Zu Besuch im Autokino Porz
00:48 Min.. Verfügbar bis 31.10.2026.
"The End" nach 57 Jahren: Das älteste Autokino NRWs schließt
Stand: 31.10.2024, 07:26 Uhr
Nach knapp sechs Jahrzehnten fällt im Autokino Köln-Porz am 31. Oktober der letzte Vorhang. Wie geht es den Mitarbeitern und Gästen damit?
Von , Andreas Palik (Multimedia)
Allmählich wird es dunkel in Köln. Vor dem Kassenhäuschen des Autokinos in Porz hat sich eine lange Wagenschlange gebildet. Die roten Schweinwerfer bilden eine hunderte Meter lange Lichterkette. Cheyenne Zeni und Ronja Kremer sitzen in einem der Autos und warten darauf, ihre Tickets an der Kasse einlösen zu können.
Die Nachricht, dass das Autokino bald schließen muss, macht die beiden 19-Jährigen traurig. Zeni wohnt in Porz und war schon drei Mal hier. "Ich finde es schön, auch mal über den Film reden zu können und nicht in einem Riesensaal mit 1000 Leuten zu sitzen, in dem alle nur auf die Leinwand starren", sagt sie. Ihrer Freundin Kremer hat sie zum Geburtstag einen Gutschein fürs Autokino geschenkt. Es läuft: "Mufasa - Der König der Löwen".
Chayenne Zeni hat Freundin Ronja Kremer einen Besuch im Autokino geschenkt
Als das Porzer Autokino 1967 eröffnet wurde, sorgte das für Schlagzeilen. Denn es war es das erste seiner Art in NRW und das erst dritte in ganz Deutschland. Heranwachsende aus der Region freuten sich, schließlich konnten sie sich in geschützter Umgebung ungestört näherkommen. Konservative Eltern gingen auf die Barrikaden und fürchteten unzüchtiges Verhalten durch die Eröffnung solcher Kinos.
Lange hat es durchgehalten, doch nach knapp sechs Jahrzehnten fällt in Köln-Porz am 31. Oktober der letzte Vorhang. Das vorletzte Autokino in NRW macht dicht. Dann gibt es nur noch in Essen eines.
Autokino Köln-Porz: Eine Familienangelegenheit
Während die jungen Frauen langsam in der Schlange vorankommen, ist im Diner nebenan schon einiges los. An der Popcornmaschine füllt Nicole Klamann-Siebel die Tüten mit schnellen, geübten Handgriffen auf. Bis zu 300 verkauft die 54-Jährige pro Abend. Seit sechs Jahren arbeitet die Minijobberin hier. Eine Nachbarin brachte sie auf die Idee, sich im Autokino vorzustellen. "Jeder bringt jeden mit rein, weil es Spaß macht", sagt Klamann-Siebel.
Lea Siebel und ihre Mutter Nicole Klamann-Siebel haben beide im Autokino gearbeitet
Sie selbst hat ihre beiden Töchter mitgebracht. Lea Siebel arbeitet ein paar Meter weiter und ist für die Nachos zuständig, ihre Schwester war bis vor anderthalb Jahren auch Teil des Teams. Eine andere Kollegin hat ihren Ehemann ins Boot geholt. Das Autokino Porz - es ist in gewisser Weise auch eine Familienangelegenheit.
Gerade für den Standort am Rande Kölns sei das Kino wichtig, betont Nicole Klamann-Siebel. "Was gibt es denn noch hier? Wenig", sagt sie und wendet sich dann wieder dem Popcorn zu.
Corona sorgte für Autokino-Boom
Einen wirklichen Durchbruch erlebten Autokinos in Deutschland nie. Zum einen ist das Land weit weniger auf die "Drive-Thru"-Mentalität eingestellt als die USA, zum anderen braucht es für das Kino große Flächen. Gerade in NRW sind die eher selten. Noch dazu können sich die Besucher meist ihre eigene Verpflegung mitbringen, die Betreiber verdienen an Popcorn, Getränken und Nachos also weniger als in herkömmlichen Lichtspielhäusern. Dagegen steht ein hoher finanzieller Aufwand.
