Warum ein Syrer einen Imbiss mit deutscher Hausmannskost betreibt

Städteregion Aachen | Heimatliebe

Stand: 18.09.2024, 07:26 Uhr

Mit deutscher Hausmannskost und guter Teamarbeit meistern zwei Imbiss-Chefs in Eschweiler die Herausforderungen der Gastronomie. Dabei könnten sie nicht unterschiedlicher und liebenswerter sein.

Von Sophia Naim

Hinter dem Tresen im "Grillstübchen" brutzelt das Fett für die Schnitzel und Pommes in der Fritteuse. Daneben steht Winnie Halstein und wendet Bratkartoffeln in der Pfanne. Der 73-Jährige mit Schnäuzer und kariertem Hemd hat den Imbiss aufgebaut. Ein relativ großer Laden mit acht Holztischen. Auf jedem liegt eine hellgrüne Tischdecke. Halsteins Geschäftspartner Ibraheam Soulemann steht gerade an der Kasse und gibt Wechselgeld heraus.

Der hektische Alltag im Grillstübchen 00:28 Min. Verfügbar bis 18.09.2026

Vom Sauerbraten über strammen Max bis Spargel: Im Grillstübchen gibt es seit 45 Jahren deutsche Hausmannskost. "Die wird immer seltener verkauft, aber wir wollen sie hier erhalten und stecken alle unsere Kraft hier rein", sagt Halstein, und Soulemann nickt bekräftigend. Dabei kommt Soulemann aus Syrien und ist ganz anderes Essen gewohnt. "Aber die deutsche Küche hat mich richtig mitgenommen, sodass ich gesagt habe: 'Das mache ich weiter, das darf nicht aussterben'. Mein Schwiegervater hat auch eine Kneipe in Eschweiler, da stirbt alles aus, das ist schade."

Vom Tellerwäscher zum Geschäftspartner

Mittags zwischen 12 und 13 Uhr herrscht im Imbiss Hochbetrieb. Das Telefon klingelt für die Abholbestellungen. An den Tischen sitzen Geschäftsleute, Rentner und Ehepaare. Halstein und Soulemann nehmen an der Theke die Bestellungen entgegen und wuseln zwischen Fritteuse und Kasse hin und her. Die Kunden stehen Schlange, um im Grillstübchen zu essen, aber auch ein Pläuschchen zu halten und zu lachen. "Man bekommt hier immer was geboten. Mal gehen die Witze auf unsere Kosten, mal auf seine", sagt eine Kundin und blickt zu Halstein.

Ibraheam Soulemann und Winnie Halstein sind stolz auf ihren Imbiss | Bildquelle: WDR / Sophia Naim

Die Atmosphäre im Grillstübchen ist dabei genauso besonders, wie die Geschichte der beiden Geschäftspartner. Ibraheam Soulemann kam vor zehn Jahren als Flüchtling nach Deutschland. In Syrien hatte er vor seiner Flucht BWL studiert. Bei Winnie Halstein fing der 36-Jährige zunächst als Küchenhilfe an, schälte Kartoffeln und wusch Teller. Die Chemie zwischen den beiden stimmte von Anfang an. Als der 73-Jährige langsam kürzertreten wollte, machte er Soulemann zum Geschäftspartner. Auf den ersten Blick könnten beide unterschiedlicher nicht sein. Doch der erste Blick täuscht.

Halstein sei typisch Deutsch, sagt er über sich: "Ich fahre nur nach Gran Canaria, immer in dasselbe Hotel, dasselbe Zimmer, morgens Liegestuhl reservieren", sagt er augenzwinkernd. Er lebt seine Homosexualität ganz selbstverständlich aus und kann sich manchen spaßigen Flirtspruch zu seinen Kunden nicht verkneifen. Soulemann ist Moslem und nimmt wie Halstein jeden so, wie er ist. "Ich bin ein offener Mensch. Jeder soll machen, was er will. Solange wir uns verstehen, wo ist das Problem?", fragt er.

Was das Team vom Grillstübchen zusammenschweißt 00:30 Min. Verfügbar bis 18.09.2026

Für Soulemann sind das Grillstübchen und seine Mitarbeiter wie eine zweite Familie. Das bedeutet aber auch: Verantwortung. Manchmal schläft er schlecht, wenn das Geschäft nicht läuft, sagt er. Seine größte Sorge ist, dass sie nicht genug Personal finden, um die Zukunft des Grillstübchens zu sichern. Wie für viele andere auch, ist die Gastronomie für die Imbiss-Chefs ein Kraftakt. Aber Halstein und Soulemann wollen es schaffen - mit deutscher Traditionsküche und guter Teamarbeit.

Über dieses Thema haben wir auch am 29.08.2024 im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Aachen, 19.30 Uhr.