Auf dunklen Holzregalen stehen die Gewürze in Gläsern bis zur Decke dicht aneinandergereiht. Sie nehmen die komplette hintere Wand des Geschäftes "Cardamome" ein. Durch die unterschiedlichen Farben der Pulver und Kräuter wirkt die Wand ein bisschen wie ein gigantisches Mosaik. Wenn Ralf Niewöhner die Deckel der Gläser lichtet, entströmen die unterschiedlichsten Gerüche: ätherisch, rauchig, süßlich oder feurig. Gerade mischt der 61-Jährige auf einem Teller ein Bruschetta-Gewürz aus Oregano, Pfeffer, Paprika und weiteren Gewürzen.
Die Zeit, in der in deutschen Küchen vor allem mit Salz und Pfeffer gewürzt wurde, ist vorbei. Die Auswahl der Gewürze und vor allem Gewürzmischungen in den Supermärkten ist in den vergangenen Jahren in die Höhe geschnellt. Auch, wenn sie mit den knapp 400 Gewürzen in Niewöhners Laden nicht mithalten kann. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes YouGov nutzen fast 70 Prozent der Menschen neben Salz und Pfeffer auch noch andere Einzelgewürze. Immerhin 52 Prozent geben an, auch Gewürzmischungen zu nutzen.
Fremde Kulturen, abgefüllt und konserviert im Glas
Bei Niewöhner bekommen Kunden zum Beispiel die Gewürzmischungen Chakalaka, Chimi-Churri, Tschubritza oder African Rub. Bei jeder Mischung gibt es gleich einen Tipp mit dazu, wie sie verwendet werden sollen. Als Marinade von Fisch und Fleisch, als Würze in Currys oder mit Frischkäse verrührt als Brotaufstrich.
Seine Zusammenstellungen sind individuell und lang erprobt. Seit 10 Jahren fühlt sich der ehemalige IT-ler in der Welt der Aromen zu Hause. Angefangen hatte alles mit einem Laden in der Aachener Innenstadt. Mittlerweile hat Niewöhner eine kleine Produktionsstätte, in der er auch verschiedene Senf- und Essigsorten produziert. Im Geschäft gibt es außerdem eine kleine Essecke für die regelmäßig stattfindenden Gewürzseminare.
Gewürze und ihre Bedeutung
Gewürze und Kräuter sind natürliche Geschmacksträger und stecken in fast allen Pflanzenteilen. In den Wurzeln (Ingwer), den Blättern (Lorbeer), den Blüten (Nelken) und den Rinden (Zimt). Seit Jahrtausenden werden sie verwendet: als Geschmackszutat, als Heilmittel, als Statussymbol und zur Konservierung. Die teuersten Gewürze sind Safran, Vanille und Kardamom. Früher war auch Pfeffer so wertvoll, dass er mit Gold aufgewogen wurde.
Gewürzseminare mit Verkostung
In dieser Essecke sitzen bereits einige Gäste und warten auf den Beginn ihres Seminars. Auf dem Tisch mit rot-weiß karierter Decke stehen bereits Pasten, Teller und Gläser Wasser. Von seinen hunderten Gewürzen füllt Ralf Niewöhner eine Auswahl in kleine Probiergläschen ab und verteilt sie am Tisch.
Die Gäste sollen riechen, schmecken und ausprobieren. Einmal pur, einmal mit Brot und Frischkäse. Und sie sollen sich das Ganze richtig auf der Zunge zergehen lassen. Dann würden sie merken, dass schon ein kleines Pfefferkorn für eine große Geschmacksexplosion reiche. Als Beweis dafür zeigt ihnen Niewöhner den Pfeffer "Timut":
Als er über die heilenden und berauschenden Wirkungen einiger Gewürze spricht, erinnert er sich an einen Besuch von Mitarbeitern der Aachener JVA. Auch ihnen habe er von der Wirkung der Muskatnüsse und dem entspannenden Effekt gemörserter Lorbeerblätter erzählt.
Einige Gewürze sind gewöhnungsbedürftig. Zum Beispiel das "geile Ziegenkraut". Dem Gewürz wird als Tee zubereitet eine aphrodisierende Wirkung zugeschrieben, allerdings gleicht der Geschmack dem Geruch in einem Ziegenstall. Oder das Schwefelsalz Kala Namak. Als die Gäste es probieren, verziehen sie ihre Gesichter. Der Geruch von faulen Eiern zieht in ihre Nase. Auch die auf den ersten Blick unbrauchbaren Gewürze haben ihre Berechtigung, weiß Niewöhner. Veganer geben zum Beispiel gern eine Prise Kala Namak als Ei-Ersatz in Speisen.
Über dieses Thema haben wir auch am 24.06.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Aachen, 19.30 Uhr.