Mambo Kurt auf einer Bühne in Wacken

Alleinunterhalter statt Arzt: Wie Mambo Kurt zur Ikone wurde

Bochum | Heimatliebe

Stand: 26.09.2024, 07:42 Uhr

Eigentlich wollte der Bochumer Rainer Limpinsel Karriere als Chirurg machen. Dank eines aus der Zeit gefallenen Instruments, gelber Sonnenbrille und Discokugel kam alles anders.

Von Agata Pilarska

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Mambo Kurt: Der mit der gelben Sonnenbrille

"Bochum, ich komm’ aus dir. Bochum, ich häng’ an dir. Oh, Glück auf." Liedzeilen als Essenz von Heimatverbundenheit. Etwa 3000 Besucher von Bochum Total stehen in der Bochumer Innenstadt und brüllen die Hymne aus vollem Herzen mit. Die Version hat allerdings wenig mit der von Herbert Grönemeyer zu tun. Denn auf der Bühne steht Rainer Limpinsel und interpretiert den Kult-Titel mit seiner Heimorgel auf seine ganz eigene Art und Weise. Die wenigsten der Mitschreienden kennen allerdings Limpinsels bürgerlichen Namen. Für sie ist der Mann auf der Bühne Mambo Kurt.

Mambo Kurt steht auf einer Bühne mit dem Musiker "Der Wolf". Beide sprechen in ein Mikrofon.

Mambo Kurt (links) bei Bochum Total, zusammen auf der Bühne mit dem Musiker "Der Wolf"

Zu Bochum Total hat der gebürtige Hagener eine besondere Beziehung. An diesem Sommertag spielt er zum 25. Mal auf dem Stadtfest. Als Mambo Kurt interpretiert er bekannte Songs aus verschiedenen Genre-Bereichen mit ganz eigenen Rhythmen auf seiner Heimorgel. Die skurrile Karriere des 57-Jährigen beginnt 1996 nur ein paar hundert Meter von hier, in der Bochumer Disco "Planet". Ein Jahr zuvor hatte sich der damals junge Arzt eine Heimorgel für sein WG-Zimmer gekauft.

In den 90er-Jahren, der Hochphase von Keyboard, Walkman und Gameboy, war das ein ungewöhnliches Hobby. Aber schon als Kind hatte er immer gern auf dem Instrument gespielt. Die Heimorgel beherrschte er, seine Stimme nicht. Damit war Limpinsel prädestiniert für einen Auftritt auf einer Bad Taste Party. Die einzige Regel dort: Je absurder, desto besser.

Limpinsel kaufte sich eine selbst leuchtende Discokugel und trug ein hellbeiges Jackett aus den 70er-Jahren. Auf dem Weg zu seinem ersten Auftritt entdeckte er an der Tankstelle sein Markenzeichen: eine gelbe Sonnenbrille. Preis: eine Mark. Auf der Bad Taste Party im Planet coverte er erstmals verschiedene Songs, die gerade angesagt waren. Der Rest ist Alleinunterhalter-Geschichte.

Auch privat Mambo

Nach "Bochum" ist auf der Bühne Schluss. Dahinter warten etwa 50 Fans auf Selfies, Autogramme und T-Shirts. Letztere verkauft er selbst: Für jeweils "nen Zwanni" aus einer rosa Tasche mit Disneyprinzessinnen-Motiv. Einige lassen sich das lila Shirt mit der gelben Schrift signieren. T-Shirt Größe M? Leider schon ausverkauft. Dann eben nur ein Selfie.

Beliebt bei den Fans: Kultmusiker Mambo Kurt

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Eine halbe Stunde später zieht Mambo Kurt die gelbe Sonnenbrille ab und wird wieder zu Rainer Limpinsel. Erkannt wird er ohne sein Markenzeichen nur selten. Rainer nennt ihn aber auch privat kaum noch jemand. Auch ohne Instrument und Bühnenoutfit ist er Mambo. Er spielt gern in Bochum: "Ich wohne 300 Meter Luftlinie entfernt. Ich könnte meine Heimorgel auf einem Rollbrett nach Hause schieben."

Die kleine, elektronische Orgel war in den 70er-Jahren ein beliebtes, aber teures Instrument. 2.000 bis 15.000 Mark kostete eine Heimorgel damals. Gespielt werden die zwei Tastenreihen wie ein Klavier.