Mit dem Corona-Ausbruch und den Kontaktbeschränkungen erlebten Autokinos einen kurzfristigen Boom. An mehreren Orten in NRW eröffneten temporäre Kinos, laut Filmstiftung sollen es bis zu 70 gewesen sein. Die meisten eröffneten nur Monate oder Wochen. Nach der Pandemie gingen die Zahlen schnell wieder zurück.
Autokino-Betreiber müssen kreativ sein
Um die eigene Finanzierung zu sichern, haben sich einige Autokinos in Deutschland Nebenverdienst-Möglichkeiten aufgebaut. In München und in Gravenbruch bei Frankfurt bieten die Betreiber zum Beispiel einen Shuttleservice zum Flughafen an. In Köln vermieteten die Inhaber ihr Gelände mehrmals pro Woche für Trödelmärkte.
Doch dann fiel einem Mitarbeiter der Stadt Köln irgendwann auf, dass es für diese Märkte keine Genehmigung gab. Alle Bemühungen, mit der Stadt eine Lösung zu finden, führten ins Leere. Die Märkte wurden verboten, die Pachteinnahmen brachen weg und das Schicksal des Autokinos in Porz war besiegelt.
"Da steckt viel Herzblut drin"
Thorsten Schiers wird die Person sein, die die Türen im Kölner Südosten zum letzten Mal abschließt. Schiers arbeitet seit 24 Jahren hier. Als Theaterleiter ist der 53-Jährige vom Einkauf über die Dienstplangestaltung bis hin zu Inventuren, Abrechnungen, Instandhaltung, Koordination und der Kasse so ziemlich für alles zuständig. Hauptsache, der Abend läuft reibungslos ab. In seinen zweieinhalb Jahrzehnten hat Schiers einige Kuriositäten erlebt:
Welche kuriosen Dinge hat Thorsten Schiers im Autokino erlebt?
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Solche Momente wird es hier in Zukunft nicht mehr geben. Was das für ihn bedeutet? Schiers antwortet erstaunlich nüchtern: "Das heißt für mich, dass ich meinen Arbeitsplatz verliere, genau wie die ganze Belegschaft, die wir hier in Köln haben. Und wenn die letzte Vorstellung gelaufen ist und der Pachtvertrag am 31. Dezember ausläuft, dann ist das Autokino Köln Geschichte."
24 Jahre lang, 6 Tage die Woche, hat Schiers hier gearbeitet. Bis zu 1000 Gästen täglich ein Kinoerlebnis beschert. Steckt er die Schließung einfach so weg? Der Theaterleiter zuckt mit den Schultern und lächelt gequält. "Man muss es", sagt er. "Auch wenn ich am Anfang natürlich gesagt habe: Das kann nicht sein." Er kann sich vorstellen, in Zukunft auch in einem anderen Kino zu arbeiten. "Da steckt viel Herzblut drin."
Statt nach Köln-Porz geht's in Zukunft nach Essen
Inzwischen hat die Abenddämmerung den Himmel über Köln in ein warmes Violett getaucht. Cheyenne Zeni und Ronja Kremer haben ihren Wagen auf dem Parkplatz vor der Leinwand abgestellt. Gleich beginnt der Film und die beiden Freundinnen haben sich in eine Decke eingekuschelt. Dazu gibt's Pizza und Limo.
Zeni weiß, dass ihr vierter Besuch in Porz gleichzeitig wohl auch einer ihrer letzten sein wird. Wenn sie in Zukunft das Autokino-Feeling erleben will, müsste sie dafür ins 80 Kilometer entfernte Essen fahren. "Hier ging alles ganz schnell. Man musste sich nicht umziehen, sondern ist einfach ins Auto gestiegen und war sofort hier", sagt sie. "Und spannender als auf der Couch war es auf jeden Fall." Sie werde das Autokino vermissen. Dann startet ihr letzter Film.
Über das Thema berichten wir am 28.10.2024 auch im WDR-Fernsehen: Lokalzeit aus Köln, 19.30 Uhr.