Zwischen den Stühlen: Nachtbürgermeister im Wuppertaler Luisenviertel
Stand: 27.07.2024, 09:51 Uhr
25 Jahre hat Tom Plath in der Gastronomie im Wuppertaler Luisenviertel gearbeitet. Keine schlechte Qualifikationen für seinen Job als Nachtbürgermeister. Wie schafft er es, zwischen den Feiernden im angesagten Kneipenviertel, den Anwohnern, Gastronomen und Geschäftsleuten zu vermitteln?
Von Annette Hager
Die Straßen im Wuppertaler Luisenviertel sind der real gewordene Lebenslauf von Tom Plath. Er geht vorbei an angesagten Kneipen wie "Köhlerliesel", "Viertelbar" und "Edelrost". Zu jeder von ihnen könnte er stundenlang erzählen, hat dort als Betriebsleiter oder Geschäftsführer gearbeitet. Noch ist hier nicht viel los. Das wird sich am Abend ändern. In den engen Gassen zwischen den Altbaufassaden schlägt das Herz der Stadt.
Nachtbürgermeister als Vermittler
Plaths Aufgabe ist es, dass das auch so bleibt. Seit November 2023 ist der 48-Jährige Nachtbürgermeister in Wuppertal und muss viele Interessen gleichzeitig unter einen Hut bringen. Das Viertel verdankt seinen besonderen Charme der Vielfalt hier - die zugleich Kern vieler Konflikte ist. Die einen lieben besonders das Laute und Lebendige im Viertel. Andere schätzen den dorfähnlichen Charakter, der langsam verloren zu gehen droht. Das Nachtbürgermeisterteam sammelt, vermittelt, verbindet. "Auch Corona hat Spuren hinterlassen", erklärt Plath, "die Menschen müssen wieder lernen, aufeinander zuzugehen."
Welche Probleme Tom Plath im Viertel sieht und wie er sie lösen will
00:58 Min.. Verfügbar bis 27.07.2026.
Plath ist nicht der einzige Nachtbürgermeister in Nordrhein-Westfalen. In Dortmund gab es gegen Ende der Corona-Pandemie den ersten Nachtbürgermeister in NRW, auch in Münster gibt es seit 2022 eine entsprechende Stelle. "Ich bin kein nächtlicher Aufpasser", sagt Plath. Das zu betonen, ist ihm wichtig. "Das machen Polizei und Ordnungsamt."
Weil er kein politisches Amt hat und nicht gewählt wurde, fremdelt er etwas mit dem Titel, aber nicht mit seiner Aufgabe. Der Zuspruch, der Plath bei Amtsantritt von Kneipenwirten, Anwohnern, vom Bezirksbürgermeister oder dem Leiter des Sozialamtes entgegengebracht wurde, war groß. Die Erwartungen auch. "Die Fülle an Anliegen, die Menge der Anfragen, das habe ich völlig unterschätzt."
Seine Motivation hat das eher angetrieben als gebremst. "Ich will dem Viertel etwas zurückgeben. Nicht immer nur kritisieren, sondern etwas tun", sagt der 48-Jährige und blickt vom Laptop auf, der vor ihm auf dem dunklen Holztisch steht. Der gelernte Schreiner, der während seines anschließenden Architektur-Studiums angefangen hatte zu kellnern, sitzt inzwischen an einem Tisch im Café du Congo. Ebenfalls eine dieser Kult-Kneipen im Luisenviertel.
Team Nachtbürgermeister
Seit einigen Wochen hat der Nachtbürgermeister hier tagsüber eine Sprechstunde. Mittendrin und ansprechbar sein, das sei wichtig für seine Arbeit. Auf dem Luisenfest Ende Mai, dem traditionellen Aushängeschild des Quartiers, ist er mit einem Klapptisch durch die Straßen gezogen, um ins Gespräch zu kommen. Unterstützung bekommt Plath bei diesen Terminen von Leyla Kugu. Die 33-Jährige hat neben ihm auf einem der dunklen Holzstühle im Café du Congo Platz genommen.
Auf dem Luisenfest gab es viele Terminanfragen der Anwohner
Als Anwohnerin kennt Kugu die Probleme und viele Akteure aus nächster Nähe. Auch sie hat eine besondere Beziehung zum Viertel, wohnt hier seit mehr als sieben Jahren. Als Team auftreten zu können, habe viele Vorteile, sagt Plath: "Manche Gespräche führt vielleicht eine Frau besser. Dass Leyla türkisch spricht, ist auch von Vorteil."
Wie sich sich Tom Plath und Leyla Kugu bei ihrer Arbeit ergänzen
00:54 Min.. Verfügbar bis 27.07.2026.
Diffuses wird konkret und: Reden hilft
Seit Amtsantritt hat Plath in verschiedenen Konflikten vermittelt. Seit die Gastronomen strikter darauf achten, nur Hintergrundmusik zu spielen und die Bässe rauszunehmen, finden Anwohner mehr Nachtruhe. Auf dem Luisenfest wurde eine Hauptbühne statt in der engen Häuserschlucht neben einer Parkanlage platziert. Als nächstes will er Probleme mit dem Müll angehen. Dafür sucht er neue Mülleimer, an denen Flaschen separat, aber bruchsicher, abgestellt werden können.
Auch für Mussa Hadic ist der Nachtbürgermeister eine Bereicherung
Der 43-jähirge Gastronom Mussa Hadic ist froh über den Einsatz von Plath. Wie praktisch so eine vermittelnde Stelle sein kann, weiß er aus eigener Erfahrung. Sein Restaurant Alaturka und der dazugehörige Innenhof locken viele Gäste ins Viertel. Ein Nachbarschaftsstreit wegen Lautstärke drohte vor Gericht zu eskalieren. "Gerettet hat uns das bloße Reden. Heute kommen die, die sich früher beschwert haben, zum Essen und wir verstehen uns bestens", sagt Hadic.
Über dieses Thema haben wir auch am 21.06.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Bergisches Land, 19.30 Uhr.
