Bilker Bunker in Düsseldorf: Vom Luftschutzraum zur Kulturstätte
Stand: 14.03.2024, 12:55 Uhr
Einst suchten hier Menschen Schutz vor Bomben, nun ist er ein multifunktionaler Kunst- und Kulturraum: Wie der "Bilker Bunker" in Düsseldorf die Balance zwischen Erinnern und Gestalten schafft.
Von Mirjam Ratmann
Kulturraum für alle(s)
Es sind Stimmen der Vergangenheit, die einen begrüßen. "Der Bunker war während des Krieges unsere Heimat", sagt eine. "Ich hatte fast mehr Angst vor dem Bunker als vor dem Krieg", eine andere. Die Stimmen versetzen einen ins Düsseldorf 1944. Damals diente der "Luftschutzbunker Nr. 25" in der Aachener Straße in Düsseldorf-Bilk Anwohnerinnen und Anwohnern als Schutzraum vor Bomben. Heute richten sich die Stimmen, die von Leinwänden rechts und links des Ganges schallen, als Mahnung an diejenigen, die den neuen Düsseldorfer Kunst- und Kulturraum Bilker Bunker betreten.
Ein gelber Streifen an den weiß-grauen Steinwänden führt durch die Eisentür "Schleuse 3" in einen hellen Raum, in dem Fallschirme von der Decke hängen. Kunst des schwedischen Künstlers Tomas Kleiner. Es ist das Erste, was Besucherinnen und Besucher an diesem Abend im Februar im Bilker Bunker bei der Eröffnung der neuen Ausstellung zu sehen bekommen. Schon bald verwandelt sich das Erdgeschoss in eine Art Kinderspielplatz: Kinder krabbeln und klettern in die Fallschirme, verstecken sich darin und nutzen sie als Schaukel. Der einst düstere Ort wirkt lebendig wie nie.
"Schleuse 3" war früher ein Zufluchtsort, jetzt findet darin Kultur platz
Seit August 2023 ist der Bilker Bunker wieder für die Öffentlichkeit zugänglich - das erste Mal in 75 Jahren. Der Kunst- und Kulturraum inklusive Bar ist einzigartig in Düsseldorf. Neben den zwei Ausstellungsräumen bietet der Bunker eine Fahrradgarage, fünf Showrooms, in denen Designerinnen und Designer ihre Mode ausstellen können, sowie mietbare Multifunktionsräume. Es gibt einen pinken Sportraum mit Klimmzugstange und bodentiefem Spiegel, einen Musikraum mit Schlagzeug sowie einen Kreativraum, von dessen Decke Pflanzen aus Papier hängen. Alle Räume sind stylisch und grell - wohl auch, um davon abzulenken, dass man sich mehrere Meter unter der Erde ohne Fenster und ohne Netz befindet.
Doch das "Herzstück" des Bilker Bunkers, wie Christina von Plate, Geschäftsführerin des Bunkers, es nennt, sind die Kunstausstellungen. Mit ihnen wolle man nicht nur das typische Kunst- und Kulturpublikum ansprechen, sagt die 47-jährige Kuratorin. "Der Bilker Bunker soll ein Kunst- und Kulturraum für alle sein." Oft würden sich Menschen nicht trauen, einen Fuß in die Kunstwelt zu setzen. "Diese Schwelle wollen wir abbauen." Dass dies möglich ist, verdankt sie engagierten Menschen in Bilk.
Düsseldorf-Bilk und sein Bunker
Nicht alle aus der Nachbarschaft kommen für das Kunst- und Kulturangebot in den Bilker Bunker. Viele wollten sehen, was aus dem Ort geworden sei, der seit Jahrzehnten das Bild ihres Viertels prägt, sagt von Plate. Sie hat von Beginn an das Gespräch mit Anwohnerinnen und Anwohnern gesucht. Für die Bilkerinnen und Bilker gehört der Bunker zu ihrer DNA. Spätestens seit 1995, als die einst graue Fassade von einer Künstlergruppe unter der Leitung des Düsseldorfer Künstlers Klaus Klinger bemalt wurde. Seitdem ziert den Bunker ein Gemälde, das Menschen verschiedenster Kulturen zeigt, die in einem Papierpaket als Schiff über das Wasser schippern.
