So sehen die Rizzi-Fenster in Essen aus
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Pop-Art-Fenster von James Rizzi lassen Essener Kirche erstrahlen
Stand: 14.01.2025, 07:14 Uhr
Zwei Kirchenfenster hat der bekannte New Yorker Künstler James Rizzi entworfen. Beide befinden sich in der Essener Kreuzeskirche. Wie ein Essener Pfarrer es geschafft hat, den bekannten Pop-Art-Künstler für seine Kirche zu begeistern.
Von Sabine Kowalczyk
Ein mutiger Pfarrer
Alles beginnt mit einem begeisterungsfähigen und mutigen Pfarrer. Steffen Hunder spricht eine lockere Ruhrgebiets-Schnauze, die auf den ersten Blick nicht unbedingt zu einem evangelischen Pfarrer passt. Hunder duzt jeden. Seine Sätze bringen deutlich auf den Punkt, was er meint. Die Liebe zu Menschen und die Leidenschaft für seine Kreuzeskirche ist ihm deutlich anzumerken. "Wenn man Visionen hat, muss man zum Arzt gehen", sagt er. "Aber nur wenn man große Träume hat, kann man die auch realisieren." Und das ist Hunder gelungen, auch wenn zu Anfang die Zweifel überwogen. Als er von seiner Idee erzählt, den berühmten Pop-Art-Künstler James Rizzi aus New York zu fragen, ob er zwei Kirchenfenster designen will, "da haben alle gesagt: Jetzt ist der Pfarrer völlig durchgeknallt."
Steffen Hunder vor einem der Rizzi-Fenster
Die Kreuzeskirche liegt mitten in der Essener City. Von außen fällt sie nicht weiter auf. Wer die Kirche betritt, entdeckt zwei knallbunte Kirchenfenster im Comic-Stil. Selbst bei grauem Licht zaubern die beiden sieben Meter hohen und fünf Meter breiten Fenster bizarre Farben und Lichtreflexe auf die schlichten, weißen Wände. Die Fröhlichkeit und Vielfalt der Bilder lassen die Welt draußen einen Moment lang stillstehen. Doch wie kommen solche Fenster in eine Kirche in Essen?
Steffen Hunder behält seine Idee, Kirchenfenster in einer modernen Bildsprache zu haben, lange für sich. Nach einem Jahr entscheidet er sich, eine bekannte Glaskunstfirma anzusprechen, die unter anderem Fenster für den Kölner Dom gefertigt hat. Auf dem Weg in den Urlaub erzählt Hunder seinen Kindern von dem Plan, "Mein Sohn sagte: Hast du denn da einen Termin? Nö, sagte ich, fahren wir einfach mal hin."
Das Fenster in der Essener Kreuzeskirche
Hunder kontaktiert die Firma Derix in Taunusstein. Barbara Derix hat damals ihren ersten Tag als Geschäftsführerin des Traditionsunternehmens. "Das ist eine der wundersamen Geschichten um diese Kirchenfenster. Barbara Derix sagte damals tatsächlich: Pastor, Sie schickt der Himmel." Denn sie plant, drei Wochen später nach New York zu reisen, um neue Künstler zu finden und ihre Glaskunst auch in Amerika zu verkaufen "Ob das Zufall war oder eine himmlische Hand geholfen hat, weiß ich natürlich nicht", meint Steffen Hunder.
James Rizzi: Pop-Art trifft sakrale Kunst
"Ich war völlig elektrisiert. Und darauf kommt es an: Auch wenn deine Idee ein Luftschloss ist, wenn du andere Leute dafür gewinnen kannst, kann sie Realität werden." Tatsächlich gelingt es Barbara Derix in New York, James Rizzi zu treffen und er sagt zu.
James Rizzi (1950-2011)
James Rizzi gehörte neben Andy Warhol zu den berühmtesten Künstlern im Bereich Pop-Art. Kindlich verspielte Figuren und bunte Farben waren seine Markenzeichen. Zu seinem charakteristischen Stil gehören lachende Gesichter, die Lebensfreude und Optimismus ausstrahlen. Sehr bekannt sind seine Bilder mit lachenden Häusern.
