuliana Nio Schmunk weiß, was während einer Chemotherapie helfen kann 00:42 Min. Verfügbar bis 16.11.2026

Mit viel Liebe zum Detail nähen und befüllen mittlerweile 16 Vereinsmitglieder die bunten Säcke. Jeder Beutel ist ein Unikat. Gefüllt sind sie mit Dingen, die während einer Krebs- und Strahlentherapie guttun können. Von Notizbuch bis Creme, von Clownsnase bis Trinkbecher, von Wärmflasche bis Akupressurring. Was genau in den Beuteln steckt, ist immer unterschiedlich. Manches ist selbst gemacht. Anderes gekauft oder von Sponsoren gespendet. Der Verein finanziert sich durch Spenden, Mitgliedsbeiträge und verkauft die Beutel auch auf seiner Webseite.

So sehen die Wohlfühlbeutel aus | Bildquelle: WDR/ Sarah Janßen

Beutel-Übergabe auf der Krebsstation

Auf der Onkologie-Station der Uniklinik Köln ist Platzer einmal im Monat. Hier übergibt sie die Beutel an die Pflegekräfte. Sie kennen die Patienten am besten und entscheiden, wer einen Beutel erhält. "In der Regel sind es die Erst-Diagnose-Patienten oder Patienten, die schon lange bei uns auf Station sind", erklärt Katharina Kempf. Wenn die Pflegerin einen Beutel übergibt, ist das auch für sie immer ein besonderer Moment, sagt sie. Heute bekommt Patientin Katharina einen Beutel. Sie ist seit zwei Wochen auf der Station. Freudestrahlend holt sie unter anderem eine orange Stofftier-Eule und eine Clownsnase aus dem Beutel. Die setzt sie prompt auf, lächelt neckisch-verführerisch und bringt damit alle zum Lachen.

Charlotte Platzer ist glücklich, dass sie Katharina Freude schenken kann Lokalzeit.de 00:14 Min. Verfügbar bis 16.11.2026

"Das hilft ungemein, kurz zu vergessen, dass ich hier im Krankenhaus bin", sagt Patientin Katharina. Und genau das wollen Platzer und ihre Tochter: Krebserkrankte für einen kurzen Moment aus ihrem Schmerz herausholen und ihnen zeigen, dass sie nicht alleine sind.

Zahlen zu Krebserkrankungen in Deutschland

Etwa eine halbe Million Menschen erkrankt in Deutschland nach Angaben des Deutschen Krebsforschungszentrums jedes Jahr an Krebs. Bei erwachsenen Männern ist Prostatakrebs und bei Frauen Brustkrebs am häufigsten. Kinder erkranken am häufigsten an Blutkrebs. Mit mehr als 200.000 Todesfällen pro Jahr ist Krebs die zweithäufigste Todesursache nach Herz-Kreislaufkrankheiten.

Die Uniklinik Köln bekommt die Beutel vom Verein komplett gespendet. Mutter und Tochter hoffen, dass sich in Zukunft auch Kliniken an den Kosten beteiligen. "Der größte Wunsch wäre, dass die Kliniken sagen: Wir finden eure Idee super. Wir wollen mit euch zusammenarbeiten und unseren Patienten etwas Gutes tun. Ich finde, jeder hat es verdient, gesehen zu werden", sagt Schmunk.

Heute gilt Schmunk als krebsfrei. Platzers Schwester hat den Krebs nicht überlebt. "Gerade Krebs ist immer da. Und ich fände es total egoistisch, wenn ich jetzt sagen würde: 'Ach cool, meine Tochter ist jetzt wieder gesund und wir gehen wieder ins Tagesgeschäft", sagt Platzer. Deswegen haben Tochter und Mutter noch viel vor.

Über dieses Thema haben wir auch am 16.09.2024 im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Köln, 19.30 Uhr.