Immer wieder Lieblingslieder
Bis jeder seinen Stuhl in den Kreis geschoben hat, dauert es einen Moment. Ein paar Chormitglieder blättern noch in ihren Liedermappen, andere quatschen miteinander. Horst Bischoff, den alle nur Hobi nennen, sitzt mit seiner Gitarre auf dem Schoß am Tisch und stimmt sein Instrument. Zeit für die obligatorischen Fragen: "So, haben alle einen Platz gefunden? Was wollen wir denn heute singen?" Necati ruft direkt "Hallelujah" und Laura möchte ihr Lieblingslied "Aufstehen" singen. "Dann legen wir mal los", sagt Hobi und stimmt den ersten Musikwunsch an.
Anders und trotzdem gleich sein
Seit neun Jahren trifft Hobi im Inklusions- und Kunstcafé "EinBlick" in Kaarst die Kaffeetassen. Montags findet hier kein Cafébetrieb statt, der Chor kann so ungestört proben. Jedes der 13 Mitglieder hat eine geistige, manche auch eine körperliche Behinderung. Die jüngste Kaffeetasse ist 14 Jahre alt, die älteste 35 Jahre. Ihren Namen "Kaffeetassen" haben sie sich selbst ausgesucht, inspiriert durch das Café, in dem sie proben.
Seit neun Jahren leitet Hobi ehrenamtlich den Kaffeetassen-Chor in Kaarst
Nicht alle Chormitglieder können verständlich sprechen, manchmal sind es Einwortsätze oder einfach ein zustimmendes Nicken. Das war auch für den 75-jährigen Hobi am Anfang eine Herausforderung, etwa bei der Liederauswahl. Die meisten Lieder sind auf Deutsch, manche sind Kirchenlieder wie "Aufstehen, aufeinander zu gehen", aber der Chor hat auch Klassiker wie "Marmor, Stein und Eisen bricht" im Repertoire. Hobi textet auch gerne englische Lieder um. Der Refrain bleibt, aber die Strophen beinhalten Texte, die er, inspiriert von den Ideen der Kaffeetassen, umdichtet.
Die Kaffeetassen sind füreinander wie Familie
Auf eine ganz eigene Art und Weise klappt das gegenseitige Verstehen innerhalb des Chors. Und wenn Hobi seine Gitarre auspackt, machen alle das, was sie verbindet: Mitschmettern und Klatschen, alle so, wie sie können.
Warum freut Hobi sich auf Montage mit den Kaffeetassen?
00:41 Min.. Verfügbar bis 23.08.2025.
Als Versuch gestartet, als Herzensprojekt geblieben
"Eigentlich wollte ich gar keinen Chor leiten", erzählt Hobi. Der Neusser hat sein Leben lang gerne musiziert, ob alleine oder mit wechselnden Bands, im Repertoire Folk-, Rock-, Country- und Popmusik. "Die Musik war mein Lebensretter neben meinem langweiligen Beruf als Beamter", sagt Hobi. Das Inklusions- und Kunstcafé "EinBlick" in Kaarst kannte er schon lange und plötzlich war die Idee für einen Chor mit Menschen mit Behinderung geboren: "Erstmal nur probeweise für einen Monat. Aus diesem Monat sind jetzt fast neun Jahre geworden." Dass er das so lange macht, liegt vor allem an dem respektvollen Miteinander in der Gruppe: "Hier wird nicht gemobbt, hier wird keiner ausgelacht. Die Atmosphäre ist einfach toll."
Eine Tasse allein ist kein Service. Eine Stimme allein kein Chor. Aber viele Tassen zusammen ergeben ein vielseitiges Gedeck. Und viele Stimmen geben einen Chor. "Hobi" Horst Bischoff, ehrenamtlicher Chorleiter
Kleine Erfolge mit großem Spaß
Die einstündige Probe ist fast zu Ende. Nevio rutscht unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Der 14-Jährige hat das Down-Syndrom und ist seit Anfang des Jahres bei den Kaffeetassen. Sein größter Wunsch: "Ich möchte mal Schauspieler und Sänger werden." Deswegen will er keine Chorprobe verpassen. Er will seinem Traum ein Stückchen näher kommen. Heute möchte er unbedingt noch "sein Lied" üben. "Dann komm mal nach vorne, Nevio. Ich singe wieder deine Stimme ganz leise mit, um dich zu unterstützen, in Ordnung?", fragt Hobi den 14-Jährigen.
Jeden Montag proben die Kaffeetassen im Kunstcafé "EinBlick" in Kaarst
Nevio nickt und blättert das richtige Liedblatt auf. Dann singt er leise, aber mit sicherer Stimme die Zeilen: "Tief im Dschungel, da weiß der Jäger, der Löwe schläft heut' Nacht". Der Chor setzte wieder ein und über Hobis Gesicht huscht ein Lächeln. Von Probe zu Probe klappt das neue Lied besser und von Probe zu Probe klingt Nevios Stimme sicherer. Die anderen Kaffeetassen unterstützen ihn, spielen das Cajón und klatschen im Takt mit.
Immer montags in Kaarst
Die Kaffeetassen proben immer montags von 17:30 bis 18:30 Uhr in den Räumlichkeiten des Kunst Café Einblick in Kaarst. Junge Menschen mit Behinderung, die Spaß am Singen haben, sind willkommen und können mitmachen.
Die Kaffeetassen treten nicht auf großen Konzerten auf, auch um die Chormitglieder vor negativen Kommentaren zu schützen. Einmal im Jahr gibt es ein öffentliches Weihnachtssingen im Kunst Café Einblick, ab und zu gestalten die Kaffeetassen auch Gottesdienste musikalisch mit.
Bei den Kaffeetassen treffen nicht alle die richtigen Töne, fangen punktgenau beim Einsatz an zu singen oder sind textsicher. "Manchmal ist das auch ein ganz schönes Durcheinander. Das ist kein üblicher Chor, in dem perfekt gesungen wird." Aber das ist Hobi nicht wichtig. Es ist das Lachen und die Begeisterung, die er in den Gesichtern der Kaffeetassen sieht.
