Wenn Wale Bakare und Christos Zales das Jugendzentrum KAMP betreten, werden Erinnerungen wach. Die beiden 58-Jährigen waren in den 80er-Jahren fast täglich hier, haben gemeinsam gelacht, geweint und Erlebnisse geteilt. Freunde fürs Leben. Heute sind sie wieder da, um zu sehen, was aus ihrem zweiten Zuhause geworden ist. Jeder Raum, jede Treppe, jede Ecke weckt Bilder von früher in ihren Köpfen. Die Küche, in der gerade ein paar Jugendliche Burger machen oder der Probenraum, in dem gerade ein Band übt.
Wie war der Zusammenhalt im KAMP?
00:12 Min.. Verfügbar bis 29.09.2025.
Gelebte Integration seit Jahrzehnten
Die Mädchen und Jungen, die Bakare und Zales bei ihrem Besuch kennenlernen, haben die unterschiedlichsten Wurzeln. Aus Syrien, der Türkei, der Ukraine, Albanien und vielen anderen Ländern. Sie bringen ihre Kulturen mit und lernen von- und miteinander. Das war auch in den 1980er-Jahren schon so. Das KAMP war und ist gelebte Integration.
Für Zales funktioniert das so gut, weil hier niemand auf die Herkunft achtet. Alle sind willkommen und wachsen zusammen: "Hier darf jeder sein, wie er ist und wir alle lernen voneinander. Wir haben gemeinsame Interessen wie Tanz und Musik. Das bringt uns zusammen, über alle Barrieren hinweg und wir lernen uns als Menschen gegenseitig wertzuschätzen."
Aus der Vogelperspektive: Das renovierte Jugendzentrum in Bielefeld
Vier Jahre war das KAMP eine Baustelle und die Jugendlichen wurden an anderen Orten in Bielefeld betreut. Über fünf Millionen hat die Renovierung des denkmalgeschützten Gebäudes gekostet. Viel Geld, das diesen geschichtsträchtigen Ort in eine moderne, barrierefreie Begegnungsstätte verwandelt hat. Das Gebäude wurde 1927 errichtet und schon 1928 von Kindern und Jugendlichen mit Leben gefüllt. "Kindergarten, Kinderhort und Jugendheim" hieß das Angebot damals. Der Name "KAMP" etablierte sich, weil die Einrichtung an der Straße Niedermühlenkamp liegt. Es ist das wohl älteste Jugendzentrum Deutschlands.
Über Bielefeld hinaus bekannt wurde das KAMP vor allem durch die vielen Konzerte, die hier über die Jahrzehnte stattfanden. Eine große Bühne mit Konzertsaal ist Teil des Gebäudes. Hier gingen erfolgreiche Künstler ihre ersten Schritte: Darunter Jan Delay, Casper oder die Beatsteaks.
Anziehungspunkt für eine ganze Region
Heute treffen Zales und Bakare an dem Ort ihrer Jugend aber nicht nur Jugendliche aus Bielefeld. Einige sind mit Bus und Bahn hier: aus Gütersloh, Herford oder Beckum. Es sind vor allem die Band-Proberäume, die Sportmöglichkeiten und die vielfältigen Freizeit-Angebote, die die große Anziehungskraft ausmachen. Die Sozialarbeiter sind außerdem Ansprechpartner, Ratgeber und Vorbilder. Gemeinsam wird, wie in den Jahrzehnten zuvor, musiziert oder Tischtennis, Billard und Tischkicker gespielt. Neu sind für Bakare und Zales nur die allgegenwärtigen Smartphones, die Playstations und die vielen Computer. Hier wird gezockt, aber auch mal eine Praktikums- oder Ausbildungsbewerbung getippt.
Ein sicherer Ort für alle
Sehr beliebt sind auch die verschiedenen Gruppen, die sich hier treffen und sich gegenseitig unterstützen. Queere Menschen kommen regelmäßig zusammen, um ihre Community zu pflegen und Erfahrungen auszutauschen. Ernste Themen sind kein Tabu: Alles kann angesprochen werden. Regelmäßig treffen sich auch schwarze Jugendliche, die seit der "Black-Lives-Matter-Bewegung" zusammen gegen Rassismus kämpfen. Das KAMP ist ein Ort, an dem gesellschaftliche Probleme adressiert und bearbeitet werden können. Viele stärkt das in ihrem Leben.
Für Bakare war die Gemeinschaft des KAMP auch in den 1980ern ein sicherer Anker. Als schwarzer Mensch erlebte Bakare "die Welt da draußen" immer wieder kalt und feindlich. Im KAMP hatte er ein zweites Zuhause, in dem er sich immer sicher und wohl fühlte. Hier gehörten alle zusammen, konnten ihre Talente entdecken. Statt Frust und Wut auf der Straße auszuleben, begannen sie im KAMP Musik zu machen, verschiedene Sportarten und Tanz zu entdecken. Bakare begeisterte sich für Hip-Hop und sein Kumpel Zales wurde als Breakdancer erfolgreich. Er schaffte es mit seiner "All Battle Crew" sogar zum NRW-Meister 1984.
Was bedeutet Wale Bakare und Christos Zales das Jugendzentrum KAMP heute?
00:18 Min.. Verfügbar bis 29.09.2025.
Hoffnung für die Zukunft
Als die beiden "KAMP-Kinder" der 80er Bakare und Zales durch das alte, moderne Gebäude laufen, merken sie, dass die heutige Generation zwar in einer ganz anderen Welt lebt, die Bedürfnisse aber die gleichen sind. Auch diese Jugendlichen suchen nach Anerkennung, Freundschaft und Gemeinschaft. Viele Ukrainerinnen und Ukrainer sind täglich hier, um in Deutschland "einen Fuß in die Tür" zu bekommen. Das KAMP hat für sie extra eine ukrainisch-deutsche Fachkraft eingestellt.
Die 15-jährige Sofia aus Irpin spielt ein melancholisches Lied auf dem Keyboard. Als die letzten Töne verhallen, sagt sie: "Wir Kinder aus der Ukraine werden nicht alleine gelassen, sondern wir werden hier mit offenen Armen aufgenommen. Und das mag ich sehr." Wenn Bakare und Zales solche Worte hören, werden sie ein bisschen sentimental. Denn so haben sie sich auch schon gefühlt, als junge Menschen mit Migrationsgeschichte in Deutschland. "Es ist toll, dass das KAMP so eine gesicherte Zukunft hat. Die meisten können sich gar nicht vorstellen, wie wichtig solch ein Anlaufpunkt für jungen Menschen ist, die gerade in der vielleicht turbulentesten Phase ihres Lebens stecken", sagt Bakare.
Über dieses Thema haben wir auch am 14.09.2023 im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit OWL, 19.30 Uhr.