Lauf-Legende und Pionier: Wie Peter Berghaus Historisches geleistet hat
Stand: 30.01.2025, 07:37 Uhr
Seit 1977 bringt der Silvesterlauf auf Zollverein Menschen zusammen. Peter Berghaus steckt jedes Jahr Herzblut, Schweiß und wortwörtlich auch Tränen in das Event. Wie ein übergewichtiger Junge aus Essen zu einem Sport-Pionier wurde.
Von Katharina Paris
"Laufen ist mein Leben"
Peter Berghaus steht vor der Kulisse der Zeche Zollverein. Hinter ihm hunderte Läuferinnen und Läufer, die ungeduldig an der Startlinie auf das Signal warten. Es ist kalt an diesem Vormittag. Die Sportler, einige von ihnen in kurzen Hosen und T-Shirts, hüpfen ungeduldig auf und ab. Sie wollen loslaufen. Aber Peter Berghaus lässt sich Zeit. Erst wird das Steigerlied gesungen.
Dann zählt er von zehn runter: "Zehn, neun, acht, sieben…" Die Zuschauer stimmen mit ein, auf null rennen die Läuferinnen und Läufer los. Zehn Kilometer liegen vor ihnen.
Peter Berghaus beim Startschuss für den Silvesterlauf an der Zeche Zollverein
00:18 Min.. Verfügbar bis 30.01.2027.
Der Silvesterlauf auf Zollverein ist seit Jahren der Abschluss für alle Lauffreunde in und rund um Essen. 700 Menschen rennen diesmal mit. Die Nachfrage ist sogar noch größer, aber mehr lässt Veranstalter Berghaus nicht zu. Denn jeder bekommt eine Medaille und eine Urkunde. Die drei Erstplatzierten kleine Geschenke. Startnummern müssen vorbereitet und ausgegeben werden.
Das alles bereitet Berghaus mit dem kleinen Team seines selbst gegründeten Vereins "Team Essen 99" vor. 1977 hat Berghaus den Lauf zum ersten Mal veranstaltet, damals noch in Haarzopf. Kurze Zeit später gelingt ihm auch Historisches: 1982 veranstaltet er in Essen den ersten Triathlon überhaupt in Deutschland.
"Laufen ist mein Leben", sagt Berghaus. Dabei bricht seine Stimme, seine Augen füllen sich mit Tränen. "Hach, geht schon wieder los", sagt er und lacht ein bisschen verlegen. Der 75-Jährige ist ein emotionaler Mensch. Beim Gespräch mit ihm in einem Essener Café, wenige Wochen vor dem Silvesterlauf, kommt es immer wieder vor, dass er von seinen Emotionen überwältigt wird. Bei all den Geschichten, die der ehemalige Triathlet und Duathlet erzählt, ist das kein Wunder.
Scheiß auf die Medaille - pack noch Klopse drauf!
Ernst Peter Berghaus, so sein vollständiger Name, wird im Mai 1949 in Essen geboren. Er wächst mit vier Geschwistern im Stadtteil Kray auf. Sein Großvater und sein Vater sind Steiger auf den Zechen Bonifacius und Ernestine. Als Kind ist Berghaus stark übergewichtig, wiegt mit acht Jahren über 100 Kilo. "Ich konnte das erste Schuljahr gar nicht besuchen", erzählt Berghaus. Während seine sportlichen Schwestern erfolgreich bei den Bundesjugendspielen sind, schaut er nur zu.
"Irgendwann hab ich mal zu meiner Omma gesagt: Omma, ich ess nichts mehr. Ich will auch mal eine Medaille gewinnen." Sein Vorsatz hält nicht lange. "Nach einer halben Stunde hab ich gesagt: Omma, scheiß was auf die Medaille, pack mir noch einen Königsberger Klops mehr drauf."
Erst mit 16 Jahren verändert sich das. "Mich hat kein Mädchen angeguckt, weil ich so dick war." Berghaus fängt an zu trainieren. Zunächst läuft er kurze Strecken, dann immer längere. Der Essener geht auf im Sport, vor allem in der Leichtathletik. Nebenbei macht er eine Ausbildung zum Sanitärinstallateur und arbeitet später bei den Stadtwerken Essen. Später arbeitet er als Trainer. Beim TuSEM Essen coacht er unter anderem Olympia-Teilnehmerin und Siebenkampf-Weltmeisterin Sabine Braun in deren Jugendjahren. Zu seinen Schützlingen zählt später auch der Essener Schwimmer und Olympia-Bronzemedaillengewinner Christian Keller.
