Gemeinsam jubeln: Der inklusive Fanclub des SC Paderborn
Stand: 31.05.2023, 16:12 Uhr
Evelyne Schubert begleitet Fußballfans mit kognitiven und körperlichen Beeinträchtigungen. Mit diesem Ehrenamt will sie der Gesellschaft etwas zurückgeben.
Von Florian Vitello
Mit Handicap ins Stadion
Als der Schlusspfiff ertönt, überkommt Heidi große Freude. Sie umarmt einen streng dreinschauenden Polizisten, dessen Miene sich unweigerlich in ein Strahlen verwandelt. Heidi ist eine von drei Fußballbegeisterten mit kognitiver Beeinträchtigung, die Evelyn Schubert heute ehrenamtlich zum Auswärtsspiel des SC Paderborn nach Hamburg begleitet. "Dieses Ehrenamt gibt unglaublich viel zurück", sagt die 61-Jährige. Sie arbeitet als Freiwillige für "Hand in Hand", ein Projekt der Caritas in Paderborn. 50 Frau und Mann stark ist die Truppe, auf 32 Bewohner kommen 18 Freiwillige. Schubert und die anderen Ehrenamtlichen haben viel zu tun, bei so einem Ausflug ins Fußballstadion. Die ein oder andere schöne Spielszene werden sie deshalb auch verpassen. Denn neben dem Organisieren von Essen und Getränken steht vor allem die emotionale Betreuung an diesem Abend im Vordergrund.
Evelyne Schubert ist leidenschaftlich Ehrenamtlerin und Fußballfan
Auf der Gefühlsachterbahn
57.000 Menschen im Volksparkstadion halten den Atem an. Schubert schlägt die Hände über dem Kopf zusammen und beißt sich auf die Lippe, als Florent Muslija, der zentrale offensive Mittelfeldmann des SC Paderborn, zum Strafstoß ansetzt. Es ist die 73. Spielminute und der HSV führt 2:1. Muslija schießt und versenkt den Ball schließlich im Tor. Schubert reiht sich ein in den frenetischen Jubel der angereisten Fans. Aber nicht alle Fans der inklusiven Fangemeinschaft haben mitbekommen, dass ihr Lieblingsverein den Ausgleich geschafft hat. Heidi ist noch sichtlich mitgenommen vom letzten Treffer des HSV zwanzig Minuten zuvor. Die 51-Jährige kommt seit fünf Jahren mit auf die Ausflüge von "Hand in Hand" und ist eigentlich ein Sonnenschein. Doch sie spürt den Unmut der anderen um sie herum vor dem Ausgleichstreffer. Eine Träne kullert ihr über die Wange. Schubert beugt sich strahlend zu ihr, spricht mit warmer Stimme und betont: "Heidi, wir haben ein Tor geschossen!" Es sind Momente wie diese, in denen deutlich wird, wie wichtig die Unterstützung der Ehrenamtlichen ist. Heidi beginnt die Situation zu verstehen, jubelt und herzt ihre Begleiterin. Ihre gute Laune steckt jetzt auch die Sitznachbarn an. Ein anderer aus der Fantruppe schlägt rhythmisch mit der Faust auf den Platz seines Vordermannes und singt die Hymne des SC Paderborn.
"Hand in Hand" beim Auswärtsspiel in Hamburg
Für die Fußballfans aus Paderborn sind Auswärtsfahrten noch einmal etwas ganz Besonderes. Ohne die Ehrenamtlichen wären solche Reisen nicht möglich.
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Mobil sein heißt dabei sein
Schubert engagiert sich seit einem guten Jahr in der inklusiven Fangemeinschaft, die bereits vor 14 Jahren auf Initiative eines Bewohners der Caritas startete. Seitdem ermöglichen Spenden von Privatpersonen und Unternehmen aus Paderborn und Höxter das Projekt. Den Initiatoren ist es besonders wichtig, dass die Bewohner möglichst keinen oder höchstens einen besonders geringen Eigenbeitrag leisten müssen. Ihre finanzielle Situation ist zumeist ohnehin schwierig genug.
Die allermeisten Fans der inklusiven Fangemeinschaft sind nicht mobil. Ohne die Begleitung der Ehrenamtlichen wäre es für sie kaum möglich, so weit weg von Zuhause zu sein. "Wer nicht mobil ist, ist nicht dabei und wer nicht dabei ist, gehört nicht dazu", sagt Schubert. Eine inklusive Gesellschaft funktioniert nur mit Teilhabe. Dafür kämpfen die Freiwilligen. Schubert selbst erfuhr über einen Bekannten in ihrem evangelischen Kirchenkreis der Gemeinde Schloss Neuhaus von "Hand in Hand".
"Ich möchte der Gesellschaft etwas zurückgeben, weil es mir gut geht, meiner Familie gut geht", sagt sie. Was sie und die Menschen, die sie begleitet, eint, ist die Liebe zum Fußball und die Hingabe zum SC Paderborn. Insgesamt 80 Fans der inklusiven Fangemeinschaft besuchen jedes Heimspiel. Der Ausflug ins Volksparkstadion ist für alle noch einmal etwas ganz Besonderes.
Quasi ein Sieg für alle
Nach dem Spiel kann auch das berühmte Hamburger Schietwetter die gute Laune des Fanclubs nicht verderben. Die Freiwilligen passen auf, dass niemand im Nieselregen ausrutscht. Auf dem Rückweg schirmen Betreuer ihr Schützlinge vor betrunkenen Fans ab und müssen aufpassen, dass niemand verloren geht. Und tatsächlich sitzen am Ende alle wohlbehalten im Bus. Eine Bewohnerin schläft friedlich, ein anderer feixt. Als der Busfahrer die Türen schließt, stimmt die Gruppe eine Fanparole an. "Das Auswärtsspiel war ein voller Erfolg", sagt Schubert, "dass sie keine drei Punkte holen konnten, ist eine Niederlage für den HSV und das ist quasi ein Sieg für den SC Paderborn."
Für die Fußballfans aus Paderborn kann es nur einen einzig wahren Club geben
00:12 Min.. Verfügbar bis 15.05.2025.