Der Männerchor der Grüngürtelrosen steht auf einer Bühne

Der schrägste Männerchor Kölns

Köln | Heimatliebe

Stand: 25.06.2024, 08:16 Uhr

Die "Grüngürtelrosen" sind ein Phänomen. Geboren in einer Kult-Kneipe sind sie inzwischen fast so etwas wie ein Kölner Wahrzeichen. Besuch bei einem Männerchor, für den musikalisches Talent fast egal ist.

Von Mirjam Ratmann

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Ekstase

Videos auf Social Media zeigen Männer, die mehr schreien, als singen. Sie springen und rudern mit den Armen. Mal sind sie umringt von einigen Dutzend Zuschauern, mal von Tausenden. Nicht jeder Ton sitzt, aber sie singen laut. Voller Energie. "Zwei Bühnen haben wir sogar schon zum Krachen gebracht", sagt Constantin Gold, hörbar stolz. Der 37-Jährige brennt für diese Momente mit dem Männerchor "Grüngürtelrosen".

Was unterscheidet den Chor von anderen, Constantin Gold?

00:21 Min. Verfügbar bis 24.06.2026


Seit Gründung 2019 ist Constantin Gold musikalischer Leiter des Männerchors "Grüngürtelrosen". Damals kamen die Besitzer der "Kölschbar" gemeinsam mit Freunden auf die Idee, einen Männerchor zu gründen. Heute folgen ihnen auf Instagram über 44.000 Menschen.

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Motiviert bis in die Haarspitzen

An diesem Abend ist Gold aufgeregt. Noch gestern hat er zehn Stunden an dem neuen Medley gearbeitet, mit Songs von Apache 207, Christina Aguilera, Capital Bra, Nina Chuba und Pokémon. Ein halbes Jahr Arbeit steckt in dem Arrangement. Heute will er sehen, ob die 50 Männer des Kölner Chors "Grüngürtelrosen" es bei der Probe so "geil" finden wie er.

Ein Mann steht an einem Klavier und lächelt in die Kamera

Constantin Gold leitet den Chor

Um kurz vor 19.30 Uhr fährt Gold mit seinem weißen Passat auf das Gelände der Pattenhalle Ehrenfeld, westlich der Kölner Innenstadt. Aus dem Kofferraum holt er Piano, Verstärkerkabel, Notenblätter und Musikboxen für die nächsten zweieinhalb Stunden. Seine Laune ist aufgekratzt oder, wie er sagt, "hyped". "Das ist jedes Mal so, wenn ich was Neues präsentiere", sagt Gold, während er seinen Laptop an die Boxen schließt.

Bereits mit 14 leitete Gold seinen ersten Chor. Später studiert an der Musikhochschule in Köln. "Inzwischen hat es mein ganzes Leben eingenommen", sagt er.

Ich liebe jede Sekunde davon. Constantin Gold, Musikalischer Leiter der "Grüngürtelrosen"

Die Leidenschaft am Singen hat nicht nur Gold und die "Grüngürtelrosen" gepackt. In NRW sind allein im Chorverband eigenen Angaben zufolge rund 3.300 Chöre mit etwa 270.000 Mitgliedern organisiert. Das gemeinschaftliche Singen hat viele Vorteile. Es ist nicht nur gut für die mentale Gesundheit, sondern kann auch beim Stressabbau helfen und das Herz-Kreislauf-System positiv beeinflussen, wie verschiedene Studien zeigen.

Ob das auch für das Beatboxen gilt, ist unklar, zumindest lassen sich dazu keine Studien finden. Sebastian "Sepp" Mortan wird es egal sein. Er ist Gründungsmitglied der "Rosen" und begleitet den Chor an der ein oder anderen Stelle mit seinen Beats. In Köln ist er auch unter seinem DJ-Namen Bleibtreuboy bekannt.

Beatboxer Sebastian Mortan unterstützt den Chor

00:41 Min. Verfügbar bis 24.06.2026

Mortan glaubt: Ein Chor, bei dem weniger die musikalische Qualität als der Spaß am Singen im Fokus steht, passt perfekt zu Köln. "Die Leute hier haben Bock auf Schunkeln, sich in den Arm nehmen und Singen. In einer anderen Stadt würde das nicht funktionieren."

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50 Freunde machen zusammen Musik

Obwohl bei den "Grüngürtelrosen" keine musikalische Vorerfahrung notwendig ist, achtet Chorleiter Gold bei Neuanwärtern inzwischen auf Rhythmusgefühl. "Am wichtigsten ist aber, dass die Person charakterlich in die Gruppe passt: Also extrovertiert ist und Lust am Entertainen hat." Derzeit hat der Chor 130 Mitglieder.

