Warum in Köln seit 222 Jahren die Puppen tanzen
Stand: 01.03.2024, 09:07 Uhr
In den Winkeln der Kölner Altstadt verbirgt sich ein besonderes Stück lokaler Kultur. Seit mehr als 200 Jahren erwecken Puppenspieler im "Hänneschen"-Theater die Figuren zum Leben. Über einen Ort, der mehr tut, als Geschichten zu erzählen.
Von Christina Wilkes
Es liegt etwas versteckt. Wer die Puppenspiele sehen möchte, muss sich durch die dichte Kölner Altstadt schlängeln. Nur kleine, enge Gässchen führen einen Sprung vom Rhein entfernt zum Eisenmarkt. Dort liegt das "Hänneschen"-Theater, ganz unscheinbar.
Zwischen Heumarkt und Rhein liegt in Köln das Hänneschen Theater
Drinnen sitzt Silke Essert vor einer Holzfigur mit dicker Knubbelnase und malt ihr mit Farbe und Pinsel Konturen ins Gesicht. In der Werkstatt, dem Raum neben der Bühne, steht eine Puppe neben der nächsten, reiht sich Schrank an Schrank. Jeder ist voll mit kleinen Kostümen und bemalten Holzköpfen. Es sind Erinnerungen an die unzähligen Charaktere, die im "Hänneschen" schon erwacht sind.
Warum die Puppen im "Hänneschen" die Stars sind
00:20 Min.. Verfügbar bis 01.03.2026.
Das "Hänneschen"-Theater ist in seiner langen Tradition längst Teil des Kulturguts der Stadt geworden. 1802 tanzten die ersten Puppen über die Bühne. Heute arbeiten hier rund 30 Menschen, etwa die Hälfte von ihnen als Puppenspieler. Damit ist es die älteste ortsfeste Puppenbühne und das größte Puppentheater Deutschlands.
Kurz vor der Vorstellung herrscht eine besondere Stimmung am "Hänneschen". Essert macht ihre Puppen für den Auftritt fertig, malt letzte Korrekturen auf. Frisiert und angezogen werden die Figuren dann auf lange Stäbe gesetzt, mit denen Essert sie bewegen kann. Am Theater ist fast alles selbst gemacht. Das Ensemble steht nicht nur abends hinter der Bühne und erweckt die Puppen mit Stimmen und Charakteren zum Leben. Auch die Stücke entstehen im Team.
Stücke im "Hänneschen" gehen mit der Zeit
Gesprochen wird im "Hänneschen" op kölsch. Denn im fiktiven Örtchen Knollendorf leben echte Kölsche: Da sind Hänneschen und Bärbelchen - im Kindertheater Bruder und Schwester, für die Erwachsenen ein Liebespaar. Da ist der Speimanes - der kölsche Quasimodo zum Gernhaben. Stotternd und bucklig. Da sind Tünnes, der bäuerlich-biedere Typ aus dem Kölner Umland, und der schielende Schäl, ein typischer Großstädter.
Die Knollendorfer Bewohner "Tünnes" und "Schäl" auf der Bühne
"Wir bilden die Kölner Gesellschaft ab. Der Kölsche findet sich in den Figuren wieder und das gefällt", sagt Essert, "schon seit 222 Jahren." Die Stücke haben sich verändert. Sie versuchen, den Zahn der Zeit zu treffen. Gleich geblieben ist der Zauber im Puppentheater: "Wir sehen das Publikum ja nicht, denn wir spielen vor die Wand. Und wenn dann das Gelächter hinter die Bühne schwappt und wir wissen, dass unser Spiel gefällt, das ist jedes Mal besonders", sagt Essert.
Das Publikum, das sind die Kinder oder Erwachsenen, die sich ihren Platz auf den knallroten Sitzbänken im Theatersaal gesucht haben. Er fasst etwas mehr als 280 Zuschauer. Die Stücke dauern je nach Zielgruppe zwischen 90 Minuten und drei Stunden. Bei den kürzeren Familienstücken zahlen Kinder 8,50 Euro, Erwachsene zwischen 13 und 15 Euro. Die längeren Erwachsenenvorstellungen liegen bei 21 oder 31 Euro, je nach Dauer des Stücks.
Das "Hänneschen"-Theater in Aktion
00:23 Min.. Verfügbar bis 01.03.2026.
Im "Hänneschen" wird gesungen und gelacht, laut reingerufen und mitgemacht. Ein Theater, das von Köln und für Köln lebt. "Es gefällt mir, dass am Ende alles gut ist. Das ist normalerweise nicht so", sagt Essert, "dass man sich nach einem Streit auch immer wieder verträgt. Das gibt es nur im Hänneschen."
Über dieses Thema haben wir auch am 12.01.2014 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Köln, 19.30 Uhr.