"Yes I do it", sind die Worte, mit denen Rizzi zusagt, erzählt Hunder. Nur sind es die ersten Kirchenfenster, die er designen sollte. Er weiß also nicht, so recht, was er machen soll, schickt also eine E-Mail und fragt nach. Hunder antwortet: "Marc Chagall hat Marc Chagall gemacht, Kandinsky hat Kandinsky gemacht. Und du machst Rizzi. Du machst deine Bildsprache". Der Pfarrer vertraut darauf, dass der berühmte Künstler die Bibel in seinem ganz eigenen Comic-Stil ins Bild setzen würde. "Rizzis Arbeiten sprühen vor Lebensfreude und Optimismus, das passt einfach zu unserer Kreuzeskirche".
Eines der Rizzi-Fenster im Detail
Eine Kirche voller Leben und Wandel
Rizzis Fenster zeigen zum Beispiel die Hochzeit zu Kanaan, bei der Jesus Wasser zu Wein verwandelt hat, weil der Wein ausgegangen war. Jesus hat mit den Menschen gefeiert und sich mit ihnen gefreut. Abgebildet wird er auf dem Fenster als lächelnder Superstar, umgeben von Engeln und knallbunten Menschen im Comic-Stil. Auch Petrus und seine Gefährten sind beim Fischen zu sehen, dazwischen Vögel, Blumen und Sterne, alles umrahmt von knallroten Herzchen. Im zweiten Fenster ist Jesus nicht wie sonst so oft leidend am Kreuz hängend, sondern geborgen in der Gegenwart eines lachenden Gottvaters abgebildet.
Steffen Hunder über die schönste Begegnung durch die Rizzi-Fenster
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"Rizzi wollte den Menschen den Glauben in einer zeitgemäßen Sprache nahe bringen", sagt Hunder. Und so sieht es auch der Pfarrer: "Wir wollen eine frohe Botschaft verkünden und keine Drohbotschaft." Man sieht Menschen, die ihre Gläser erheben und einander zuprosten. Darf man das in der Kirche? "Na klar", meint Steffen Hunder. "Man darf doch das Leben feiern".
Späte Umsetzung und früher Tod
2002 übergab James Rizzi die fertigen Entwürfe für die Kirchenfenster. Damals war allerdings nicht klar, wie es mit der renovierungsbedürftigen Kreuzeskirche weitergehen würde. Sogar ein Abriss stand zur Debatte. Es dauerte Jahre, bis ein ganz neues Konzept für die Kirche entwickelt werden konnte. Sie wurde verkauft und wird jetzt auch gewerblich genutzt. 2016 wurden schließlich die Rizzi-Fenster eingebaut. Heute finden in der Kirche zum Beispiel Modenschauen, Firmenfeste, Techno-Partys und Boxkämpfe, aber auch Gottesdienste statt.
Die Essener Kreuzeskirche von außen
Für Pfarrer Hunder ist es immer noch "ein kleines Wunder", dass Rizzis Fenster die Kreuzeskirche schmücken. "Aber das größte Wunder ist: Rizzi wollte gar kein Honorar, er fand die Idee einfach gut". Leider konnte der Künstler den Einbau seiner Kirchenfenster nicht mehr erleben. Er starb 2011 mit 61 Jahren an einem Herzinfarkt. Es werden also weltweit die einzigen Kirchenfenster von James Rizzi bleiben.
Infos zur Kreuzeskirche in Essen
- Adresse:
Kreuzeskirchstraße 16, 45127 Essen
- Öffnungszeiten:
Mittwoch: 12 bis 18 Uhr
Donnerstag: 12 bis 18 Uhr
Samstag: 11 bis 17 Uhr
- Gottesdienst:
Sonntag: 11.15 bis 12.15 Uhr
- Offene Kirche:
Sonntag: 12.15 Uhr bis 13.15 Uhr