Zwei Männer stehen nebeneinander und lachen in Kamera

So entsteht Pferdefutter aus Solarstrom

Steinfurt | Landwirtschaft

Stand: 16.05.2023, 15:52 Uhr

Was tun, wenn zu viel Solarstrom und zu viel Heu da ist? Die Brüder Stiegemeyer aus Lotte-Wersen haben für ihren landwirtschaftlichen Betrieb eine ziemlich fortschrittliche Lösung gefunden.

Von Jana Brauer (Text) und Karin Wejdling (Multimedia)

Ein großer Strohballen wird vor den Füßen von Mathias Stiegemeyer auf einem Förderband abgeladen. Er steht auf einer Empore aus rot lackiertem Stahl in einer riesigen Halle. Er bückt sich und schneidet mit einem Taschenmesser die Bänder durch, die den Ballen zusammen halten. Dann setzt sich das Förderband in Bewegung und transportiert den Ballen Stück für Stück in eine Art Trichter. "Dort drin wird das Stroh zerkleinert", sagt Stiegemeyer und blickt dem Stroh hinterher. Mathias Stiegemeyer ist auf dem Hof seines Bruders Hendrik Stiegemeyer in Lotte-Wersen. Das ist eine kleine Gemeinde im Kreis Steinfurt.

Seit gut einem halben Jahr produzieren die Brüder dort Heu- und Strohpellets. Das sind kleine, fest zusammengepresste Bröckchen. Sie können zum Beispiel zum Einstreuen von Pferdeboxen oder auch als Pferdefutter genutzt werden. Das Besondere: Die Stiegemeyers produzieren ihre Pellets mit Solarstrom.

Solarenergie: Vorreiter aus Steinfurt

Im vergangenen Jahr hat Hendrik Stiegemeyer eine riesige Photovoltaikanlage auf seine Gebäude gebaut. Schnell zeigte sich, dass die Anlage mehr Strom produziert, als der Hof mit der Rinderhaltung verbraucht. Also was tun mit der ganzen Solarpower? "Irgendwie sind wir dann auf das Pelletieren gekommen", erinnert sich Mathias Stiegemeyer. Sein Bruder nickt zustimmend: "Wir haben Strom übrig gehabt und wir haben auch Heu aus Naturschutzwiesen."

So sieht die Solaranlage der Stiegemeyers aus der Luft aus

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Pellets aus regionalen Rohstoffen, produziert mit grünem Strom - das Geschäftsmodell der Stiegemeyers erfüllt Faktoren, die in Zeiten des Klimawandels eine immer größere Bedeutung haben. Mit der riesigen Photovoltaikanlage gehören sie zu den Vorreitern in Deutschland. Laut dem Bundeswirtschaftsministerium gehört die Photovoltaik zu den wichtigsten Stromerzeugungsquellen der Zukunft. Deshalb hat die Politik einige Pläne: Zum Beispiel soll der Ausbau weiter beschleunigt werden und für Privatpersonen soll es einfacher werden, Solarstrom einzuspeisen oder sogar an Nachbarn zu verkaufen.

Doppelte Ernte dank Agri-Photovoltaik

In der Landwirtschaft spielt die Photovoltaik eine immer wichtigere Rolle. Stichwort "Agri-Photovoltaik". Der Begriff bezeichnet ein Verfahren, bei dem Ackerflächen gleichzeitig zum Bepflanzen und zur Stromproduktion genutzt werden. In der Praxis sieht das dann so aus: Auf einem Acker steht ein meterhohes Gerüst auf dem Solarpanele angebracht sind, darunter wird der Acker ganz normal bepflanzt und bewirtschaftet.

Der Vorteil: "Mehr Flächeneffizienz", so das Fraunhofer Institut. Das Verfahren wurde bislang in Pilot-Projekten erprobt und ausgewertet. Unter anderem Kartoffeln, Weizen und Äpfel können den Pilotstudien zufolge gut unter den Anlagen wachsen und leiden nicht unter den Schattenspendern. Und auch mit Kräutern scheint es zu funktionieren: In Niedersachsen wendet ein Unternehmer, der Kräuter anbaut und trocknet, Agri-Photovoltaik im großen Stil an.

Katzenstreu für Pferde

Beim Hof Stiegemeyer liegen die Panels aber noch auf Scheunendächern und produzieren fleißig Strom. Ein Teil davon fließt in ihre Pelletiermaschine, vor der die beiden Brüder gerade stehen. Mathias und Hendrik Stiegemeyer haben die Anlage gebraucht gekauft. Ein riesiges Konstrukt. Viele Rohre, Förderbänder und Schläuche. Sie kann aus Strohballen rund 700 Kilo Pellets pro Stunde produzieren. Mathias Stiegemeyer drückt ein paar Knöpfe und es wird laut in der Halle. Die Maschine töst und beginnt mit der Produktion. In verschiedenen Arbeitsschritten werden Stroh oder Heu zerkleinert und schließlich in einer Presse zu Pellets verarbeitet.

Mathias Stiegemeyer erklärt Produktion der Pellets

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Die fertigen Pellets kommen auch auf dem Hof der Stiegemeyers zum Einsatz. Zum Beispiel in den Pferdeboxen. Dort arbeitet gerade Simone Stiegemeyer, die Frau von Mathias Stiegemeyer. "Der Vorteil der Pellets ist, dass sie wie Katzenstreu klumpen und man deshalb alles gut entnehmen kann", erzählt sie während sie mit einer Schaufel eine Box ausmistet. Die Strohpellets können im Gegensatz zum normalen Stroh mehr und vor allem besser Flüssigkeit aufsaugen.

Simone Stiegemeyer ist sichtlich begeistert von den Pellets. Während sie Pferdeäpfel in eine Schubkarre schüttet, zählt sie weitere Vorteile auf: "Ich muss weniger einstreuen, die Pferde stehen trockener und bei der Herstellung werden durch Hitze auch noch Pilzsporen und Keime abgetötet." Die Heupellets verwendet sie auch gerne als Futter für ältere Pferde mit Zahnproblemen. Dafür werden sie dann eingeweicht.

Frau schaut einem weiß-braunen Pferd beim Futtern zu

Die Heupellets können verfüttert werden, mit den Stohpellets werden die Ställe ausgesteut

Die Brüder Stiegemeyer haben auch schon ein paar Kunden, die ihnen Pellets abkaufen. Günstiger als normales Stroh sind sie allerdings nicht. Im Gegenteil: Eine Tonne Stroh-Pellets ist mit rund 300 Euro ungefähr doppelt so teuer, wie einfaches Stroh. Da man aber weniger verbraucht, rechnet es sich trotzdem, meinen die Brüder.

Über dieses Thema haben wir am 07.06.2023 auch im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Münsterland, 19.30 Uhr