Neben der Veranstaltung von Wettkämpfen, coacht Peter Berghaus auch junge Talente
Aber wie ist er nun zum Triathlon gekommen? Das war 1982, als sein Freund Wolfgang Kreme ihm beim gemeinsamen Lauf im Essener Stadtwald aufgeregt von einer Fernseh-Reportage über den Ironman auf Hawaii erzählt. "Wir waren total fasziniert davon, was die im Wasser, auf dem Rad und auf den Beinen für Distanzen zurückgelegt haben. Total bekloppt." Beide sind sofort begeistert und organisieren kurzerhand im April 1982 in Essen den ersten Triathlon Deutschlands. Die Strecke: 1600 Meter im 50-Meter-Becken des Rüttenscheider Bads, dreimal mit dem Rad um den Baldeneysee, etwa 70 Kilometer, und drei Runden durch den Stadtwald, 12 Kilometer.
Auf dem Damenfahrrad ohne Gangschaltung
Es gibt viele Geschichten über diesen ersten Triathlon. Am liebsten erinnert sich Berghaus an folgende: "Einer kam ganz spontan und gar nicht richtig vorbereitet dazu. Er ist die 70 Kilometer mit einem alten Damenfahrrad gefahren. Ohne Gangschaltung. Er hat so komisch über diesem runden Lenker gehangen. Das muss man sich mal vorstellen. Der war schon beim Schwimmen vorher der Schnellste und hat bis zum Laufen auch geführt." "Der" ist übrigens Michael Allwermann, damals Leistungsschwimmer und Bundeswehrsoldat auf Wochenendbesuch. Er kommt am Ende als Vierter von insgesamt 48 Teilnehmern ins Ziel. Wer gewonnen hat, weiß Berghaus nicht mehr. Es gibt weder Aufzeichnungen noch Fotos von diesem geschichtsträchtigen Event. Dafür aber jede Menge Erinnerungen.
Viele Erinnerungen: Peter Berghaus blättert durch alte Fotos
00:24 Min.. Verfügbar bis 30.01.2027.
Berghaus organisiert über die Jahre viele weitere Wettkämpfe. Und läuft selbst bei zahlreichen Triathlons und Duathlons auf der ganzen Welt mit. Langdistanz, Kurzdistanz. Er nimmt alles mit. Wie schnell er am Ende ist, ist ihm egal. "Ich kenne keine Uhren. Ich kenn nur Gegner", sagt Berghaus. "Hauptsache, die Landschaft ist schön und die Menschen nett."
Er wird Deutscher Meister, Europameister und Weltmeister mit der Mannschaft. Sein Markenzeichen: Kurz vor dem Zieleinlauf zieht er sich einen Schuh aus. Damit will er deutlich machen: "Ohne mein Material hätte ich nie so erfolgreich sein können." Der Essener hat als Sportler viel erlebt. Nur den Ironman auf Hawaii ist Berghaus nie mitgelaufen. "Der war mir zu teuer", sagt er. "Da bin ich doch lieber in Holland gestartet."
Großes Herz und große Emotionen
Seit einigen Jahren läuft der ehemalige Triathlet nicht mehr selbst. Doch ganz aufhören kann er natürlich nicht. Einmal in der Woche trainiert er eine Gruppe Läufer im Essener Stadtwald, veranstaltet den Seelauf im Oktober und eben seit so vielen Jahrzehnten den Silvesterlauf auf Zollverein. Seit einigen Jahren sammelt er dort auch für den guten Zweck. Der Erlös aus der aufgestellten Spardose geht dieses Mal an ukrainische Kinder. "Das ist doch irgendwie der Sinn des Lebens, oder? Dass man zusammenhält und sich hilft."
Der Silvesterlauf wird von der Brassband "Die Zebras" musikalisch untermalt
Peter Berghaus ist beim Silvesterlauf ganz in seinem Element. Und natürlich rollen ihm auch immer mal wieder Tränen übers Gesicht, wenn er ins Mikrofon spricht. Nur seinen Schuh, den zieht er mittlerweile nicht mehr aus.