Ein Bild einer Heimorgel mit vielen verschiedenen Tasten.

Die Heimorgel von Mambo Kurt

Über mehrere Pedale erzeugt der Orgelspieler mit den Füßen einen Bass. Dazu spielt ein Rhythmusgerät alle möglichen Beats ab. Die verbauten Boxen machen die Heimorgel zum perfekten Instrument für eine One-Man-Show.

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Aus der Disco ins Musikfernsehen und zum Metalfestival

Mambo Kurts Vater dachte lange, es sei ein Fehler gewesen, 2500 Mark für die erste Heimorgel der Familie auszugeben. Nach einem Plattenvertrag, einem Musikvideo auf MTV und einem neuen Job als Sidekick in der Talkshow "Veronas Welt" dürften wohl sämtliche Zweifel verflogen sein. Limpinsel hing seine Karriere als praktizierender Arzt damals an den Nagel. Heute schreibt er noch Bücher über Diabetes und Artikel für Fachmagazine. Auch über sein Leben als Mambo Kurt hat er schon zwei Bücher veröffentlicht.

Knapp vier Wochen nach Bochum Total feiert Mambo Kurt das nächste Jubiläum: Seit 20 Jahren ist er Dauergast auf dem Wacken Open Air. Es ist schon nach Mitternacht, als er die Bühne betritt. Etwa 10.000 Besucher sind gekommen. Viele tragen Mambo Kurt T-Shirts oder haben einen Aufnäher mit seinem Gesicht auf der Kutte. Hier ist er ein Superstar. Andere seine Orgel aufbauen lassen, kommt trotzdem nicht in Frage. Jedes Kabel steckt er selbst ein.

Die Bühne ist mindestens sechs Mal größer als die in Bochum. Trotzdem wirkt er darauf mit seiner Heimorgel nicht verloren. Das Publikum singt die Melodie von "The Final Countdown" der Band Europe vom ersten Augenblick an mit. Die Setlist ist an das Publikum angepasst: "Natürlich spiele ich hier Metal-Songs. Ein Zuschauer brüllt immer, ich soll Bochum spielen, aber nur für ihn mache ich das nicht. Da spiele ich lieber was für die internationalen Fans."

Mambo Kurt auf Wacken

00:45 Min. Verfügbar bis 26.09.2026

Die intensive Einbindung des Publikums ist Teil der Show. Für ein paar Titel holt er Fans auf die Bühne, die er liebevoll seine "Gogos" nennt. An die vorderen Reihen lässt er einen anderen Fan Schnaps und Bier verteilen.

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Ein Musiker, der keine Musik hört

Vor einigen Jahren konnten Wacken-Besucher sogar eine Plüschfigur von ihm und seiner Heimorgel am Stand für Fanartikel kaufen. Mehr Superlative geht auf dem größten Metalfestival der Welt nicht. Dabei waren die Wacken-Gründer anfangs gar nicht begeistert von der Idee, ihn dort auftreten zu lassen. Bei seinem ersten Auftritt durfte er nur auf der kleinsten Bühne spielen. Die Show eskalierte: Statt 200 Leute kamen über 2000. Seitdem gibt es kein Wacken mehr ohne Mambo Kurt, und keinen Mambo Kurt mehr ohne Wacken.

"Die Woche hier in Wacken ist Urlaub. Ich spiele eine Stunde und 23 Stunden am Tag habe ich frei." Wie in Bochum erkennt ihn auf dem Gelände ohne seine Sonnenbrille niemand. So kann er sich in Ruhe ein paar Konzerte anschauen. Privat hört er jedoch seit 1986 keine Musik mehr. "Ich höre beim Autofahren und Zuhause kein Radio, ich habe keine einzige CD, ich streame nicht. Ich habe so viel Live-Musik um die Ohren. Und wenn mir was gefällt und ich merke, dass die Leute darauf steil gehen, überlege ich, ob ich den Song mache. So entsteht mein Programm."

Eine Bühne wird von verschieden farbigen Lichtern angestrahlt. In der Mitte steht ein Mann an einem Instrument.

Die riesige Bühne in Wacken kann Mambo Kurt mit seiner Show füllen

Mambo Kurt liebt alle Shows, die er spielt. Egal, ob auf einem Stadtfest oder auf der großen Wacken-Bühne. Die Abwechslung macht für ihn den Reiz aus: "Solange da drei Leute stehen und mich abfeiern, bin ich glücklich."