Während Golds Setup für die Probe steht, haben sich um kurz vor 20 Uhr rund 50 Männer vor der Halle eingefunden. Beim Einsingen nur wenige Minuten später singen sie aus voller Kehle. Einige haben ihren Arm um den nächsten gelegt. Mit Mundlockerungsübungen oder dem Singen der Tonleiter hält sich niemand auf.

Stimmübungen? Nein danke - bei den "Grüngürtelrosen" gibt es ein Einsingen der anderen Art

00:36 Min. Verfügbar bis 24.06.2026


Viele tragen Basecap, Mütze, Hoodie. Bier- oder Limo-Flaschen stehen auf dem Boden. Unter den Chormitgliedern sind DJs, ebenso wie Handwerker, Anwälte und Bademeister. Die "eingeschworene Gruppe", wie Beatbox-Unterstützung Sebastian Mortan sie nennt, hat einen Altersdurchschnitt von Mitte bis Ende 30.

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Auf großer Reise

Der große Durchbruch gelang den "Grüngürtelrosen" ausgerechnet im Coronajahr 2020, als während des Lockdowns viele Kulturschaffende um ihre Existenz bangten. Ihre "Stay Home Edition" des Songs "Tommi" von AnnenMayKantereit wurde auf Instagram hunderttausendfach geklickt.

Das erste eigene Konzert im Frühjahr 2023 war innerhalb weniger Stunden ausverkauft. Bei ihrem ersten Sommergarten Open-Air am Tanzbrunnen im selben Jahr kamen 4.000 Menschen. Auf dem "Glücksgefühle-Festival" auf dem Hockenheimring traten sie vor 60.000 auf. "Es ist saugeil, mit 50 Freunden irgendwo zu einem Festival zu fahren, Bier zu trinken und dann auf die Bühne zu gehen", sagt Mortan.

Auch ihre Fensterkonzerte im Brauhaus "Gaffel" am Dom wurden zum viralen Hit. Nach einer Probe dort entschieden sie sich spontan, die Boxen aufzudrehen und das kölsche Weihnachtslied "Klüngelköpp" auf die Straße zu schmettern. Drei weitere Konzerte hat es seither gegeben. Inzwischen singt der Chor auf Firmenfeiern, Festivals und Karnevalsveranstaltungen. Auf ihrer Webseite verkaufen sie mittlerweile sogar Fanartikel.

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Der Chor ist stets in Bewegung. Sowohl auf der Bühne selbst, als auch beim Repertoire. Unter anderem dafür hat der musikalische Leiter Constantin Gold so lange am neuen Medley gearbeitet.

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Gutes tun ist wichtiger als gut singen

"Ich habe unglaublich Bock, mit euch in dieses neue Medley zu starten", sagt Gold nach dem Einsingen. Wenig später singen sie "Pokémon, komm schnapp sie dir". Gold steht am Klavier. Nach einem ersten Durchgang springt der 37-Jährige auf, kichert wie ein kleines Kind. "Das wird so geil", sagt er. Nach einem Solo von Christina Aguileras "Beautiful", jubeln und grölen die Männer. "Ich will ein Kind von dir", schreit einer. Andere werfen ihre Notenblätter oder ihre Kappen in die Luft. Auf dem Steinboden klirren umgeworfene Glasflaschen.

Ein Männerchor probt in einem Raum

Bei den "Grüngürtelrosen" steht der Spaß am Singen im Vordergrund

Den Mitgliedern des Chors geht es um Ekstase und Spaß, aber sie verfolgen neben der Musik auch ein ernstes Interesse. Sie spenden Teile ihrer Einnahmen. Beim Sommergarten Open-Air 2023 kamen zum Beispiel 15.000 Euro für das Kölner Kinder- und Jugendhospiz zusammen.

So energetisch die Männer an diesem Abend den Einstieg von Constantin Golds neuem Medley gefeiert haben, so unkonzentriert sind sie an anderer Stelle. Bei dem Rap-Solo des umgedichteten "Wildberry Lele" will der Einstieg des Chors einfach nicht passen.

Die Grüngürtelrosen proben ihre Version von "Wildberry Lillet" von Nina Chuba

00:18 Min. Verfügbar bis 25.06.2026

"Wenn ich nichts mache, dann singt ihr nicht", sagt Gold genervt. Beim nächsten Versuch setzt der Chor erneut zu früh ein. Golds Fazit zur Pause: "Meine Stimmung schwankt zwischen high und aggro." Bis zum 14. September müssen alle Einsätze sitzen. Dann wollen die "Grüngürtelrosen" bei ihrem zweiten Sommergarten Open-Air am Tanzbrunnen wieder mehrere tausend Menschen mitreißen.