Mann mit gelber Kappe bietet einem sitzenden Mann Zeitschriften zum Verkauf an

Beruflich auf Kneipentour: Ein Abend mit Walter Hoischen in Köln

Köln | Heimatliebe

Stand: 21.08.2023, 16:13 Uhr

Stadt-Magazine, Comics und ausgewählte Bücher – das ist die Ware von Walter Hoischen. Um sie zu verkaufen, geht er damit auf Tour durch Kölner Gaststätten und Kneipen. Und das macht er jetzt seit 40 Jahren – Abend für Abend.

Von Renate Streit

"Heute könnte es schwer werden", sagt Walter Hoischen. Es ist 18 Uhr an einem Freitagabend und sehr heiß in Köln. "Gestern war Feiertag und viele sind über das lange Wochenende weggefahren. Ich hoffe, dass ich ein, zwei Hefte in jeder Kneipe verkaufe." Sein alter VW-Bus parkt vor einer Kneipe in Köln-Sülz. Auf der Ladefläche stehen Kisten mit der Ware: Stadt-Revue, Asterix, Lucky Luke und eine kleine Auswahl an Büchern. Hoischen stellt sich ein Sortiment zusammen und geht los. Die Tische auf der Terrasse sind gut besetzt, die Gäste genießen das schöne Wetter bei Kaffee oder Kölsch.

"Guten Abend, das neue 11 Freunde, Tag und Nacht, Stadt-Revue, Titanic." Mit dem immer gleichen Satz geht Walter Hoischen von Tisch zu Tisch. Hier hat er kein Glück. Die Gäste interessieren sich nicht für sein Angebot. Doch davon lässt er sich nicht die Laune verderben: "Wenn sie nein sagen, ist das okay. Ich sammele die Neins, weil sie mich zum nächsten Ja bringen."

Man mit gelber Kappe und orangenem Hemd steht vor einem Kneipentisch an dem zwei Frauen sitzen

Walter Hoischen zieht von Tisch zu Tisch

Hoischen ist selbstständiger Buchhändler

Vor 40 Jahren hat Walter Hoischen die ersten Stadt-Magazine in den Gaststätten verkauft. Über eine Krankheitsvertretung ist der studierte Sportlehrer 1983 zum Verlag gekommen und hat sich sein Vertriebsnetz in vielen Kölner Vierteln aufgebaut. Heute ist er 73 Jahre alt und zieht nur noch durch Sülz, Klettenberg und die Südstadt. Als selbständiger Buchhändler bekommt er Provision von den Verlagen. Damit habe er viel Geld verdient, seine Alterssicherung geschafft und seine beiden Söhne finanziell unterstützt, erzählt er. Ans Aufhören denkt er noch lange nicht. "Ich bin Zuhause in meinem Viertel Köln-Sülz, das ist Heimat. Die Menschen freuen sich, wenn sie mich sehen. Was willst du mehr? Draußen sein, diese kleinen Gespräche haben, das ist für mich Labsal, wunderbar."

Mann in orangenem Hemd steht vor einem Sonnenblumenbeet

Walter Hoischen und seine Sonnenblumen, die "Sülzer Riesen"

Im zweiten Lokal hat er Glück. Dort sitzen zwei Gäste, die den Verkäufer schon seit langem kennen. Sie kaufen ihm ein Stadt-Magazin und einen Comic ab. Dazu gibt es einen Umschlag mit einem von Hoischen verfassten Gedicht. Dieses Mal erzählt es eine Geschichte über Marienkäfer, in der nächsten Woche wird er ein neues Werk dabei haben. Und wenn gewünscht, trägt er seine Poesie auch vor.

Auch die beiden Frauen am nächsten Tisch kennen Walter Hoischen. Kaufen möchten sie nichts, aber er bleibt dennoch bei ihnen stehen und nimmt sich Zeit für ein Gespräch. Sie haben viele Fragen zu den "Sülzer Riesen", den Sonnenblumen, die Hoischen in Köln pflanzt und pflegt. Für ihn sind sie seine "Freundinnen des Sommers". Er hat sogar seinen eigenen Dünger entwickelt, damit die Pflanzen prächtig gedeihen und es auf eine stattliche Höhe bringen. Das Geld dafür kommt über Spenden von Kölnerinnen und Kölnern. "Das ist meistens mehr, als ich für die Pflanzen brauche. Was übrig ist investiere ich in soziale Projekte in Indien".

Persönliche Widmung gibt es gratis dazu

Doch heute geht es weiter in die nächste Kneipe nach Köln-Klettenberg. In dem großen Biergarten sind viele Tische besetzt, das Stimmengewirr der Gäste ist bereits vor dem Eingang zu hören. An einem Tisch sitzen sechs Freunde, sie sind aus Hürth gekommen. Die Stimmung ist ausgelassen und sie möchten einen Comic kaufen – aber er soll ganz individuell sein. Hoischen soll eine Widmung in das Buch schreiben. Schnell dichtet er ein paar Zeilen und liest die Reime vor. Dafür gibt es großen Applaus von den Kunden.

So klingt Walter Hoischens Gedicht für einen Kunden

00:11 Min. Verfügbar bis 20.07.2025

"Ich habe im Leben nichts falsch gemacht. Das sind so schöne Momente mit den Menschen – und das darf ich jetzt schon 40 Jahre lang erleben", sagt er und zieht weiter in die nächste Kneipe.

Über dieses Thema berichteten wir auch im WDR Fernsehen am 26.07.2023: Lokalzeit Köln, 19.30 Uhr.