Die Geschichte des Bunkers ist nicht einfach. 1951 leitete die Bundesregierung den sogenannten Zivilschutz ein: Alte Bunker sollten renoviert und neue gebaut werden. Der Bunker auf der Aachener Straße in Bilk war einer von 650 Bunkern in Deutschland, die "atomsicher" gemacht wurden. Als 2007 der Zivilschutz für die etwa 2.000 Bunker wegfiel, standen sie zum Verkauf. Während viele Bunker abgerissen wurden oder seither verfallen, gab es auch alternative Nutzungsideen.
In Duisburg dient ein Bunker als Kletterturm, in Bielefeld beherbergt er eine private Kunstsammlung. Der Bunker in Bilk ging an einen Investor, der ihn abreißen und auf dem Gelände 20 Wohnungen bauen lassen wollte. Die Bürgerinitiative "Bilk pro Bunker" sammelte dagegen Unterschriften, um ihn als historisches Mahnmal zu erhalten. Mit Erfolg: 2014 stellte ihn die Bezirksregierung unter Denkmalschutz. Der Investor gab auf.
Christina von Plate erschuf einen Raum für Kunst und Kultur im Bilker Bunker
Als die Projektentwickler von "KüssDenFrosch" den Bunker 2016 kauften, richtete sich Geschäftsführer Andreas Knapp an Christina von Plate. Die gelernte Diplomkauffrau war seit Jahren in der Kunstszene in Düsseldorf aktiv, hatte Ausstellungen wie den Düsseldorfer Artwalk kuratiert. Er fragte sie: Hast du Lust, aus dem Bilker Bunker einen Ort für Kunst und Kultur zu machen? Dreieinhalb Jahre arbeiteten sie an Konzept und Umbau des Bunkers. Kostenpunkt: 4,5 Millionen Euro. Auf das Dach des Bunkers setzte Knapp fünf Penthouse-Wohnungen. Zwei wurden bisher verkauft. Das Geld fließt in die Finanzierung des Kulturraumes.
Nach langer Vorbereitung kann Christina von Plate die erste Ausstellung endlich eröffnen
Drinks zwischen Bunkerwand und Schleusentür
Auf der zweiten Etage stehen Gäste mit Weinglas oder Limoflasche in der Hand vor Kunstwerken oder tummeln sich vor einer Videoinstallation.Christina von Plate schüttelt einigen die Hände, umarmt andere oder winkt ihnen zu. An mehreren Stellen auf der Etage wurden Wände durchbrochen. Die entstandenen Freiflächen wirken wie große Balkonfenster mit Blick auf das Erdgeschoss.
Einblick ins Innenleben des Bilker Bunkers
00:18 Min.. Verfügbar bis 14.03.2026.
Derweil legt Tobias Rösgen in einer Ecke Musik auf. Elektro, Dub, House und Hip-Hop. Das, was auch in seiner Bar "Schleuse Zwei" im ersten Untergeschoss im Bunker läuft. Ob es komisch für ihn gewesen wäre, eine Bar in einem ehemaligen Bunker aufzumachen? Tobias Rösgen überlegt, dann sagt er: "Ich habe nie ein beklemmendes Gefühl empfunden."
Tobias Rösgen beschallt den Bilker Bunker
Neonröhren an Wand und Decke der "Schleuse Zwei" tauchen den Raum in Rot, Blau und Orange. Es wirkt wie eine stylische Feierabendbar, die zufällig aus Bunkermauern besteht und eine eiserne Schleusentür hat. Das DJ-Pult steht auf Bunkergestein, das bei den Wanddurchbrüchen im Obergeschoss übriggeblieben ist.
Der Bilker Bunker als Mahnung
Vor der Eröffnung der Ausstellung führten von Plate und ihrem Team Gespräche mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen. "Dieser Ort ist nun einmal kein reiner Kunst- und Kulturraum, sondern ein historischer Ort", sagt von Plate. Eine davon war die damals 20-jährige Helene Struth.
Auf einer Tafel in dem Gang, in dem die Stimmen der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen schallen, steht ihr Gedicht. Es endet mit den Worten: "Damals konnte er uns vor Bomben schützen. Heute kann er, durch ein Gemälde verschönert, für verschiedene Möglichkeiten nützen. Und alle, die einen Krieg und seine Folgen erlebten, erhebt eure Stimme laut: Kein Krieg mehr auf Erden, nicht nur so weit man schaut!"