"Gut da, Hannes! Und komm, Dennis, komm! 20 Sekunden noch, einer geht noch!" Während Trainer David Wick in die Hände klatscht und seine Spieler an der Seitenlinie anfeuert, ackern diese auf dem Kunstrasen um jeden Ball. Man hört das Schnaufen bei den Sprints, die Kicker motivieren sich gegenseitig, wenn sie einen Zweikampf gewonnen haben. Von der Trainingsbeteiligung, die Wick an diesem Dienstagabend hat, können die meisten Kreisliga-Coaches nur träumen. 21 Spieler stehen auf dem Kunstrasenplatz am Zülpicher Wall. Aufmerksam verfolgt der Trainer jede Aktion. Wer empfiehlt sich mit guten Leistungen für die Startelf am Wochenende? Der 34-Jährige hat die Qual der Wahl.
In der Liga läuft es für die zweite Mannschaft von Casa Espana hervorragend, sie steht auf Platz 4. Das liegt nicht nur an der Qualität der Mannschaft, sondern auch am Übungsleiter, der aus einzelnen Spielern einen verschworenen Haufen geformt hat. Wick ist nicht nur Trainer, sondern spielt auch bei der Zweiten mit. Aber das ist längst nicht alles. "Ich kümmere mich darum, dass die Kühlschränke voll sind, bin im Vorstand und natürlich Fan des Vereins", sagt der 34-Jährige mit einem Lächeln.
Verantwortung übernimmt Wick nicht nur bei seinem Verein, sondern auch, wenn es um ein vermeintliches Tabuthema geht. Er ist der einzige Fußballspieler in Köln und den umliegenden Kreisen, der offen in einer homosexuellen Beziehung lebt. "Beim Fußball sollte man jemanden danach bewerten, wie gut er Fußball spielt und wie er charakterlich drauf ist. Nicht, welche sexuelle Orientierung er hat", sagt der 34-Jährige.
Angst vor Ablehnung und Diskriminierung
Homosexualität ist vor allem im "Männersport" Fußball oft noch mit Schwäche verbunden. Er selbst habe noch keine direkten Erfahrungen mit Homophobie gemacht, sagt Wick. Auf dem Fußballplatz seien schwulenfeindliche Äußerungen aber Alltag. "Man hört 'Schwuchtel' als abfälligen Kommentar für alles. Ich glaube, es sind willkürliche und unbedachte Äußerungen von Menschen, die in ihrem Leben zu wenig Erfahrungen mit Vielfalt, anderen Menschen und anderen Kulturen gemacht haben. Leute denken, dass 'schwul' eine Beleidigung ist. Aber das ist es nicht."
Tabuthema Homosexualität im Fußball
Allein in Deutschland gibt es über tausend aktive Fußballprofis, das geht aus einer Erhebung der FIFA von 2021 hervor. Weltweit sind es Schätzungen zufolge mehrere hunderttausend aktive Spieler, aber gerade einmal sieben haben sich bisher als homosexuell geoutet. Die Angst, auf Diskriminierung und Hass zu stoßen, ist groß.
Traurige Berühmtheit erlangte der englische Profi Justin Fashanu, der sich 1990 als erster aktiver Profifußballer zu seiner Homosexualität bekannte. In der Folge schlug ihm eine Welle von Unverständnis und Verachtung entgegen, bis hin zu einem erfundenen Vergewaltigungsvorwurf. In der Folge erhängte sich Fashanu in seiner Garage.
In Deutschland war Thomas Hitzlsperger 2014 der erste deutsche Profi, der seine Homosexualität öffentlich machte - allerdings erst, nachdem er seine aktive Karriere 2013 beendet hatte.
Wick kam vor zehn Jahren zum Studieren nach Köln und ist geblieben. "Ich fühle mich als Kölner, liebe die Stadt, die Menschen und das Lebensgefühl", sagt er. Lange Zeit hat er im Gastronomiebereich in der Schaafenstraße gearbeitet, die als Ausgehmeile das Herz der queeren Szene in Köln bildet. Neben der Vereinsgemeinschaft ist Wick also auch in der LGBTQ-Community seiner Wahlheimat gut vernetzt.
Dass sich außer ihm kaum ein Fußballer geoutet hat, hat für den 34-Jährigen verschiedene Gründe: Natürlich sei da zum einen die Angst vor Ablehnung oder Diskriminierung, die Angst, dass sich Freunde und Familie von einem abwenden. Es fehlten außerdem Vorbilder, die vorangehen. Manche würden es schlicht nicht zum Thema machen wollen. Nicht zuletzt nimmt Wick aber auch die LGBTQ-Gemeinschaft in die Pflicht.
Outing soll von den Fußballspielern selbst kommen
Wick glaubt, dass er mit seinem Weg ein Vorbild für andere sein kann. In seiner Mannschaft hat er jedenfalls den vollen Rückhalt. "Wir sind stolz darauf, dass er so offen mit dem Thema umgeht", sagt Kapitän Duncan Dykewicz. "Im Endeffekt interessiert hier sowieso niemanden die sexuelle Präferenz", ergänzt Torjäger Niklas Hegmans, "sondern die Leistung und ein gutes Miteinander." Das "gute Miteinander" ist übrigens auch ein Grund, warum sich die zweite Mannschaft von Casa Espana vor Anfragen kaum retten kann. Einige Jungs im Team haben schon drei Ligen höher gespielt.
Doch wie kann man das Thema Homosexualität im Fußball enttabuisieren? Der DFB hat 2021 eine zentrale Anlaufstelle für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt eingerichtet, 2023 eine Schiedsrichter-Kampagne zum Umgang mit Diskriminierung. Er unterstützt die Berliner Erklärung "Gemeinsam gegen Homophobie" und hat 2013 eine Broschüre zum Thema herausgegeben.
Wick findet diese Bemühungen gut, sagt aber auch: Die Initiative zum Outing müsse von den Spielern selbst kommen. Er hofft darauf, dass sich bald mehr Kicker outen, ein Bewusstsein fürs Thema schaffen und die sexuelle Orientierung im Fußball irgendwann keine Rolle mehr spielt. Dass das noch ein Riesenschritt ist, weiß er selbst.
Bald könnte aber Bewegung ins Thema kommen. Angeblich wollen sich am 17. Mai Profifußballer aus Deutschland, Österreich und England in einer Gruppenaktion outen. An diesem Datum ist der Internationale Tag gegen Homophobie.
Wicks Rat an homosexuelle Spieler: "Zu sich zu stehen und das zu verkörpern, was man ist. Das zu tun, womit man sich wohlfühlt. Sich nicht drängen zu lassen, irgendwo mitzuschwimmen und etwas zu machen, das man eigentlich gar nicht machen möchte. Jeder trifft seine Entscheidungen für sich selbst und das sollte man akzeptieren."
Über das Thema haben wir am 22.02.2024 auch im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Köln, 19.30 Uhr.