Unterwegs mit dem Pferdezahnarzt
Stand: 12.05.2024, 09:40 Uhr
Bis zu 40 Zentimeter tief hängt Marc-Philipp Müller im Maul seiner Patienten. Wenn Pferde zum Zahnarzt müssen, ist er zur Stelle. Mit seiner mobilen Praxis ist er in den Ställen in Ostwestfalen-Lippe unterwegs. Für die Pferde nicht der angenehmste Besuch.
Von Josefine Upel (Text) und Christian Saftig (Multimedia)
Mit seinen Händen zieht Marc-Philipp Müller kräftig die Lippen von Queeny auseinander und schaut ihr tief ins Maul. Die braune Stute weiß, was kommt. Einmal im Jahr kommt der Zahnarzt zu Queeny in den Stall nach Lemgo. Mit gelben Handschuhen an den Händen und einer Kopflampe auf dem Kopf schaut sich Müller Zahn für Zahn an.
Queenys Zähne sind alle gelb-braun gefärbt. Die Verfärbungen kommen vom Futter und sind harmlos. Der 37-jährige Müller achtet vor allem auf die Form der Zähne. Scharfe Spitzen und Kanten können Mundhöhle und Zunge verletzen. Queeny wurden schon ein paar Zähne gezogen, weil die nicht gleichmäßig aufeinander liegen. Müller muss das heute korrigieren.
Warum Pferde nicht Marc-Philipp Müllers größte Fans sind
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Zahnschiefstellungen sind aber nicht Müllers einziges Aufgabengebiet. Die 36 bis 44 Zähne von Pferden nutzen sich unter anderem durch das feine Heu und das weiche Gras, das die Tiere auf Reiterhöfen fressen, häufig nicht genügend ab. Bei frei lebenden Steppentieren wie Wildpferden ist das anders. Ihr Futter ist im Vergleich deutlich härter. Pferde können außerdem wie Menschen Zahnstein, Karies oder Zahnfleischerkrankungen bekommen. Die Routinezahnbehandlung kostet bei Müller zwischen 210 und 250 Euro.
XL-Besteck und "Bier" zur Beruhigung
Der 37-Jährige hat Tiermedizin studiert und sich auf die Behandlung von Pferdezähnen spezialisiert. Er ist einer von wenigen Pferdezahnärzten in der Region und selbst begeisterter Reiter. "Die Stärke der Tiere fasziniert mich. Sie könnten uns jederzeit einfach über den Haufen rennen. Aber sie tun es nicht, sie sind gutmütige und sanfte Wesen."
Die Verfärbungen kommen vom Futter und sind kein Problem
Wenn Müller sein Zahnarzt-Besteck in XL-Ausführung auspackt und mit Zahnspiegel, elektrischen Schleifgeräten und Wasserschlauch tief im Maul steckt, kommt aber auch das gutmütigste Pferd an seine Grenzen. Für Queeny gibt es deshalb vor ihrer Behandlung eine Beruhigungsspritze. "Da muss ich ein bisschen aufpassen, dass sie mir nichts tut." Am Ende macht die Spritze die Arbeit für Arzt und Patient aber deutlich stressfreier. "Vielleicht kann man es damit vergleichen, wenn einer fünf Bier getrunken hat", sagt der 37-Jährige und streicht über Queenys Nasenrücken.
Mit dem laut surrenden Schleifgerät bearbeitet Müller Queenys Schneidezähne. Für die Backenzähne kommen bis zu einem halben Meter lange Instrumente zum Einsatz. Der letzte Backenzahn sitzt tief hinten im Maul unter dem Auge. "Da reden wir von einer Strecke von rund vierzig Zentimetern, die der Zahn von der Maulöffnung entfernt ist."
Warum sich der Tierarzt wie ein Handwerker fühlt
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Damit der Tierarzt so tief im Maul sorgfältig arbeiten kann, sind Queenys Kopf und Maul an einem speziellen Halfter befestigt, das Queenys weit geöffnetes Maul fixiert. Der Job ist durchaus gefährlich. "Das sind große, schwere Tiere und auch wenn sie es nicht böse meinen, können Verletzungen passieren." Wenn die Tiere ihn mit ihrem Kopf treffen, sei ein blaues Auge das kleinste Problem.
Queeny hat es geschafft und darf den Behandlungsplatz verlassen
Heute läuft alles rund. Queeny hat ihre Behandlung gut überstanden. An der Seite von Müller trottet die braune Stute gemütlich zurück in ihre Box. Für Müller geht es weiter. Auf ihn wartet schon die nächste Patientin.
Über dieses Thema haben wir auch am 14.02.2024 im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit OWL, 19.30 Uhr.