Wer zum ersten Mal das Wohnzimmer des 20-jährigen Dennis Vette in Stemwede im Kreis Minden-Lübbecke betritt, bekommt einen Schock. An den Wänden: eine 70er-Jahre-Tapete mit braun-orangenen Kreisen, ein gerahmtes Porträt von Erich Honecker. DDR-Grenzschutzuniformen. Ein grünes Plüsch-Sofa. Alles von ostdeutschen Antiquitäten-Händlern. Dabei gab es die DDR schon seit rund 15 Jahren nicht mehr, als Vette überhaupt geboren wurde.
Dennis Vettes DDR-Wohnzimmer: Alles von ostdeutschen Antiquitäten-Händlern
"Ich habe die Sachen alle in Ostdeutschland gekauft. Ich finde es einfach cool. Nicht das politische System damals, das war furchtbar. Aber die Autos, Möbel, Klamotten - die haben halt einfach was an sich", sagt Vette über seine Sammelleidenschaft. Wegen seiner Liebe haben Vettes Freunde ihm sogar einen Spitznamen verpasst: "DDR-Dennis".
Mit seiner Faszination die Produkte und das Leben in Ostdeutschland ist Vette nicht allein in NRW. Die Ostalgie, eine Wortschöpfung aus den Begriffen Nostalgie und Osten, zeigt sich in vielen Beispielen. Inzwischen lassen sich in fast jedem Supermarkt Spreewaldgurken finden, "Pfeffi" ist zum Party-Trendgetränk geworden und laut Kraftfahrt-Bundesamt sind in NRW fast 1.500 Trabis zugelassen. Ihre Anzahl ist in den vergangenen Jahren sogar gestiegen.
Zwei von ihnen gehören Vette. Er sitzt inzwischen nicht mehr auf dem Sofa in seinem Wohnzimmer, sondern auf dem Fahrersitz eines blauen Trabant 601 S. "Schorsch" hat er ihn getauft. Als er den Schlüssel umdreht, hustet aus seinem Auspuff eine blau-graue Abgaswolke in den Himmel. Der Metallbau-Azubi vorne am Steuer freut sich.
Schorsch, das Ungetüm
Im Auto ist es alles unfassbar laut, es rappelt, quietscht und röhrt - und schon 80 Stundenkilometer fühlen sich an, als könnte der Oldtimer in der nächsten Kurve einfach auseinanderfallen. Vette findet den Wagen gerade deswegen einfach nur großartig.
Auf Tour mit Trabi "Schorsch"
00:21 Min.. Verfügbar bis 22.07.2026.
Der 20-Jährige weiß noch genau, wo er Schorsch entdeckt hat: "Das war Liebe auf den ersten Blick. Ich war mit 16 mit meinen Eltern im Urlaub auf einem Campingplatz. Und da stand dieser Trabi, mit einem Schild: Zum Restaurieren zu verkaufen. Ich habe den gesehen und wusste sofort: Den will ich."
Nach dem ersten Trabi kamen noch mehr
Vette bearbeitete seine Eltern tagelang. Vor allem sein Vater Reinhard Vette war skeptisch. Seine Sorge: Es könnte nicht genügend Ersatzteile geben. Vater und Sohn fanden einen Händler, der auf Ersatzteile für alte Trabanten spezialisiert war. Da gab Papa sein Ok. Vette handelte den Vorbesitzer von 500 Euro auf 250 Euro runter und bezahlte mit seinem Taschengeld.
Was Dennis Vettes Vater über das Hobby seines Sohnes denkt
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Der damals 16-Jährige restauriert den Wagen fast allein, abends und am Wochenende, auf dem ehemaligen Bauernhof seiner Eltern in einer kleinen Garage. Da verbringt der Metallbau-Azubi seine Freizeit am liebsten. Es riecht nach Super bleifrei und Öl. An den Wänden: PinUp-Kalender und Regale für Werkzeug.
Grenzenlose Liebe zu Trabis - oder doch nicht?
Als der Wagen fertig war, musste Vette noch ein Jahr bis zu seinem Führerschein warten. Mittlerweile hat er noch einen zweiten Trabanten überholt, einen grauen Hycomat 601. Und ein dritter steht noch in jämmerlichem Zustand an der hinteren Wand der Werkstatt: als völlig leer geräumte Papp-Karosse mit ausgebautem Motor.
Dennis Vettes dritter Trabi ist alles andere als fahrbereit...
Auch wenn Vette seinen Trabi liebt, ist es nicht immer einfach mit ihm. Schorsch brennen häufiger mal Sicherungen durch. Der vierte Gang macht oft Probleme. Und wenn man unter dem Lenkrad den Benzinhahn zu früh oder zu spät aufdreht, dann lässt der 601 S den Sprit auch einfach mal auf den Boden unter ihm tropfen. Auch zu einem ersten Date würde Vette nicht mit ihm fahren: "Da nehme ich lieber meinen VW Polo. Damit der erste Eindruck nicht ganz so schräg wird."
Über dieses Thema haben wir auch am 06.06.2024 im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit OWL, 19.30 Uhr.