Mann mit Sonnenbrille steht auf einem Balkon vor großen, silbernen Fässern

Zwischen Sud und Saiten

Essen | Heimatliebe

Stand: 30.08.2023, 15:32 Uhr

T-Shirts und CDs haben alle - darum hat sich die Essener Band „Formosa“ etwas anderes für ihre Weggefährten ausgedacht.

Von Agata Pilarska

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Flüssige Fanartikel

Niklas Bulla schneidet eine silberne Tüte auf und kippt grüne Bröckchen in einen Messbecher, der auf einer Küchenwaage steht. Der Raum ist spartanisch eingerichtet. In der Mitte steht ein Tisch, an der Wand stehen zwei Kühlschränke. In einem Regal befinden sich Gefäße, Schläuche und weitere silberne Tüten. Bulla blickt zur offenen Balkontür. Dampf steigt aus einem der vier großen Gefäße. Den Geruch kennt man nur, wenn man bei einer Erkältung Hopfentee ausprobiert hat oder in der Nähe einer Brauerei wohnt: Der 28-Jährige ist Brau- und Mälzermeister.

Gerade braut er Bier auf dem Balkon - mitten im Herner Wohngebiet. Nur wenige kennen ihn unter seinem richtigen Namen. Nik Beer nennt er sich, denn er ist auch Gitarrist in einer Rockband: "Es gibt viele Bands, die Biere haben und das ist auch nett. Aber die machen das ja nicht selber."

So sieht es aus, wenn der Balkon von Niklas Bulla zur Brauerei wird

00:38 Min. Verfügbar bis 21.08.2025

Bier und Rockmusik, das gehört einfach zusammen. Viele große Bands haben alkoholische Getränke auf den Markt gebracht: Die britische Heavy Metal Band "Iron Maiden" etwa, hat allein im ersten Verkaufsjahr ihres Bieres "Trooper" rund 2,5 Millionen Liter in 50 Länder exportiert. Das war 2013. Bulla braut gerade 1000 Liter Fan-Bier, die jedoch nicht weltweit verkauft werden, sondern nur an einem einzigen Tag zu erwerben sind: Seine Band veranstaltet im September das "Formosa Bierfest" in Oberhausen.

Angefangen hat alles als Schülerband. 2015, als Bulla und seine Mitmusiker das Abitur bestanden haben, zogen die Freunde gemeinsam vom Bodensee nach Essen. Einfach so. "Am Bodensee war in Sachen Heavy Metal nichts los", erinnert er sich. Das Ruhrgebiet bot jedoch deutlich mehr Auftrittsmöglichkeiten. Schnell hatte sich die Band in der Musikszene etabliert. Währenddessen machte Bulla eine Ausbildung in einer Bochumer Brauerei. Bis heute arbeitet er als Braumeister.

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Die Balkon-Brauerei

Auf dem 20 Quadratmeter großen Balkon steht Bulla aber nicht mit seinen Bandkollegen, sondern mit zwei Freunden. Einer ist ebenfalls Braumeister, der andere Hobbybrauer. Der öffnet die Klappe eines Braubottichs und schabt eine Art Brei in die davor stehende Wanne. Das Haus gehört seiner Familie. Etwa 7000 Euro hat er in die Anlage investiert. Bulla schaut seinem Freund über die Schulter. "Ganz am Anfang kommen Malz und Wasser zusammen. Durch verschiedene Temperaturen wird die Stärke, die im Malzkorn enthalten ist, herausgelöst. Und das sind die festen Bestandteile", erklärt er. "Egal, welche Anlage man nutzt, es kommt immer Bier dabei raus. Man kann auch zuhause auf Töpfen brauen." Genau so haben die drei Balkon-Brauer zueinander gefunden: "Man probiert vor allem in der Ausbildung so was einfach mal zuhause aus, damit man ein Gespür für die Materie bekommt."

Wie geht Niklas Bulla mit Energiekosten um?

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Etwa 200 Euro kostet das Bierbrauer-Basispaket für zuhause. Neben den Zutaten Wasser, Malz, Hopfen und Hefe braucht man einen Braukessel und diverses Zubehör. Bis zu zwei Hektoliter darf man für den Eigenbedarf im Kalenderjahr brauen, ohne Biersteuer zahlen zu müssen. Das Zollamt muss trotzdem vor jedem Sud darüber informiert werden.

Der Sud in einem der anderen Braukessel ist schon weiter. Bulla hat bereits den Hopfen zum Malzwasser hinzugefügt - jetzt wird gekocht, damit sich die bitteren Bestandteile aus dem Hopfen lösen. Zwei Tage dauert der gesamte Prozess. Für Bulla ist das eine willkommene Abwechslung, denn er arbeitet aktuell im Qualitätswesen, also im Labor. Sein Brauereichef hat nichts gegen den besonderen Fanartikel einzuwenden: "Er war letztes Jahr sogar da und hat ein T-Shirt gekauft."

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Hopfengetränke für die neue Heimat

Das "Formosa Bierfest" findet dieses Jahr zum zweiten Mal statt. Livemusik, eine Tätowiererin, T-Shirts und zwei Sorten Bier sollen für einen vergnüglichen Abend sorgen. Das Bier wird nicht in Flaschen angeboten, sondern frisch gezapft. Das ist nicht nur mit weniger Aufwand verbunden, sondern auch haltbarer: "Von dem Bier kann einem nicht schlecht werden, weil was drin war, sondern nur, weil man zu viel gesoffen hat", sagt Bulla während er die Temperatur des Kessels kontrolliert. Das darin befindliche Getränk soll "Ruhrbieß" heißen. "Wir sind eine Band aus dem Pott, fertig. Keiner von uns hat den Umzug jemals bereut. Am Bodensee sind alle nett, aber hintenrum wird geredet. Die Menschen im Pott sind sehr direkt. Sie sagen dir ins Gesicht, dass du ein Arschloch bist. Das war am Anfang ein bisschen wild."

Collage aus zwei Fotos: im oberen Teil des Bildes sitzen drei, kleine Jungs auf Couch im unteren Teil Bandfoto von drei erwachsenen Männern

Die Essener Hard Rock Band Formosa - damals vs. heute

Bulla war noch nie in Essen, bevor er vor acht Jahren den Bodensee hinter sich ließ. Zuhause gefühlt hat er sich in der Wahlheimat aber sofort: "Allein schon wegen dem Metal-Boulevard: Alle Leute sind tätowiert, haben schwarze Klamotten an und tragen wilde Frisuren."

Als Metal-Boulevard oder Metal-Meile wird in Essen der Rheinische Platz bezeichnet: Das "Café Nord", und die Clubs "Don’t Panic" sowie das "Turock" liegen direkt nebeneinander. Dadurch ist am Rande der Essener City das Herz der Rock- und Metalszene im Ruhrgebiet entstanden. Nicht nur bei Konzerten pulsiert es hier, fast täglich kommt in den Sommermonaten in den Biergärten Festivalstimmung auf.

Durst und Musik - das verbindet. Bulla ist überzeugt, dass sich das Bierfest im Ruhrgebiet etablieren kann. Wie zuvor er und seine Freunde, die ebenfalls eine Heimat für sich und ihre Musik in Essen gefunden haben.