Trainingsbeginn beim FC Sankt Augustin. Es ist schon dunkel, die Flutlichter werden allmählich warm und tauchen den Fußballplatz in ein helles Licht. Zum Aufwärmen gibt es ein "Eckchen": Mehrere Spieler stehen im Kreis und spielen sich den Ball zu, in der Mitte versuchen zwei Kicker, die Kugel zu erobern.
Als ein Spieler den Ball gut annimmt und weiter passt, hallt es über den Platz. "Stark. Gut so! Wow!", ruft Maike Buchmüller, Chefin der Innenverteidigung. Nicht nur mit Leistung, sondern auch mit Worten vorangehen, so macht man das als Führungsfigur.
Seit 2022 dürfen Frauen in Herrenligen Fußball spielen
Buchmüller ist die wohl einzige Frau im Rheinland, die in einer Herrenliga Fußball spielt. 2022 hat der DFB diese Revolution erlaubt, seitdem haben nur wenige Kickerinnen in Deutschland die Möglichkeit auch wahrgenommen. In Buchmüllers Fußballkreis Mittelrhein werden dazu keine Statistiken erhoben.
Ihre Gegner machen jedenfalls regelmäßig große Augen, wenn sie der 20-Jährigen das erste Mal gegenüber stehen. "Die meisten sind erstaunt und denken sich: 'Krass, da spielt eine Frau mit'", sagt Buchmüller. "Aber ich zeige dann auf dem Platz, dass ich mithalten kann."
Gutes Gehalt nur in der 1. Liga
"Mithalten" ist eine Untertreibung. Das sieht man bei Buchmüllers präzisen Bewegungsabläufen, wenn sie den Ball annimmt, passt und schießt. In der Jugend hat sie für den 1. FC Köln gekickt und war dort Kapitänin ihrer Mannschaft. Mit 16 Jahren wechselte sie zu Bayer Leverkusen. Im Damenbereich ging es in der Regionalliga gegen Größen wie Borussia Mönchengladbach, den VfL Bochum und Arminia Bielefeld.
Vor einem Jahr wechselte sie zurück zu ihrem Heimatverein nach Sankt Augustin und spielt dort seitdem als Verteidigerin in der ersten Herrenmannschaft. Sie hat den Leistungsbereich gegen die Kreisliga getauscht - "weil ich mein Studium begonnen habe und mir dachte, das Berufsleben geht vor", sagt Buchmüller. Denn nach wie vor können nur die Fußballerinnen in der 1. Liga gutes Geld mit dem Kicken verdienen.
Fußball in Sankt Augustin ist Familiensache
Außerdem ein wesentlicher Grund für den Wechsel: Ihre beiden Cousins Nico und Fabian Hoffmann spielen ebenfalls in der Mannschaft. Auch die Hoffmanns sind aus höheren Ligen zum FC Sankt Augustin gewechselt. Letztes Jahr half außerdem noch Onkel Markus Hoffmann, mittlerweile 48, in der "Ersten" aus.
Kicken in Sankt Augustin ist für Maike Buchmüller also eine echte Familienangelegenheit. "Wir haben eine enge Beziehung in der ganzen Familie. Wir sehen uns täglich und es gibt viele Treffen", erzählt die 20-Jährige. "Das merkt man auch auf dem Platz: Die Chemie untereinander stimmt und jeder weiß, wo der andere hinläuft."
Für die Mitspieler sei es am Anfang eine Überraschung gewesen, als eine junge Frau in der Kabine auftauchte, erinnert sich Cousin Nico Hoffmann. "Die haben sich erst mal erschrocken und dachten, sie macht nur zum Spaß beim Training mit", erzählt der Kapitän und Torjäger des FCA grinsend. "Aber dann hat sie Ernst gemacht." Längst ist die Verteidigerin ein beliebter und wichtiger Teil des Teams.
"Sie wird genauso drangenommen wie jeder andere"
Im Training steht als Nächstes eine Pass- und Schussübung an. Buchmüller dribbelt durch mehrere Hütchen, passt den Ball dann zurück zum Mitspieler. Ein Sprint hin, ein Sprint zurück, dann den Ball wieder vom Mitspieler aufnehmen und in ein Mini-Tor schießen. Anders als bei manch anderem im Team sind die Bewegungen bei ihr fließend, der Schuss stramm und präzise.
Trainer Alexander Faßbender beobachtet die Übung von außen. Er ist froh, dass er die 20-Jährige zurück nach Sankt Augustin locken konnte. "Maike hat eine sehr starke Ruhe am Ball, eine sehr gute Übersicht und sie kann schon vorher erahnen, wohin sie sich bewegen muss", sagt Faßbender. Dieses Jahr spielt die Mannschaft auch dank der Innenverteidigerin in der Spitzengruppe mit.
Aber es gibt auch Aspekte, die für Buchmüller im Vergleich zum Frauenfußball eine Herausforderung sind: Die Gegenspieler sind deutlich schneller und robuster. Trotzdem geht sie als Verteidigerin keinem Duell aus dem Weg. Wettkampfhärte entwickelt sie auch dank ihrer Mannschaftskameraden: "Maike hat keinen Sonderstatus. Sie wird im Zweikampf genauso drangenommen wie jeder andere", sagt Trainer Faßbender und lacht.
Vorbild für andere Fußballerinnen
Auf dem Platz läuft inzwischen das Trainingsspiel. Verteidigerin Buchmüller bekommt den Ball und schlägt ihn lang in die Spitze. Wie an der Schnur gezogen, landet die Kugel beim Stürmer ihrer Mannschaft. Der schiebt überlegen in die lange Ecke ein. Tor!
Auch wenn sie es selbst nicht betont, ist Maike Buchmüller mit ihrem Weg ein Vorbild für andere Frauen, die mit den Geschlechterrollen brechen und die Herausforderung einer Herrenmannschaft aufnehmen wollen. Ihr kurzer und knapper Tipp für Kickerinnen, die es versuchen möchten: "Keine Angst haben und einfach alles zeigen, was man kann."
Über das Thema haben wir am 30.10.2024 auch im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Bonn, 19.30 Uhr.