Es riecht nach nichts. Kein strenger Käsegeruch, einfach gar nichts. "Weil das hier noch kein Käse ist", sagt Jessica Zacharias und taucht die Hände in eine bröckelige, weiße Masse. "Das ist Käsebruch: Milch mit Milchsäurebakterien." Die Frau mit der weißen Gummischürze und den weißen Gummistiefeln greift noch einmal in den Käsekessel. "Das braucht noch ein bisschen." Der Käsebruch darf weiterköcheln.
Käse macht die 36-Jährige, "weil der Wagen hier zum Verkauf stand." Der Wagen - das ist der Caravan, in dem die Käserei untergebracht ist. Ein Caravan? "Der fuhr jahrelang als mobile Käserei die Höfe rund um Bad Berleburg an." Und als die mobile Käserei zum Verkauf stand, hat sie zugegriffen und sich den Caravan auf den Hof gestellt. "Und dann habe ich die Ausbildung zur Käsepflegerin gemacht, weil man die hier in Deutschland braucht, wenn man Käse machen will."
Käsepflege bedeutet, jede Sorte genau zu kennen: die richtigen Lagerbedingungen, Luftfeuchtigkeit, Temperatur, das Waschen und Bürsten der Käselaibe oder auch das Wenden in Öl, Kräutern oder Wein.
Die Wittgensteiner Hofkäserei ist ein Familienbetrieb und winzig klein. Zwei Edelstahlkessel, ein Waschtisch, zwei Arbeitstische rechts und links. In der Mitte ein schmaler Gang - für Zacharias und Schwiegermutter Gudrun, die ihr hilft als Kräuterbeauftragte. "Unseren Gouda veredeln wir mit griechischen Kräutern oder Paprika oder Senf-Pfeffermischung", erzählt die Chefin, während sie den Käsebruch aus einem dicken Schlauch in eine Wanne laufen lässt. "Jetzt die Flüssigkeit ablassen. In die Formen füllen. Nochmal trockenlegen und dann reifen lassen. So wird Käse raus."
Endlich Käseduft
Zacharias öffnet die Tür zur Reifekammer. Endlich Käseduft, "weil der Geschmack beim Käse mit der Reifung kommt." Und der Duft auch. Der kleine Raum ist voll mit langen Regalen, auf den Holzbrettern aus "Wittgensteiner Fichtenholz" reiht sich Käse an Käse. Goldgelb, mit oder ohne Kräuter. Kugelrund oder eckig. Jung, mittelalt oder alt. "Unseren Käse gibt es in den Supermärkten und in vielen Hofläden. Es ist ein hochwertiges Lebensmittel aus der Region."
Die ausgebildete Käsepflegerin geht von Regal zu Regal. Streicht vorsichtig über Käserinden, rückt Käselaibe zurecht und wird tiefsinnig. "Es ist ein wertvolles Lebensmittel, das ich produziere. Das ist ein Stück Verantwortung, so etwas herzustellen."
Das richtige Gespür
Die Frau, die die Wertschätzung für Lebensmittel wieder unter das Volk bringen möchte, behandelt ihren Käse selbst mit großer Wertschätzung. "Der Käse sagt mir, was er braucht", erklärt sie und fischt einen Bergkäse aus einer milchig gelben Flüssigkeit. "Salzlake - mein Wellnessbad für Käse", sagt sie. Mit ihren Fingern streicht sie über die Rinde. "Noch zu offenporig. Der braucht seine Zeit." Das spürt sie. "Ich spüre, ob er Feuchtigkeit braucht, ob er noch reifen muss, ob er in Ruhe gelassen werden will." Auch das hat sie in ihrer Ausbildung gelernt: "Fachwissen ist wichtig. Das richtige Gespür zu haben auch."
Jeden Tag ist sie hier, "weil der Käse seine Rituale braucht." Und dann ist der ganz junge Gouda an der Reihe. Käsepflege heißt für ihn "Bürsten mit Salzlake, Käselaib wenden und wieder ab ins Regal." Ganz versunken holt sich Zacharias einen Käse nach dem anderen aus dem Regal. "Käsemachen ist mein Herzensprojekt, weil ich abends in der Hand halte, was ich morgens selbst produziert habe."
Über dieses Thema haben wir auch am 23.11.2023 im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit Südwestfalen, 19.30 Uhr.